Skip to main content
ANZEIGE
Künstlerische Bilanz eines Lebenswerks

Erwin-Roth-Retrospektive in der Residenz Kempten



Foto: Herbert Eichhorn
Weder Erwin Roth selbst noch seinen Werken sieht man die siebzig an.

Kempten / Ausnang – Unter dem Ausstellungstitel „Vollgas“ hat sich der passionierte Motorradfahrer Erwin Roth zum Siebzigsten einen Wunsch erfüllt. In einer großen Überblicksschau zeigte der Künstler im Hofgartensaal der Residenz in Kempten eine breite Auswahl von Arbeiten aus fünf Jahrzehnten. Eine Woche lang, bis 17. Dezember, war dieser äußerst anregende Querschnitt durch ein – ja, man muss es so sagen – Lebenswerk zu sehen gewesen. Unser Kultur-Reporter Herbert Eichhorn hat sich die Ausstellung angeschaut.

Viele werden Erwin Roth, der in Ausnang aufgewachsen ist und bis heute dort lebt und arbeitet, kennen – allerdings weniger als Künstler. Roths Brotberuf ist der eines Restaurators. Überall im Allgäu hat er über die Jahrzehnte in und für Kirchen, Kapellen und Schlösser gearbeitet. Er genießt einen hervorragenden Ruf als sensibler und sorgfältiger Restaurator alter Kunst.

Bildender Künstler und Restaurator

Andere kennen vielleicht Erwin Roth tatsächlich als bildenden Künstler, aber eventuell ausschließlich durch seine monumentalen Außenplastiken. In Leutkirch markiert zum Beispiel seine fünf Meter hohe Skulptur „Grande Dame“ aus rostendem Stahl eindrucksvoll das Entree zur Altstadt. Die Ausstellung in Kempten bietet nun die Gelegenheit, sich ein breiteres Bild davon zu machen, was Erwin Roth als freischaffender Bildhauer und Maler im stillen Ausnanger Atelier geschaffen hat. Befragt, wann denn das alles entstanden ist, während er in der Leutkircher Stadtpfarrkirche, in den Kirchen von Herlazhofen und Diepoldshofen und in Dutzenden anderen Kirchen des Allgäus als Restaurator gearbeitet hat, gibt Erwin Roth strahlend Auskunft. Wenn früher die Kinder im Bett waren und andere es sich dann eben vor dem Fernseher gemütlich einrichteten, ging er in sein Atelier und machte sich an die Arbeit.

Blick in die Ausstellung mit der Skulptur „Offene Räume – Freie Träume“ (2022) im Vordergrund.
Foto: Herbert Eichhorn

Die neuesten Arbeiten des Künstlers

Betritt man die weite gewölbte Halle des Hofgartensaals, so empfängt einen zunächst eine große Gruppe der neuesten Arbeiten des Künstlers. Es sind durchweg großformatige Skulpturen und Wandobjekte, in denen jeweils ein farbiger Kern von weißen Silikontropfen überzogen, ja fast überzuckert wird. Dieser Pelz von Silikon hat einen reizvollen Effekt. Er nimmt den abstrakten, oft spitzeckigen Formen ihre Schärfe und gibt ihnen eine Art Sfumato, eine weiche, sinnliche Anmutung, die einen fast dazu verlockt, die Objekte zu streicheln.

Über die Jahrzehnte unterschiedlichste Ausdrucksformen genutzt

Wenn der Besucher weiter in die Halle hineingeht, so wandert er dabei gewissermaßen im Schaffen Erwin Roths zurück durch die Jahrzehnte. Und wenn er dann an der Innenhofseite des Saals zum Eingang zurückkommt, so ist er schließlich bei den ersten Anfängen des Künstlers angelangt, zwei kleinen Ansichten von Kempten bzw. Martinszell in naturalistischer Ölmalerei. Von diesen Bildern war es ein weiter Weg zu den Silikonobjekten. Aber wenn man durch die Ausstellung geht, kann man diese Entwicklung anschaulich nachvollziehen. An vielen Stellen kann man dem Künstler gewissermaßen dabei über die Schulter zuschauen, wie er seine Themen über die Jahre weiterentwickelt hat. Dabei nutzt er die unterschiedlichsten künstlerischen Ausdrucksformen: unter anderem klassische Malerei, klassische figurative Skulptur, abstrakte Skulptur, Materialbilder. Und eine der Arbeiten setzt sich sogar für zwei, drei Minuten in Bewegung und sorgt auch für etwas Lärm. Ein breiter Vorhang von gebrauchten Pinseln unterschiedlicher Form und Größe beginnt dabei zu zittern.

Die altägyptischen Gottheiten „Sarapis“ und „Schu“ geben den strengen Idolen ihre Titel.
Foto: Eichhorn

Klassische Figuren und strenge Idole

Roths Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur beginnt zunächst ganz traditionell. „Die Gedanken sind frei“ ist der Titel einer gefesselten weiblichen Aktfigur. Dass die Skulptur, die aus Alabastergips geformt ist, eine bronzefarbige Fassung hat, unterstreicht noch den Eindruck des Klassischen. Wenn Roth dann die Farbigkeit der Skulpturen verfremdet, dann ist das der erste Schritt weg aus dieser Tradition. Sein kleiner, in groben Schnitten aus dem Holz geschnitzter „Blaumann“, der einen mit glühend roten Augen anstarrt, hat dann zum Beispiel bereits einen ganz anderen Charakter. Schließlich entstehen strenge, überlebensgroße Figurinen von unterschiedlicher Farbigkeit und Oberflächenbeschaffenheit. Die Körperkontur ist hier nur noch knapp angedeutet, die Haltung streng frontal. Wie Idole oder Wächterfiguren aus fernen Zeiten scheinen sie über die Ausstellung zu wachen. Spätestens, wenn man dann liest, dass zwei der Arbeiten nach den altägyptischen Gottheiten „Sarapis“ und „Schu“ benannt sind, wird dieser Eindruck bestätigt.

Materialien und Techniken

Die Vielfalt der Materialien, die Erwin Roth als Bildhauer und Maler verwendet, hat wohl auch mit seiner Arbeit als Restaurator zu tun. Dort kommen naturgemäß die unterschiedlichsten Techniken zur Anwendung. Ein Beispiel für diesen Transfer ist die Vergoldung, die in den barocken Kirchen des Allgäus natürlich regelmäßig gefordert ist und die Roth dann eben auch in seinem künstlerischen Werk immer wieder gezielt einsetzt.

„Protokoll“ (Detail)
Foto: Eichhorn

Zwei Höhepunkte der Ausstellung

Der Künstler lässt sich auch von gesammelten oder gefundenen Objekten inspirieren. Beispiele hierfür sind die Arbeiten „Protokoll“ und „Lebensspuren“, die überhaupt zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören. In „Protokoll“ öffnen sich in einem Triptychon aus Blechtafeln hunderte kleine Fenster und geben den Blick frei auf dunkle Diapositive, die beim Restaurieren entstanden sind. Hier ein Putto, dort ein Weihekreuz oder ein gegeiselter Heiland – hier wird aber nicht nur Bilanz der geleisteten Arbeit gezogen. Alles fügt sich zusammen zu einem zum Teil rätselhaften Panorama der Formen und Gestalten.

„Lebensspuren“
Foto: Eichhorn

Ein Altar für unsere Zeit

Gläserne Objektkästen, die jeweils unterschiedliche Materialien einschließen, sind in „Lebensspuren“ zu einer Art Flügel- oder Wandelaltar zusammengefügt. Die Inhalte der Kästen sprechen tatsächlich alle Aspekte der menschlichen Existenz und besonders auch deren Gefährdungen an. Unter anderem finden sich leere Patronenhülsen, Barbiepuppen, Modeschmuck, Reiskörner, Spritzen von Drogenabhängigen oder verkohltes Holz. Aber auch das Rettende wird schließlich thematisiert, wenn Texte der verschiedenen Weltreligionen erscheinen. Die für ein – durch den damaligen Rottenburger Bischof Walter Kasper initiiertes – Projekt entstandene Arbeit hat auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung nichts an Aktualität und Dringlichkeit verloren. Da das Objekt letztlich tatsächlich ein Altar ist, gehört es eigentlich in einen Sakralraum. Man kann nur hoffen, dass irgendwann eine Kirchengemeinde den Mut findet, Roths eindrucksvolle Schöpfung in ihrer Kirche aufzustellen.

Der empathische Zeitgenosse Erwin Roth

In dieser Arbeit wird ein wichtiger Aspekt noch einmal besonders deutlich greifbar, der sich wie ein roter Faden durch das Schaffen von Erwin Roth zieht. Es ist sein empathisches, mitfühlendes Sich-Beziehen auf die Welt, auf ihre Probleme und ihre Katastrophen. Auch ein Wandobjekt, für das Pressemeldungen zum Tsunami von 2004 in Wachs mit Lavagestein versiegelt wurden, weist in diese Richtung. Das Problem der Verknappung und Kommerzialisierung der Ressource Wasser ist dann das Thema einer anderen Arbeit. „Goldwater“ ist sie sprechend betitelt und empfängt den Besucher bereits in der Vorhalle des Hofgartensaals.

„Goldwater“

Die Finissage diente zusätzlich einem karitativen Zweck

Dieser mitfühlende Zeitgenosse Erwin Roth wird auch noch einmal sichtbar, wenn man auf die Finissage an diesem Sonntag, 17. Dezember, um 17.00 Uhr blickt. Da war der überregionale renommierte Musiker Rainer von Vielen zu hören. Für die Veranstaltung wurde kein Eintritt erhoben. Es waren vielmehr Spenden erbeten für die Arbeit des Kinderhospizes in Bad Grönenbach
Herbert Eichhorn

In der Bildergalerie weitere Impressionen aus der Ausstellung im Hofgartensaal der Residenz Kempten. Alle Fotos: Herbert Eichhorn



BILDERGALERIE

Fotos: Herbert Eichhorn

NEUESTE BEITRÄGE

Leutkirch
Kino

Das Programm im Centraltheater Leutkirch

Leutkirch – Folgende Filme werden vom 23. Januar bis 26. Januar im Centraltheater Leutkirch gezeigt:
Am Dienstag, 21. Januar

Ortschaftsratssitzung in Winterstetten

Winterstetten – Bekanntmachung zur Ortschaftsratssitzung am Dienstag, 21. Januar 2025 um 20.00 Uhr im Bürgerhaus Winterstetten. Nachstehend die Tagesordnung:
Mit viel Zuversicht ins neue Vereinsjahr

Leutkircher Frauenbund lädt zu schönen Veranstaltungen

Leutkirch – Im „hoimelig-warmen“ Ambiente des Begegnungsraumes im Alten Kloster am Marienplatz lud der Katholische Frauenbund Leutkirch zu seiner Hauptversammlung mit Rückblick, dem traditionellen Neujahrsempfang und mit der Vorschau aufs Programm 2025. Die Frauen der Vorstandschaft begrüßten und berichteten abwechselnd über 20 gemeinsame Veranstaltungen und Unternehmungen, an denen jeweils rund 30 Frauen teilgenommen hatten.
Leutkirch (ver)führt

Rückblick auf ein erfolgreiches Führungsjahr

Leutkirch – Die Touristinfo Leutkirch blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2024 zurück. Ob klassische historische Stadtführungen, kulinarische Erlebnistouren oder spezielle Angebote für Familien – die Geschichten und Erlebnisse rund um Leutkirch haben zahlreiche Gäste begeistert.
Am Montag, 27. Januar

Einladung zur Sitzung des Jugendgemeinderates

Leutkirch – Öffentliche Einladung zur Sitzung des Jugendgemeinderates der Großen Kreisstadt Leutkirch im Allgäu am Montag, 27. Januar, um 18.00 Uhr im Sitzungssaal des Verwaltungsgebäudes Gänsbühl. Nachstehend die Tagesordnung:
Ereignisse, Projekte und Entwicklungen im Jahr 2024

“Heimat Leutkirch – der Jahresrückblick” ist erschienen

Leutkirch – Die Broschüre „Heimat Leutkirch – Das Jahr 2024“ ist erschienen. Der Jahresrückblick, der in enger Zusammenarbeit mit der “Schwäbischen Zeitung” erstellt wurde, bietet eine umfassende Rückschau auf die wichtigsten Ereignisse, Projekte und Entwicklungen des vergangenen Jahres.
Larifari öffnet die Bühne im Bock in Leutkirch am 7. Februar

Offene Bühne im Februar für Künstler aus nah und fern

Leutkirch – Larifari öffnet die Bühne im Bock in Leutkirch am 7. Februar für Künstler aus nah und fern. Wie immer ist eine Mischung auf verschiedenen Musikstilen, Einzelkünstlern und Bands zu genießen.
Am Sonntag, 2. Februar

Harmonic Brass nimmt die Menschen mit auf eine Donaureise

Leutkirch – Sieben Jahre nach ihrem letzten Konzert in Leutkirch gastiert das Weltklasse-Ensemble Harmonic Brass am Sonntag, 2. Februar, erneut in der Allgäustadt. Beginn des Konzerts in der Reihe „Leutkircher Klassik“ ist um 17.00 Uhr.
Am Sonntag, 2. Februar

Zwei Nachwuchstalente präsentieren Klavier und Trompete

Isny – Am Sonntag, 2. Februar um 19.30 Uhr präsentiert „klavier plus“ das Duo Krieger/Wong im Refektorium von Schloss Isny. Mit „klavier plus“ erarbeitet das Kulturforum Isny e.V. alljährlich rund um den imposanten Schimmelflügel im Schloss Isny eine außergewöhnliche Kammermusik-Reihe, die für die Kombination der Klänge dieses Flügels mit immer neuen Instrumenten, Künstlern und Musikrichtungen steht.
Am Mittwoch, 5. Februar, um 19.30 Uhr

vhs-Vortrag: Künstliche Intelligenz – Segen oder Fluch?

Leutkirch – „Künstliche Intelligenz – Segen oder Fluch“ ist das Thema eines vhs-Vortrags am Mittwoch, 5. Februar, um 19.30 Uhr im Bocksaal. Referent ist der aus Leutkirch stammende Prof. Dr. Wolfgang Ertel.

MEISTGELESEN

Leutkirch
Erinnerung eines Sebastianspilgers

Auf Vaters Spuren

Haisterkirch – 20. Januar, Sebastianstag. Im bäuerlichen Jahreskreis einst ein herausragender Tag, pilgerte man doch zum „Bastiane“ in vielerlei Anliegen, auch mit der Bitte, das Vieh möge vor Seuchen bewahrt bleiben. Der Schreiber dieser Zeilen, ein Bauernsohn aus dem Allgäu, ist seit vielen Jahren stets am 20. Januar mit dabei, wenn es gilt, den Heiligen um Fürsprache zu ersuchen. Noch viel länger ist Rudi Martin ein Sebastianspilger. Sachkundig berichtet der in den Achtzigern stehende ehem…
Am 8. Februar im T4 in Truschwende

Claudia Herdrich lädt zu Harmonika-Stammtisch

Bad Wurzach – Claudia Herdrich, bekannt für ihr schönes Spielen mit der Steirischen Harmonika, lädt am Samstag, 8. Februar, zu einem Harmonika-Stammtisch ins Restaurant T4 in Truschwende.
Albrecht Roth zum 90.

Pädagoge, Musiker, Heimatforscher

Leutkirch – Albrecht Roth 90 Jahre? Man kann es kaum glauben. Kerzengerade in der Haltung, geistig quick wie eh und je, kulturbeflissen, an Weihnachten mit Urenkeln Hausmusik machend, die Shakespeare-Aufführung im Brunnenhof von Schloss Zeil am 14. Juli 2023 in englischer Sprache goutierend – das ist Albrecht Roth. Am 12. Januar vollendete er sein 90. Lebensjahr – an seiner Seite seine Frau Eveline, die nicht minder vital ist und auch schon 89 Jahre zählt.
18. Januar, 13.30 Uhr

Am Samstag Narrensprung in Aichstetten

Aichstetten – Die Fasnet kommt in Aichstetten auf Touren. Am Samstag, 18. Januar, ist großer Narrensprung. Fast 70 Gruppen sind auf Aichstettens Straßen unterwegs. Nachstehend der Sprungplan die Fahrpläne für die Shuttlebusse:
Mit viel Zuversicht ins neue Vereinsjahr

Leutkircher Frauenbund lädt zu schönen Veranstaltungen

Leutkirch – Im „hoimelig-warmen“ Ambiente des Begegnungsraumes im Alten Kloster am Marienplatz lud der Katholische Frauenbund Leutkirch zu seiner Hauptversammlung mit Rückblick, dem traditionellen Neujahrsempfang und mit der Vorschau aufs Programm 2025. Die Frauen der Vorstandschaft begrüßten und berichteten abwechselnd über 20 gemeinsame Veranstaltungen und Unternehmungen, an denen jeweils rund 30 Frauen teilgenommen hatten.

TOP-THEMEN

Leutkirch
Leutkirch – Albrecht Roth 90 Jahre? Man kann es kaum glauben. Kerzengerade in der Haltung, geistig quick wie eh und j…
Aichstetten – Die Fasnet kommt in Aichstetten auf Touren. Am Samstag, 18. Januar, ist großer Narrensprung. Fast 70 Gr…
Leutkirch – Der Leutkircher Gemeinderat hatte beschlossen, die Einführung eines eigenen Kfz-Kennzeichens voranzutreib…

Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk in Allgäu-Oberschwaben

VERANSTALTUNGEN

Bad Wurzach