Nach 15 Monaten ist der Leutkircher „Stachus“ wieder befahrbar
Leutkirch – Viel Sonnenlicht leuchtete und viel politische Prominenz aus Leutkirch und drüber raus strahlte. Am Freitagvormittag kurz vor 11.00 Uhr schnappten etliche Scheren zu, um das symbolische Sperrband auf der Mohrenbrücke zu zerschneiden. Weihwassertropfen des kirchlichen Segens kurz davor hatten so manch wichtigem Besuch etwas Kühlung vor der sengenden Hitze verschafft.
Elf Männer und eine Frau nebeneinander in einer Reihe: Am Freitagvormittag gegen 10.57 Uhr stellten sie sich parallel zur Oberen Vorstadtstraße auf die Mohrenbrücke hinter ein Band. Alle mit Scheren in der Hand. Regierungspräsident Klaus Tappeser zählte „Drei, zwei, eins – n u l l l ” – und schon schnappten die Scheren zusammen. Das symbolische Band war zerschnitten. Nun galt, was Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle zuvor schon gesagt hatte: „Die Brücke wird wieder für den Verkehr freigegeben.” Darauf hatten nicht wenige in Leutkirch fünfzehn Monate gewartet. Das Elf-Uhr-Geläute wirkte feierlich.
Kühlende Weihwassertropfen
Im Hintergrund. E i n Mitarbeiter an der großen Mohrenbrücken-Baustelle stach am Freitagvormittag optisch nicht ins Blickfeld: Jesus Christus. Dabei hatte die evangelische Pfarrerin Tanja Götz ihn mehrmals ausdrücklich erwähnt. Sie nannte ihn einen „Brückenbauer”.
Nicht auf der Bühne befand sich auch Bauleiter und Bauüberwacher Gebhard Bareth (Bild). Regierungspräsident Klaus Tappeser aus Tübingen lobte ihn hörbar. Die neu errichtete Mohrenbrücke sei Bareths berufszeitliche Krönung – so dass der Mann zum 1. November in Rente gehe.
Wie Pfarrerin Götz erwähnte Regierungspräsident Tappeser bei seiner Eröffnungsrede auch die Bibel. Sie berichte von dem „Mohren” – also einem der drei Heiligen Könige. „Der Mohr hat überhaupt keine negative Verbindung”, betonte Tappeser. Ja selbst Schwabens Dichterfürst Friedrich Schiller erwähne den Mohren lobend. Damit wiegelte Tappeser Fragen ab, bevor an diesem Freitagvormittag jemand überhaupt auf die Idee gekomme wäre, sie zu stellen. Es dürfe also nach wie vor von der „Mohrenbrücke” gesprochen werden. Tappeser: “Ich kann den Leutkircher Wirten nur gratulieren zu ihrer herrlichen Marketing-Idee, Brücken nach den Gasthäusern zu benennen.” Kurz: “`Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.'”
Heißt in Zahlen: 15 Monate Bauzeit – “für so eine Brücke eher kurz” (Klaus Tappeser), 3 Millionen Euro Baukosten vom Land Baden-Württemberg und nochmals 1,4 Millionen von der Stadt Leutkirch – etwa für Leer-Rohre der Fernwärmeleitungen oder eine Bushaltestelle auch für Leute “mit Einschränkungen” (Henle). “Wir haben’s also geschafft – trotz Hochwasser”, lobte Regierungspräsident Tappeser. Seine Rede hatte er mit dem Ratschlag begonnen: „Gehen Sie ein bißle in den Schatten”. Dann hielt sich Tappeser vergleichsweise kurz. Da wirkte das kühle Weihwasser des katholischen Priesters noch treffsicherer. Großzügig versprengte er es großzügig auf das erkennbar dankbare Publikum.
Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle freute sich, dass die Mohrenbrücke ab heute wieder „für Jahrzehnte” dem Verkehrsfluss dienen könne. Auch den Verkehrsteilnehmern auf Fahrradsätteln. Nicht minder mahnte das Stadtoberhaupt, dass für weitere ähnliche “Infrastrukturmaßnahmen” nahe der Eschach “das Geld freigegeben wird”. Letzte Nacharbeiten im Bereich Mohrenbrücke/Obere Vorstandsstraße seien bis einschließlich September fertig. Doch seit dem heutigen Freitag, (16.8.) sei die Mohrenbrücke “wieder für den Verkehr freigegeben”. Und das bedeute: “Heute ist ein guter Tag für Leutkirch.”
Vorgänger-Brücke stammte aus dem Jahr 1955
„Die alte Brücke aus dem Jahr 1955 war dem aktuellen Verkehr nicht mehr gewachsen und wies Beschädigungen auf, so dass eine Sanierung nicht wirtschaftlich gewesen wäre“, schreibt das Regierungspräsidium zur Eröffnung der Leutkircher Mohrenbrücke. Deshalb sei ein Ersatzneubau notwendig geworden. „Von der alten Brücke konnten die Fundamente der Widerlager teilweise beibehalten werden.“
Weiter heißt es in der Mitteilung: „Um die unvermeidbare Sperrzeit optimal zu nutzen, wurden im selben Zuge noch weitere Maßnahmen umgesetzt: Der Kreuzungsbereich wurde mit einer neuen Ampelanlage und veränderten Markierungen umgestaltet, so dass Rad- und Fußverkehr im Kreuzungsbereich nun sicherer geführt werden. Mit der Erneuerung der Fahrbahndecken von L 260 und L 308 auf einer Länge von 250 Metern wurde der Zustand verbessert, gleichzeitig konnten Schutzstreifen für Radfahrer angelegt werden. Die Stadt Leutkirch nutzte die Arbeiten darüber hinaus, um Leitungsarbeiten durchzuführen und zwei Bushaltestellen barrierefrei umzubauen. Durch die Zusammenlegung dieser Maßnahmen konnten weitere Sperrungen, die sonst zu einem späteren Zeitpunkt nötig geworden wären, vermieden werden. Letzte Restarbeiten werden vorrausichtlich bis Ende September 2024 abgeschlossen sein.“
Eine Arbeitsebene in der Eschach
Aufgrund des Platzmangels an der Baustelle und aus Rücksichtnahme auf umliegende Häuser musste eine Arbeitsebene in der Eschach errichtet werden. Da diese den möglichen Wasserabfluss des Flusses verringerte, richteten Regierungspräsidium und Baufirma eine 24-Stunden-Rufbereitschaft ein, um bei Hochwassergefahr schnell eingreifen zu können. Als das Rückhaltebecken Urlau Ende August 2023 seine Kapazitätsgrenze erreichte, musste die Plattform innerhalb weniger Stunden zurückgebaut werden. Dank der guten Koordination zwischen Stadt, Regierungspräsidium und Baufirmen wurde das Flussbett zügig geräumt und das Wasser konnte abfließen, ohne dass es zu einer Überschwemmung mit möglichen Schäden im Stadtgebiet kam. Der entstandene Zeitverzug von ungefähr drei Wochen konnte in der Folge durch vereinte Anstrengungen wieder aufgeholt werden.
Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle begrüßt Regierungspräsident Klaus Tappeser. Links der Landtagsabgeordnete Raimund Haser.
Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle, der Landtagsabgeordnete Raimund Haser, Regierungspräsident Klaus Tappeser und der Priester im Gespräch.
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