Neue Flüchtlingsunterkunft in der Steinstraße erntet viel Kritik
Bad Waldsee – Am Montagnachmittag, 8. April, öffnete das Landratsamt die Türen für die neue – damals noch unbelegte – Flüchtlingsunterkunft des Landratsamtes Ravensburg in der Steinstraße. Neben den ehrenamtlichen Helfern fanden sich auch etliche Anwohner aus der Steinstraße und Umgebung ein und äußerten teils harsche Kritik. Inzwischen sind sie ersten vom Kreis zugewiesenen Personen dort eingezogen.
Ein paar Meter vor dem Gebäude steht Michael Gröber aus Bad Waldsee. Er hält ein Plakat mit einem vergrößerten Zeitungsausschnitt in der Hand. Darin wird über die Messerattacke auf ein vierjähriges Mädchen in einem Supermarkt in Wangen berichtet. Gröber fragt: „Müssen wir mit so was jetzt auch in Bad Waldsee rechnen? Ich habe kein gutes Gefühl mehr, wenn ich in ein Geschäft gehe. Solche Leute haben in Deutschland und Europa nichts zu suchen. Die gehören innerhalb von 24 Stunden abgeschoben.“ Nein, grundsätzlich habe er keine Vorurteile gegen Menschen aus anderen Kulturkreisen. Viele gehörten sogar zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis.
Eine Vorläufige Unterkunft
Die neue Flüchtlingsunterkunft ist ein unscheinbares graues Gebäude, zusammengesetzt aus Container-Fertigbauteilen. Es hat ein Erdgeschoss und einen ersten Stock und ist ausgelegt für die Aufnahme von 57 Personen. Die Zimmer sind jeweils mit drei Betten, davon zwei Stockbetten, drei grauen Spinden, einem Kühlschrank, einem Tisch und drei Stühlen ausgestattet. Dazu kommt noch Ess- und Kochgeschirr. Die Unterkunft verfügt über eine gemeinsam genutzte Küche, in der auch zwei Waschmaschinen stehen und gemeinsam genutzte Sanitärräume. Im Erdgeschoss ein Büro für die Sozialarbeiter und die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer.
Küche/Waschküche.
Spinde und Kochgeräte
„In dieser Unterkunft werden alleinreisende Männer, vornehmlich aus Syrien stammend, untergebracht“, so Hans-Peter Oßwald, Leiter des Amtes für Migration und Integration im Landratsamt Ravensburg und als solcher für alle „Vorläufigen Unterkünfte“ des Landkreises zuständig. „Diese Männer sind nicht neu im Landkreis Ravensburg, sondern waren bisher in einer Leichtbauhalle in Ravensburg untergebracht. Die Leichtbauhalle wird wieder abgebaut, deshalb werden die Bewohner auf verschiedene Vorläufige Unterkünfte des Landkreises verteilt. Die gleiche Unterkunft wie hier in Bad Waldsee steht auch in Baienfurt.“ Oßwald ging in groben Zügen auf die verschiedenen Unterkunftsarten ein, die es gibt. „Sobald ein Geflüchteter in Baden-Württemberg ankommt, kommt er in eine Landeserstaufnahme-Einrichtung, LEA. Die nächste ist in Sigmaringen. Dort werden die Asylverfahren eingeleitet. Danach wird der Asylsuchende in eine Vorläufige Unterkunft (VU) weitergeleitet. Dann ist der Landkreis für ihn zuständig. Dort verbleibt er, bis sein Asylverfahren beendet ist, aber für maximal 24 Monate. Anschließend kommt er in eine Anschlussunterbringung in eine Kommune, die dann auch für die Kosten zuständig ist.“
In der neuen VU in Bad Waldsee sind eine Sozialarbeiterin und ein Sozialarbeiter, ein Mitarbeiter für die Hausordnung und ein Hausmeister sowie die ehrenamtlichen Helfer Ansprechpartner für die Bewohner. Es handelt sich um eine Selbstversorger-Unterkunft, das heißt, die Bewohner müssen sich um alle Belange selber kümmern.
Büro.
Der Landkreis trennt laut Oßwald strikt Familien, wie sie zum Beispiel im ehemaligen Waldseer Krankenhaus untergebracht sind, und allein reisende Männer. Auf die Frage der Anwohner, weshalb dann diese VU direkt neben einem städtischen Gebäude, in dem verschiedene Familien wohnen, errichtet wurde, wusste Oßwald auch keine Antwort.
Derzeit rückläufige Flüchtlingszahlen
Aktuell, so Oßwald, sind die Flüchtlingszahlen rückläufig. Waren es Ende letzten Jahres in den Monaten September, Oktober und November noch 170 Personen, die dem Landkreis pro Monat zugewiesen wurden, so sanken die Zahlen im Januar auf 63, im Februar auf 57, im März auf 31 und im April auf 28 Personen, die dem Landkreis zugewiesen wurden. Die Zahlen seien saisonal schwankend und würden ab Juni, Juli, aller Voraussicht nach wieder steigen.
Anwohner klagen über Belästigung
Ein kleines Grüppchen von etwa zehn Anwohnern hatte sich an der neuen Unterkunft eingefunden. Teilweise emotional und sehr erregt beklagten sie sich über Belästigungen, denen die Anwohner seitens der Geflüchteten ausgesetzt wären. „Die sitzen nächtelang unter meinem Balkon, sind laut und betrunken, schmeißen ihre leeren Dosen und Flaschen einfach in die Gegend.“
Insgesamt wurde die Verkehrssituation an der Steinstraße beklagt. „Die Straße ist viel zu schmal und in einem schlechten Zustand. Kein Gehweg, kein Radweg, schlechte Beleuchtung. Man sieht die Leute nachts überhaupt nicht.“ Berthold Grickscheit, der seit dreieinhalb Jahren in der Steinstraße wohnt, kennt alle Problemstellen. „Auf fünf- bis sechshundert Metern sind in der Steinstraße ein Altersheim, ein Supermarkt mit Poststation, eine Baufirma, dann kommen ca. 40 Garagen, die vermietet sind, eine Altkleider-Container-Anlage, ca. 40 Wohneinheiten, ein weiteres Bauunternehmen, ein Baustoff-Großhändler, eine Frischbetonfirma, ein Lager für Großkabel, das tagsüber von LKWs angefahren wird, die Scania-LKW Werkstätte, drei kleinere Gewerbebetriebe, und natürlich Walz mit Verwaltung, Verkauf und Versand. Da arbeiten ca. 400 Personen. Dazu kommen noch die Hymer-Leute, die ebenfalls die Steinstraße nutzen und die Bahnumfahrer, wenn die Schranke am Bahnübergang in der Biberacher Straße geschlossen ist. Am Wochenende parken hier Fernfahrer mit ihren LKWs. Holen ihren Grill raus auf die Straße, machen Musik und verrichten ihre Notdurft in den umliegenden Gärten und Anlagen.“
In diese angespannte Gemengelage noch eine weitere Flüchtlingsunterkunft zu bauen, bringe das Fass zum Überlaufen, so der Tenor der Anwohner.
Text und Fotos: Erwin Linder
Sie führten durch die damals noch unbelegte VU (von links): Hans-Peter Oßwald, Amtsleiter; Alexandra Rothweiler, Ehrenamtskoordinatorin Landratsamt Ravensburg, Frau Dede und Herr Bräuer, Sozialarbeiter/in; Frau Kohlbauer, Koordination Ehrenamt; Giovanni Di Maggio, Hausordnung; Peter Schweigert, Hausmeister.