Pfiffige Annäherung an den Eisenbahn-Weiler
Bergatreute – Paul Sägmüller, Jahrgang 1958, Heimatforscher, Autor zahlreicher Bücher und Original aus Bergatreute, hat mit seinem neuesten Buch „Rossberg! Geschichte und Geschichten“ einen sympathischen Blick auf das kleine Dorf an der Straße von Bergatreute nach Bad Wurzach via Mennisweiler geworfen. Günter Brutscher hat es gelesen. Hier seine Besprechung:
Paul Sägmüller hat, wie nicht anders zu erwarten, kein klassisches Heimatbuch mit ausführlicher Geschichte, Statistiken, Beschreibungen von Kirchen, die es in Roßberg gar nicht gibt oder Kapellen, von denen es im nahegelegenen Furt eine gäbe, vorgelegt, sondern Skurriles, Außergewöhnliches, aber auch Liebenswertes, das das Bahndorf Roßberg auszeichnet, zusammengetragen.
Ein Fachmann für Wirtshausgeschichten
Längst hat sich Sägmüller als Fachmann für Wirtshausgeschichten, Braukunst und Bier profiliert. Und dabei hat er in Roßberg, wo vermutlich kaum 100 Menschen leben, mit zwei Wirtschaften, dem älteren Gasthof „Zum Bräuhaus“, einstmals das „Rößle“, wie es für Roßberg naheliegt, und der Restaurationswirtschaft, die vor Zeiten den Wirt des „Rößle“ als Gründer und zeitweiligen Doppelwirt mit dem Rößle hatte, ein weites Feld. Die Tradition der Braukunst in Roßberg breitet Sägmüller mit technischem Wissen, interessanten Details und überraschenden Fakten aus. So stellt er die außergewöhnlich intelligenten Kühlsysteme früherer Jahre vor, die auch noch ohne Strom dem Bier die gewünschte Frische erhalten haben. Nach der Lektüre dieses Teils, insgesamt etwa 40 Seiten, mit zahlreichen Illustrationen und Postkartenmotiven angereichert, wird man vermutlich schon selbst Bier brauen können.
Die beiden Morde
Sägmüller verzichtet in seinem Buch auf eine stringente Gliederung. Da werden zunächst die Jahre seit der Würm-Eiszeit zum Gliederungsschema, später sind es die beiden Morde, die für die Geschichte Roßbergs nachgewiesen sind, irgendwann kommt er dann auf das, was es noch so in Roßberg gibt, also die Allgäu- und Roßberg-Bahn, wo er noch schnell auf die Mutter von Bertolt Brecht verweist, die in Roßberg geboren ist, die Einführung des Telefons, die Theaterjahre, Bahnbetriebsunfälle, Firmen in Roßberg einstmals und jetzt und vieles mehr.
Der erschossene Korse
Auch Einzelschicksale, wie das des korsischen Kriegsgefangenen, der 1941 in Roßberg erschossen wurde, Menschen halt, interessieren Sägmüller, dessen Vorträge nicht nur für Liebhaber der schwäbischen Hochsprache sind, sondern auch für Menschen, die gerne schmunzeln und auch mal lauthals lachen und dennoch an Informationen und ausführlichen Recherchen interessiert sind. Dabei rutscht ihm, so auch im Roßberg-Buch, auch mal die eine oder andere vielleicht gar ungebührliche Pointe gegen die hohe Politik und gar in Richtung Kirche, im Eifer des erzählenden Schnabulierens, heraus. So ist eben auch das Buch: in Teilen assoziativ, mit einer satten Prise Humor, stellenweise detailversessen, wenn es etwa darum geht, die Durchfahrt von Queen Elizabeth II. im Sonderzug am 22. Mai 1965 durch Roßberg zu beschreiben, Diskussionen an den Stammtischen anregend und so geschrieben, dass man gerne darin einfach schmökert.
Wie tief er dabei immer wieder in die Materie eindringt, ist unter anderem an der Schilderung des Kindermordes in Roßberg im Jahre 1903 zu erkennen. Dabei scheute er sich auch nicht, wie er hinten im Buch einräumt, ein eigens gestaltetes, heute wohl als Fake-Bild bezeichnetes Foto, nachzustellen.
Und ganz am Schluss seines Buches geht er nochmals ausführlich auf die beiden Wirtschaften, den Gasthof „Zum Bräuhaus“ und die Bahnhofsrestauration ein, wie sich diese heute präsentieren und ihre Gäste herzlich einladen. Das war auch bei Paul Sägmüller nicht anders zu erwarten. „Na dann – Prost!“, wie es schon auf Seite 2 heißt und mit einem eigenwilligen kopflosen Cartoon untermalt wird.
Erhältlich bei …
Erhältlich ist das Buch direkt beim Sägmüller-Verlag über info@saegmueller-verlag.de, in der Stadtbuchhandlung Bad Waldsee oder im Bräuhaus Rossberg. Es kostet 23,00 €.