Hymer hat dem Betriebsratsvorsitzenden das Gehalt gekürzt
Bad Waldsee / Ravensburg / Berlin (rei) – Janusz Eichendorff ist seit 2010 freigestellter Betriebsratsvorsitzender bei der Hymer GmbH & Co. KG in Bad Waldsee. Im März 2023 hat der Arbeitgeber mit Verweis auf ein BGH-Urteil das Entgelt von Eichendorff einseitig um fast 50 Prozent gekürzt. Seitdem gab es mehrere Versuche, Hymer zum Einlenken zu bewegen – zuletzt hatten die Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, Barbara Resch, und sogar der Geschäftsführer von Südwestmetall, also die Arbeitgeberseite auf Verbandsebene, versucht, in diesem Konflikt zu vermitteln – ohne Erfolg. Am 26. Januar 2024 hat das Arbeitsgericht Ulm (Kammern Ravensburg) dann entschieden, dass die Hymer GmbH & Co. KG das zurückgehaltene Gehalt mit Zinsen nachzahlen muss (AZ 12 Ca 117/23). Dagegen hat Hymer Berufung eingelegt. Der Fall liegt nun beim Landesarbeitsgericht.
Die „Metallzeitung“ ist das Mitgliedermagazin der IG Metall und wird an rund 2,3 Millionen Mitglieder versendet. In einem doppelseitigen Artikel wird in der Ausgabe 7/8 (2024) auf den Seiten 30/31 der Fall dargestellt. Nach Ansicht der Gewerkschaft wird im Fall Eichendorff ein BGH-Urteil missbraucht, um einen Betriebsrat „kleinzukriegen“, wie es im Artikel der „Metallzeitung“ heißt (hier in der Bildschirmzeitung unter Download abrufbar).
Das sei nicht die einzige Behinderung von Betriebsratstätigkeiten bei Hymer in letzter Zeit, sagt Frederic Striegler, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben und Singen, im Gespräch mit der Bildschirmzeitung „Der Waldseer“. Sei es, dass die Durchführung von Betriebsversammlungen vom Arbeitgeber beeinträchtigt würden, sei es, dass mittlerweile auch andere engagierte Betriebsräte Entgelt abgezogen bekommen hätten, weil sie an einer Europabetriebsratssitzung teilgenommen hatten, oder dass für Betriebsrätinnen und Betriebsräte andere – schlechter als konzernweit geregelte – Bedingungen bei Geschäftsreisen gälten; all dies moniert Striegler.
Strafantrag gegen die Hymer GmbH gestellt
Das Arbeitsgericht Ravensburg hat Janusz Eichendorff sowie einem weiteren Betriebsrat in allen Belangen Recht gegeben. Die IG Metall hat deswegen Strafantrag gegen die Geschäftsführung und den Personaler bei der Hymer GmbH wegen Behinderung von Betriebsratstätigkeit gestellt.
War Thema in einem Bundestagsausschuss
Der Fall Eichendorff/Hymer wurde in einem Ausschuss des Deutschen Bundestages diskutiert –inzwischen hat der Gesetzgeber neue Regelungen beschlossen, welche seit Ende Juli in Kraft sind. Das Video aus dem Deutschen Bundestag ist unter diesem Link abspielbar (siehe auch Button am Ende des Artikels): https://www.bundestag.de/ausschuesse/a11_arbeit_soziales/Anhoerungen/998010-998010. Ab ca. Minute 7 fängt der Part zu Janusz Eichendorff an.
Die Stellungnahme von Hymer
Die Hymer GmbH & Co. KG sieht das anders. Auf Anfrage der Bildschirmzeitung „Der Waldseer“ führte Stefan von Terzi von der EHG Corporate Communications, also der Öffentlichkeitsarbeit der Hymer-Gruppe, Folgendes aus: „Hymer ist die offene und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der sachliche Austausch, auch zu kontroversen Themen, ein wichtiges Anliegen. Gleichzeitig sind wir als Unternehmen verpflichtet, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Mit seinem Urteil vom 10.01.2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine unzulässig hohe Vergütung von Betriebsratsmitgliedern den Straftatbestand der Untreue erfüllen kann. Dies führte dazu, dass eine Vielzahl von Unternehmen in Deutschland die Vergütung ihrer freigestellten Betriebsräte überprüft und im Einzelfall angepasst haben.
Die Tätigkeit eines Betriebsrates ist ein unbezahltes Ehrenamt. Das Gehalt eines Betriebsrates bemisst sich grundsätzlich am Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Ermittlung einer angemessenen und rechtskonformen Vergütung ist ein komplexer Vorgang, da die Betriebsräte weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Im noch laufenden Verfahren erwarten wir eine Klärung aller offenen Fragen durch das Landesarbeitsgericht und damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten.“
Die Hymer GmbH & Co. KG gehört seit 2019 zum US-amerikanischen Wohnmobil-Konzern Thor Industries Inc.
Unter Download finden Sie den Artikel aus der „Metallzeitung“. Unter Links ist das das Video zur Bundestagsausschuss-Sitzung hinterlegt.