Das schwarz geführte Bayern im Energie-Vergleich zum grün geführten Baden-Württemberg
Leutkirch – Am 8. Oktober hat Bayern einen neuen Landtag. gewählt. Manche, die nicht im Freistaat leben, belächeln gerne, was in unserem Nachbar-Bundesland passiert. So heißt es immer wieder, Bayern blockiere die Energiewende. Doch so allgemein geäußert, stimmt das nicht. Dies zumindest der Eindruck von „dieBildschirmzeitung”-Redaktionsmitglied Julian Aicher aus Rotis. Er wohnt nicht nur direkt an der Grenze Baden-Württembergs zu Bayern, sondern arbeitet mit Energie-Aktiven aus dem Freistaat seit über 20 Jahren zusammen. Hier Aichers Energievergleich:
Ein sonniger Herbsttag in Ottmannshofen. Am besten gegen Spätnachmittag/Abend, wenn die Sonne „flach“ von West nach Ost strahlt. Mit Weitblick rundum. Bis zu den Alpengipfeln. Im Sichtfeld bald erkennbar: Windkraftwerke. Allerdings kein einziges im Westen, also in Baden-Württemberg. Im Osten dagegen deutlich über 20. Von Wildpoldsried bis Ollarzried. Eindeutig: Bayern vorn.
Doppelt so viel Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Bayern wie in Baden-Württemberg
Bereits 2018 versorgten 70 Windtürme im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben an die 300.000 Privatpersonen mit Strom. Im baden-württembergischen Landkreis Ravensburg drehen sich dagegen bis heute nur zwei Windkraftwerke – bei Bad-Wurzach-Unterschwarzach. Wenn also Cordula Tutt von der „Wirtschaftswoche“ 2022 dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder vorhielt, sich bei der Windkraft weit hinten zu befinden, bestätigte der CSU-Mann: „Bei der Windkraft liegen wir, glaube ich, auf Platz 8.“ Im Vergleich der Bundesländer. Dann aber fasste Söder über Bayern zusammen: „Wir haben doppelt so viel erzeugte Erneuerbare Energien – also Strom – wie Baden-Württemberg, obwohl wir nur zwei Millionen mehr Einwohner haben.”
Der lokale Biogas-Vergleich
Stichwort Biogas. Auf Leutkircher Markung arbeiteten 2020 insgesamt 14 Biogasanlagen. Und im bayerischen Nachbarort Legau nur 4. Aber: Legau hat nur 36,38 Quadratkilometer Gesamtfläche, Leutkirch dagegen 174,97 Quadratkilometer. Leutkirch ist also fast fünfmal größer als Legau. Ähnlich das Verhältnis bei der Bevölkerungszahl: Leutkirch fast siebenmal mehr als Legau. Verglichen mit den vier Biogasanlagen in Legau müssten in Leutkirch also eher 20 solcher Betriebe als die tatsächlichen 14 zu finden sein.
Also auch bei der erneuerbaren „Bioenergie“: Bayern vorn. Zumindest nahe Leutkirchs. Schön zu sehen etwa links der Straße Legau-Maria-Steinbach. Wer also glaubt, dort, wo „die Grünen“ den Ministerpräsidenten stellen, würden erneuerbare Kräfte stärker genutzt als im Bayern von CSU und Freien Wählern, muss schlicht feststellen: Das stimmt so nicht. Zumindest in Süddeutschland, wo in Baden-Württemberg seit 2011 einer mit grünem Parteibuch regiert: Winfried Kretschmann.
Gelegentlich lässt sich unter seinem Parteivolk hören, im Nachbarland fließe Strom aus erneuerbaren Energiequellen einfach deshalb stärker, weil Bayern mit seinen Alpen-Höhen über mehr Wasserkraft verfüge. Doch auch dieser Vergleich hinkt. Denn wuchtiges Wasser rauscht auch in Baden-Württemberg. Etwa im Schwarzwald. Hier ließ Kretschmanns Landesverwaltung gar Wasserkraftanlagen zerstören. Ähnlich das Aus in Überlingen. Und in Rottweil steht die Neckar-Wasserkraftanlage der dortigen Stadtwerke zum Abbruch an.
Bayern baut die Wasserkraft aus
Auch in Leutkirch wich während der letzten 25 Jahre ein aktives Wassertriebwerk: die Emerlander Mühle. Von Amts wegen wurde seither auch die Turbine in Schmidsfelden stillgelegt. Der Generator direkt nebendran könnte nach wie vor mehr elektrische Kilowattstunden liefern, als das alte Glasmacherdorf verbraucht. Andere Beispiele aus dem bayerischen Allgäu. Stammten in Oberstdorf um 1990 noch rund 7 % des dort verbrauchten Stroms aus Wasserkraft, so sind es heute etwa 50 %. Siebenmal mehr. Gelegentlich werden alte Wassertriebwerke in Bayern durch Modernisierung verstärkt. Etwa in der Iller in Kempten. An der Technischen Universität (TU) München entstand in den letzten zehn Jahren mit dem „Schachtkraftwerk“ ein besonders fisch-freundlicher Wasserkraft-Anlagen-Typ.
Erneuerbare Energien wirken also in Bayern. Münchens Wirtschafsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler”) nennt dafür sein Erfolgsrezept: „Energiepolitik geht so, dass wir ideologiefrei alle Energiequellen, die wir derzeit haben (…) nutzen können müssen.“ Zum Beispiel in der bayerischen Landeshauptstadt selbst. So betonen die Stadtwerke München (SWM) immer wieder: 90 % aller in der Isar-Metropole verbrauchten elektrischen Kilowattstunden stammten schon Ende 2022 aus erneuerbaren Energiequellen. SWM-Ziel für 2025: 100 %. Dass dieser Anspruch nicht wirklichkeitsfremd sein muss, zeigten schon damals 21 von 96 Landkreisen und kreisfreien Städten Bayerns. In den 21 Kreisen wurden mehr Strom aus erneuerbaren Kraftquellen erzeugt als im jeweiligen Kreis verbraucht wurde. Ein rundes Dutzend weiterer Kreise liegt bei 75 bis 100 %. Über 50 % des im Freistaat”erzeugten Stroms entstanden 2020 aus den Erneuerbaren. In Baden-Württemberg waren’s 2021 etwa 35 %. Insgesamt also auch da: Bayern vorn.
Kreisvergleich
So auch die Verhältnisse im Raum Leutkirch zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Der Nachbarlandkreis Unterallgäu wies 2022 etwa 75,6 % Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen aus. Der Kreis Ravensburg lag 2022 knapp über 50 %. Wie stark hier Steigerungen möglich scheinen, zeigen Zahlen der Netze BW für den Kreis Ravensburg: Seine Fläche außerhalb von Ravensburg und Weingarten werde im Sommer 2023 bereits zu 60 % erneuerbar elektrisiert. In Weingarten und Ravensburg, wo die Technischen Werke Schussental (TWS) für elektrische Spannung sorgen, fließen sogar schon 100 %. So die TWS im September 2023. Mit viel erneuerbarem Schwung kann der Kreis Ravensburg also seinem Nachbarlandkreis Unterallgäu nacheifern. Bis der Kreis Ravensburg freilich die 75,6% der Unterallgäuer erreicht, gilt: Bayern vorn.
Daher bleibt festzuhalten: In Bayern, wo bisher CSU und Freie Wähler regieren, entsteht ein erkennbar größerer Anteil des Stroms aus Erneuerbaren Energien als in Baden-Württemberg. Bayern also schlicht erneuerbarer als der Kretschmann-“grüne” deutsche Südwesten.
Er lohnt sich also: der Blick nach Bayern. Nicht nur von Ottmannshofen aus.