Schwester Augusta in Namibia gestorben
Bad Waldsee (rei) – Annemarie Kunz, geboren 1936 an der Hochstatt, hat in Südafrika und Namibia gelebt. Dort hat sie als Krankenschwester gewirkt. Im Geiste Benedikts, des großen Ordensgründers. Als Ordensfrau trug sie den Namen Augusta. Im Jahre 2004 war sie zu Besuch in ihrer Geburtsstadt Bad Waldsee, aus Anlass des 90. Geburtstages ihrer Mutter. Beim Frauenbund sprach sie über ihr Leben in der Fremde, im Auftrag Christi. Gerhard Reischmann, damals in Diensten der „Schwäbischen Zeitung“, berichtete über ihren Vortrag. Den Artikel nahm er in sein Buch „Menschenskinder – Notizen aus Oberschwaben“ auf (Seiten 154 bis 156). Am 20. November 2023 ist Schwester Augusta OSB (Annemarie Kunz) in ihrer Wahlheimat Namibia gestorben. Sie wurde 87 Jahre alt. Nachstehend veröffentlicht die Bildschirmzeitung den Text Reischmanns aus dem Jahre 2004:
Schwester Augusta, gebürtig aus Bad Waldsee, wirkte 60 Jahre lang in Afrika. Die Aufnahme entstand im Jahre 2004 bei ihrem Heimatbesuch. Foto: Uli Gresser
„Wenn ich einen tropfenden Wasserhahnen sehe, kriege ich Zustände.“ Namibia, seit mehr als 40 Jahren die Heimat von Schwester Augusta, ist ein Wüstenland. Das einstige Deutsch-Südwestafrika hat lediglich im Ovamboland nach Angola hin ausreichend Niederschläge. „Wenn es mal regnet, dann bleiben viele Arbeitnehmer zu Hause und bestellen ihre Äcker.“ Dann werde gepflügt und gesät, das habe Vorrang vor allem anderen. Wer aus diesem Grunde von der Arbeit fernbleibe, habe nichts zu befürchten. „Der Regen ist wichtiger, das wissen alle“, erzählt die Ordensfrau, die seit 1963 in Namibia lebt und arbeitet. Besonders wichtig sei in ihrem Land die Viehwirtschaft. Da aber die Weiden karg sind, seien die Farmen riesig. „5000 bis 7000 Hektar hat so eine Farm“, die oft noch von Weißen geführt werde. Es gebe zunehmend aber auch schwarze Farmer, eine Folge der Landreformpolitik der Regierung. Auf 5000 Hektar stünden im Schnitt nur 500 Rinder, zehn Hektar pro Rind. „Dafür haben wir kein Bi-Es-I“, sagt sie und fällt ausnahmsweise ins Englische.
Auch die Mundart ihrer Kindheit schlägt in ihrem spannenden Vortrag immer wieder durch, so wenn sie von den „bolzagrade“ Straßen erzählt, auf denen leider gerast werde – vor allem von den Deutschen. Straußenzucht, Diamanten-Schürfen, Uran-Bergbau, Fischfang und Tourismus – anschaulich schildert die Auslands-Waldseerin Handel und Wandel in ihrem Land. Als sie von Krokodilfarmen erzählt, ruft eine Freundin aus alten Waldseer Tagen aus: „Hoscht du scho omol ois gessa?“ – „Noi, ha-a“, antwortet Schwester Augusta und schüttelt sich vor Lachen.
Ganz still wird es im vollbesetzten Raum des Frauenbundes, als Schwester Augusta auf das Thema „Aids“ zu sprechen kommt. Etwa 40 Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 45 Jahren sei HIV-positiv, auch viele Kinder und Neugeborene seien betroffen. Die Regierung gehe das Problem mit Aufklärungskampagnen („Geht nicht fremd!“) und speziellen Projekten an. So würden HIV-positiven Schwangeren in einem Pilotprojekt spezielle Medikamente gegeben, um das Ansteckungsrisiko für die Babys bei der Geburt zu vermindern. Ein Drittel der von HIV-positiven Müttern geborenen Kinder würden während der Geburt angesteckt, das lasse sich mit solchen Mitteln deutlich reduzieren. Auf die Frage aus der Zuhörerschaft, ob die medizinischen Hilfen aus Europa in Afrika auch ankommen, sagt Schwester Augusta: „Ja, die Hilfen sind spürbar.“
Spürbar, aber keineswegs ausreichend. Das wird deutlich, als sie schildert, wie ihre Mitschwester Raphaela sich besonders stark bei der Beschaffung und gerechten Verteilung von Aids-Medikamenten engagiert. Eindringlich warnt Schwester Augusta vor der Ausgrenzung von Infizierten und Aids-Kranken. Mit diesen Mitmenschen könne man und müsse man normal umgehen, appelliert sie.
Ähnlich sparsam wie mit dem Wasser gehe man auch mit Blut um. Die Blutbank sei tadellos, betont sie; aber für eine einfache Hüft-OP, zum Beispiel, sei man nicht bereit, die so kostbaren Konserven einzusetzen, berichtet die Ordensfrau aus Deutschland, die ihr OP-Krankenschwesternexamen 1964 am weltbekannten Groote-Schuur-Hospital in Kapstadt gemacht hatte. „Als ich dort anfing, konnte ich kein Wort Englisch.“ Am Anfang habe es manche Träne gegeben. Aber die Kollegen und Vorgesetzten, darunter viele Juden, seien hilfsbereit und freundlich gewesen. „Das war keine zwanzig Jahre nach Hitler. Aber sie haben mich nichts spüren lassen.“
Lehre in der “Becker’schen”
„Ich gehe einmal in die Missionen.“ Das sagte Annemarie Kunz, seit sie 16 war. Sie war die Zweitälteste unter den neun Kindern der Familie Kunz, die an der Hochstatt in Bad Waldsee ein Lebensmittelgeschäft betrieb und die zudem den Bahnhofskiosk hatte. Gerne hätte man es gesehen, dass das tüchtige Mädchen, das in der „Becker’schen“ eine Lehre als Apothekenhelferin absolviert hatte, daheim im Laden geblieben wäre. Doch während einer Saisonarbeit in Beuron, wo sie häufig in die Klosterkirche ging, spürte sie ihre Berufung. Der örtliche Pfarrer gab ihr den Tipp: „Geh doch nach Tutzing zu den Missionsbenediktinerinnen.“ Mit 21 Jahren ist sie dort eingetreten, ließ sich zur Krankenschwester ausbilden und 1963 wurde sie nach Namibia ausgesandt. Noch mit 68 Jahren arbeitete die bemerkenswert vitale Frau als Leitende OP-Schwester. Aus Anlass des 90. Geburtstages ihrer Mutter kam sie 2004 auf Urlaub nach Bad Waldsee – ihr erster Besuch in der Vaterstadt nach zehn Jahren.
„Meine Aufgabe ist in Windhuk.“ Dort betreiben die Missionsbenediktinerinnen ein 80-Betten-Krankenhaus mit vier OP-Sälen. Zudem unterhält die Kongregation drei Kindergärten – in Windhuk und im Norden des Landes. Wie sie ihre mitunter schwere Aufgabe bewältigt? Mit Gottvertrauen und Humor. „Der Humor ist ein Erbstück meiner Mutter“, sagt sie und schmunzelt.
Gerhard Reischmann
Das Buch „Menschenskinder – Notizen aus Oberschwaben“ ist vergriffen. Es ist antiquarisch erhältlich über Ebay, Amazon und vergleichbaren Dienstleister. Ausleihbar ist das Buch in den Stadtbüchereien Bad Waldsee, Bad Wurzach, Leutkirch, Wangen und Ravensburg sowie in der Pfarrbücherei Aulendorf.