Die längste Bürgerfragestunde
Leutkirch – „In meinem beruflichen Leben die längste Bürgerfragestunde.” So beschrieb Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle den Meinungsaustausch mit Leutkircherinnen und Leutkirchern bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Montagabend (1.7.) im Verwaltungsgebäude am Gänsbühl. Dabei ging es vor allem ums jüngste Fronleichnams-Hochwasser, um die Obere Vorstadtstraße samt Ampeln und ums Radfahren. Auch das Hans-Multscher-Gymnasium kam zur Sprache.
„Damit wir Zeit haben, die Keller zu räumen”
„Der Klimawandel ist auch in Leutkirch angekommen.” Beim jüngsten Hochwasser Anfang Juni sei dabei deutlich geworden, „dass die ganzen Rückhaltesysteme nicht ausreichen”. So der fragende Bürger Gerhard Pfeffer. Er kenne das Gebäude und habe dort eine derartige Flut seit 70 Jahren nicht erlebt. Pfeffer: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass so etwas passiert.” Deshalb wollte Pfeffer von der Stadtverwaltung wissen, ob es künftig ein Markierungs- oder Warnsystem vom Stadtweiher her gebe, „damit wir Zeit haben, die Keller zu räumen”.
Oberbürgermeister Henle antwortete: „Wir haben einen extrem regenreichen Winter hinter uns.” Daher sei das Erdreich Anfang Juni kaum dazu fähig gewesen, die Niederschläge aufzunehmen. Angesichts dieser Lage habe Leutkirch die Flut noch einigermaßen glimpflich überstanden. Nächsten Montag (8.7.) werde die Stadtverwaltung mit Gewässerfachleuten der Landesverwaltung darüber sprechen. Henle ergänzte, ihm gehe es darum, „von der ideologischen zur praxisorientierten Politik“ zu kommen. Also zum Beispiel nicht j e d e n Biberdamm im Fetzachmoss und drumrum erhalten zu müssen. Das Stadtoberhaupt: „Da werde ich auch die Ministerin einladen.” Denn im benachbarten „Bayern ist man da schon weiter”.
„Deshalb kämpfe ich”
„Ich hab’s überlebt.” So die Erinnerung von Eschach-Bäckerin Monika Lichtensteiger (Bild) zur ausufernden Eschach Anfang Juni. Ihr Brot- und Kuchen-Paradies hatte schon kurz nach dem Hochwasser wieder geöffnet. Nach den Wetter-Extremen befürchte sie jetzt allerdings manche Unbilden von St. Bürokratius. Die Bäcker-Meisterin beklagte, dass ihrer Kundschaft die Anfahrt zum Laden erheblich erschwert werde durch Staus auf der Isnyer Straße in Richtung Kempter Straße. Diese Notlage lasse sich vermutlich durch eine „Beampelung“ dort lösen. Kommt sie? Und falls ja: wann und wie? Die Bäckerei sei schließlich ihre und ihrer Familie Lebensgrundlage. „Deshalb kämpfe ich“, betonte Monika Lichtensteiger. OB Henle wies darauf hin, dass die so angesprochenen Routen Landesstraßen seien. Zugleich versprach Henle Monika Lichtensteiger aber: „Wir klären das ab.”
„Muss das HMG tatsächlich abgerissen werden?“
Karl-Heinz Schweigert (Bild) erklärte, er spreche hier vor allem „für die Schwächeren”. Etwa die auf Fahrradsätteln. Dann wollte er wissen: „Wie gehen wir mit unseren Bausubstanzen um?“ Stichwort: Hans-Multscher-Gymnasium (HMG). Werde das Gebäude tatsächlich abgebrochen – oder gäbe es noch Chancen zur Erhaltung? OB Henle erinnerte daran, dass das bestehende HMG-Haus vom 1977/1978 bauenden Generalunternehmer in seiner Baustatik „zu 99,8 Prozent ausgereizt” worden sei. Ergebnis: „Wir haben diese Problematik der Statik.“ Deshalb falle ein Bestandsschutz so schwer. Zumindest habe dies eine Kommission der Stuttgarter Kultusministerin so festgestellt.
„Wie lange geht die Baustelle mit der Fernwärme?“
Carmen Oberem-Lutz (im Bild rechts) wollte wissen: „Wie lange geht die Baustelle mit der Fernwärme?”. Darauf OB Henle: So kurz wie irgendmöglich. Einen genauen Zeitpunkt dafür könne er aber jetzt noch nicht nennen.
Fragen zu Verkehrsproblemen
Ein Bürger aus Reichenhofen machte darauf aufmerksam, dass Leute auf Fahrrädern durch Auto-Scheinwerfer gefährlich geblendet werden würden. „Ich habe schon ein paarmal so gefährliche Situationen erlebt”, berichtete er. Seine Frage: Könne eine Markierungslinie auf dem Radweg nicht für etwas bessere Orientierung sorgen. Anschließend gab es mehrere Hinweise auf Ampeln. Etwa die von Bäckerin Lichtensteiger vermisste in der Kemptener Straße / Oberen Vorstadtstraße. Oder auch eine an der Herlazhofer Straße. Diese könne am Wochenende doch abgeschaltet werden, da dann dort keine Schule unterrichte, meinte einer auf den Besuchsplätzen. Zu den technischen Details meinte Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle: „Diskussionen, wie die Ampel geschaltet wird, können wir im Gemeinderat nicht diskutieren.” Vor dem Übergang zu den 16 (!) folgenden Tagesordnungspunkten resümierte Henle: „Das war in meinem beruflichen Leben die längste Bürgerfragestunde.”
Text / Fotos: Julian Aicher