Werben für Europa
Waltershofen – „Eine neue europäische Idee.“ Sie forderte am Sonntagvormittag in der Oskar-Farny-Halle in Waltershofen der CDU-Landtagsabgeordneter Raimund Haser. Mehr als 70 Leute waren gekommen. Die Europäische Union (EU) biete mit offenen Grenzen unter den Mitgliedsstaaten und großenteils einheitlicher Währung viele Vorteile, sagte Haser. Und ergänzte: „Es wächst eine ganze Generation heran, für die all diese Dinge selbstverständlich sind.“ Der CDU-Europaabgeordnete Rainer Wieland aus Stuttgart sprach als Hauptredner in Waltershofen. Sein Rat: „Was wir vor allem angehen müssen, ist, dass die Jungen Zukunftsangst haben.” Ihnen sei zuzusichern, dass “die Welt nicht untergehen wird”.
Der Landtagsabgeordnete Raimund Haser (Bild) aus Kisslegg-Immenried dankte den Saal-Wirtsleuten und den „Waltershofener Widdumsmusikanten“ für ihre Beiträge. Sie werden im Mai in Waltershofen das Kreismusikfest ausloben, wusste er zu berichten. Der Abgeordnete erinnerte daran, dass Hallen-Namensgeber Oskar Farny bei Waltershofen gelebt habe (in Dürren) – und vor dort aus zu einigen Parlamenten gehörte. Von Farnys Brauerei sei auch das „Kristallweizen” erfunden worden – heuer vor 100 Jahren. Insofern befinde sich der Unions-Stammtisch am Funkensonntag genau am richtigen Ort.
Waltershofen – ein Dorf in „einer Grenzregion“. Heute gesegnet vom „Jahrhundertprojekt“ EU. Mit ihr stehe auch er Raimund Haser „vollumfänglich hinter den Bauern“. Davon lasse er sich auch nicht abhalten, „trotz ein paar Verrückter, die einen Misthaufen anzünden”. Schlechte Stimmung herrsche in Deutschland wegen “hausgemachter” Hürden. Da nannte Raimund Haser teure Strompreise, aber auch – als Beispiel mit Lokalbezug – das bisher verhinderte Gewerbegebiet IKOWA südwestlich Waltershofens. Was Wirtschaftsminister Robert Habeck als Kabinettsmitglied in Berlin tue, sei „fahrlässig“. Dabei betonte Haser: „Niemals hätte ein CDU-Minister das politisch überlebt.” Mit Blick auf die Wahl zum EU-Parlament am 9. Juni forderte Raimund Haser „eine neue europäische Idee”. Welche? „Wir brauchen so etwas wie die Agenda 2010 von Herrn Schröder oder den NATO-Doppelbeschluss.”
4 Prozent? Frankreich rückt ab
Nach Haser trat derEU-Abgeordnete Norbert Lins (Bild) ans Rednerpult. Er lobte, „dass wir als CDU immer eine pro-europäische Partei waren“. Europa ohne den EU-Verbund sei „nicht die Alternative“. Als Abgeordneter aus dem „Kuhstall des Landes“ machte Lins auf Frankreich aufmerksam. Dort habe die Pariser Regierung die Vorschriften, dass Bauersleute 4 % ihres Bodens nicht zur Landwirtschaft nutzen dürften, schon verschoben. Erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ähnliche Regelungen, käme sofort Kritik daran aus dem Bundesumweltministerium. Lins: “Wir müssen Biodiversivität, Klimaschutz und Landwirtschaft in Einem sehen.” Dem diene auch die hiesige Rinderhaltung. Denn die Vierbein erhielten die Wiesen. Scherzhaft fügte er hinzu: „Ich habe wenige Menschen bisher gesehen, die Gras fressen.” Wegen der Probleme in der Landwirtschaft schilderte es Lins als nachvollziehbar, dass sich gerade jüngeres Landvolk bei den aktuellen Kundgebungen zeige.
„Der Brexit war keine so gute Idee“
Der Stuttgarter Europa-Abgeordnete Rainer Wieland (Bild) war Hauptredner des CDU-Funken-Frühschoppens. Er bekannte zunächst, dass er bis vor kurzem nicht gewusst habe, was „Funkensonntag” ist – und wann. Wieland bekräftigte, Jammern gehöre bei einem erheblichen Teil der Deutschen zum Alltag. „Krisen gab es immer”, sagte der EU-Parlamentarier, aber eher selten “mehrere Krisen gleichzeitig”. Wieland warnte vor Untergangs-Vorhersagen. Anders als von manchen angekündigt, sei der Euro nicht wieder abgeschafft worden. Und: „Die Griechen sind wieder am Markt.“ In seiner britischen Partnerschaftsstadt habe Rainer Wieland neuerdings gehört, „dass der Brexit kein so guter Gedanke war”. Begründung: Es fehlen ausländische LKW-Fahrer, die die Lebensmittel in die Supermarktregale bringen.
Ein moderner Patriotismus
CDU-EU-Mann Wieland begrüßte es, „dass wir vier Impfstoffe haben aus der freien Welt”. Sie seien dort entstanden, „wo es keine Denkverbote gibt”. Zwar seien mit dem Ukraine-Krieg „die Fliehkräfte in unserem Land gewachsen”. Andrerseits verfüge Westeuropa jetzt über „anderthalb neue NATO-Mitglieder” (Finnland und das kurz vor dem Beitritt stehende Schweden; Anm. d. DBSZ-Red.). Als wichtig bezeichnete er es, dass „wir wieder vom Normalfall her diskutieren”. Und zu diesem zählte Rainer Wieland die drei tragenden Säulen Religion, Nation und Recht. Es werde vjel zu viel darüber nachgedacht, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Dabei gelte doch: „Ein Christ, der einen rechtschaffenden Muslim nicht gewähren lässt, ist kein guter Christ.” Das Gleiche sei auch umgekehrt gesagt richtig. Als Wieland forderte, „dass wir stolz auf unser Land sind”, brandete Applaus auf. Gemeint sei damit ein “moderner Patriotismus”, der auch anderen Völkern ihren Nationalstolz anerkenne.
“Grenze zwischen rechts und rechtsextrem klar halten”
„Demos gegen rechts” bezeichnete Wieland, so pauschal genannt, als zweifelhaft. Würde dort gegen alles protestiert, was konservativ sei, „dann wird die Mitte zu Hause bleiben“. Der Unionspolitiker bezeichnete es als sehr wichtig, „dass wir die Grenze zwischen rechts und Rechtsextremismus klar halten”. Als Beispiel übertrieben falscher Befürchtungen nannte Wieland viele deutsche Reaktionen auf die damals frisch gewählte italienische Ministerpräsidentin Meloni. Nach ihrer Ernennung sei eben nicht zu sehen gewesen, „dass acht Wochen später die Nazis durch Rom patroullieren”.
“Der Deutsche liebt die moralische Überlegenheit des Opfers”, sagte Wieland. Beispiel: Die Mär vom “Deutschen als Zahlmeister Europas”. Richtig gerechnet, läge die Bundesrepublik Deutschland auf Platz vier oder fünf der Geberländer. Konkret: 250 Euro pro Kopf und Jahr. Der Stuttgarter EU-Abgeordnete möchte dagegen angehen, “dass die Jungen Zukunfts-Angst haben.” Sein erfahrener Zukunftsblick verrate ihm: “Die Welt wird nicht untergehen”. Zumindest nicht, so lange verhindert werde, dass der Grüne Anton Hofreiter Ursula von der Leyens Amt der EU-Kommissions-Präsidentschaft übernehme. Mit diesem Hinweis war Wieland der Beifall in der Halle sicher.
Eine Impfgegnerin ergriff das Wort
Außerplanmäßig war der Wortbeitrag der Besucherin Bettina Wandel aus Leupolz. „Ich mache das aus Verzweiflung heraus”, sagte die Mutter von vier Kindern, 21, 20, 14 und 12 Jahre alt. Zwei davon hätten die Masern-Impfung nicht erhalten, die anderen beiden dagegen schon. Diese litten immer wieder unter Krankheitsnöten – etwa Keuchhusten. Nach gefühlt fünf Minuten ging Raimund Haser zum Pult und beendete die Schilderungen der Frau in freundlicher Geste. Er verwies sie an den anwesenden CDU-EU-Abgeordneten Rainer Wieland. Bettina Wandel und Rainer Wieland unterhielten sich dann direkt noch eingehender.
Text und Fotos: Julian Aicher
Über 70 Personen versammelten sich beim CDU-Funkensonntags-Frühschoppen am 18. Februar in der Oskar-Farny-Halle Waltershofen. Foto: Julian Aicher
Unter den Besuchern war auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete Waldemar Westermayer aus Leutkirch. Er ist Mitglied des Gemeinderates in Leutkirch und Kreisrat des Landkreises Ravensburg.