Eine Erfolgsgeschichte gemeinschaftlichen Engagements
Bad Waldsee – Am vergangenen Samstag (16.11.) feierte die Kinogenossenschaft Seenema in der Biberacher Straße ihr zehnjähriges Bestehen. Die Genossen um Marianne Jocham, die bei den Vernissagen immer das Gesicht der Genossenschaft darstellt, blickten voller Stolz auf das Geleistete zurück und voller Optimismus in die Zukunft.
Vor zehn Jahren wurde aus einer Vision Realität, so Jocham, ein Ort, an dem Film nicht nur gezeigt, sondern erlebt werden, ein Raum, der nicht nur Kultur, sondern auch Begegnung schafft.
Seenema – die Antwort auf eine kinolose Zeit
Die Gründung der Seenema-Genossenschaft war die Antwort auf 45 kinolose Jahre in Bad Waldsee. Die wenigsten können sich noch daran erinnern, dass es mal zwei Lichtspieltheater in Bad Waldsee gab. Eines hinter dem NKD-Gebäude, ehemals Gasthaus „Traube“, und eines an der Kreuzung Steinacher Straße-Friedhofstraße, gegenüber der Stadthalle. Wie viele kleine Lichtspielhäuser auf dem Lande konnten auch die Bad Waldseer Kinos dem Konkurrenzdruck der größeren Häuser und dem Wandel in der Medienlandschaft nicht mehr standhalten. Damals war das noch nicht das www mit allen seinen Ausprägungen, sondern das Fernsehen mit seinen vielen Unterhaltungsprogrammen.
Steiniger Anfang
Am 6. November 2012 hoben 55 Gründungsgenossen die „Stadtkino Bad Waldsee e.G“ in der Alten Mälze beim „Grünen Baum“ aus der Taufe. Inzwischen zählt die Genossenschaft mehr als 180 Mitglieder. Die ersten Filme wurden, mangels eigener Räume, im Schloss vorgeführt.
Nachdem die junge Genossenschaft einen geeigneten Raum, die ehemalige Getränkehandlung Funk, mit einem Vermieter, der Feuer und Flamme für das Projekt war, und auch gleich eigene Kunstwerke für die erste Kunstausstellung lieferte, Hans Funk, gefunden hatte, sah sie sich gleich mit einer Klage überzogen. Eine Anwohnerin befürchtete Lärmbelästigung durch die vielen abendlichen Besucher und ließ die Bauarbeiten in der Getränkehandlung einstellen. Unverdrossen werkelten die Genossen im Inneren weiter, schufen den Kinosaal mit seinen bequemen, blauen Polstersesseln, das Foyer, das Bistro und die komplette Infrastruktur. In der Frage der abendlichen Bewirtschaftung fand man einen Kompromiss.
Immer auf der Höhe der Zeit
In den letzten Jahren hat sich auch viel in der Projektionstechnik geändert – von den ersten Filmen, die noch mit einem Beamer vorgeführt wurden, bis zur heutigen digitalen Projektionstechnik. Auch das Programm hat sich erweitert, zu den Filmvorführungen kommen zahlreiche Kunstausstellungen, Events, Premieren und Gespräche mit Regisseuren und Schauspielern.
Grußwort der Stadt
In Vertretung von Oberbürgermeister Henne und Bürgermeisterin Monika Ludy überbrachte Walter Gschwind (Bild) die Glückwünsche der Stadt. Er drückte seine Freude darüber aus, dass trotz des etwas holperigen Starts und der Corona-Jahre die Kinogenossenschaft bis heute ihre Daseinsberechtigung bewiesen hat und in Zukunft trotz der vielfältigen Wettbewerber im www weiter beweisen könne. Als Geschenk überreichte er dem ehrenamtlichen Team des Seenemas eine Original-Filmklappe und eine Einladung zu einer Gruselführung mit Paul Sägmüller. Vielleicht könne ja in Zusammenarbeit mit Herrn Maronn, der den Filmvortrag des Abends drehte, ein neuer Waldsee-Krimi entstehen.
Die kürzeste Rede
Eugen Detzel (Bild), Geschäftsführer der Seenema-Genossenschaft, betonte nochmals den Gemeinschaftsgedanken: Das ist Euer Kino und erinnerte an Hans Funk und seine Frau Inge, die erst kürzlich verstorben sind. Detzel zitierte zum Abschluss Franz Kafka mit seiner kürzesten Rede: „Im Kino gewesen. Geweint.“
Blick in die Zahlen
Der Vorsitzender des Vorstands Peter Brünner (Bild) gab ein paar interessante Zahlen bekannt. So kamen im ersten Kinojahr 2015 schon 10.000 Besucher zu den Vorführungen. Dies steigerte sich bis 2019 auf 13.000 Besucher pro Jahr. 2020, 2021, kam wegen Corona der große Einbruch auf nur 2000 Besuchern. Für das laufende Jahr hofft die Genossenschaft auf 11.000 Besucher.
Um so viele Besucher ins Kino zu bringen, muss das Seenema-Team eine Menge leisten. Erstmal 120 Filme auswählen. Die Anregungen dazu holen sich die Team-Mitglieder auf der Berlinale, der Filmkunstmesse Leipzig oder auch aus den Programmkino-Charts. Die Werbung muss gemacht werden. Dazu gestaltet und druckt die Genossenschaft jährlich 52.000 Seenema-Programmflyer. Für 835 Kinovorführungen pro Jahr die Filme auf den Server aufspielen und vorführen. Dies alleine sind 2000 Arbeitsstunden für das Seenema-Team.
Dazu muss noch für die Getränke und Knabbereien im Bistro gesorgt werden.
Die Finanzen müssen nicht nur gestemmt, sondern auch verwaltet werden. Musste man vor Jahren alles noch beim Steuerberater machen lassen, gibt es jetzt kostengünstige Lösungen, die nur noch zum Jahresabschluss einen Steuerberater benötigen.
In 2023 hatte das Seenema Einnahmen von 113.000 Euro. Darin enthalten sind auch die Beiträge der Sponsoren, für die sich Brünner herzlich bedankte. Ein Drittel der Einnahmen wird für Material, also Film- und Bistroeinkauf, ein Drittel für Lohnkosten und das letzte Drittel wird für betriebliche Aufwendungen wie Miete, Energie- und Prüfungskosten aufgewandt.
Die Genossenschaft ist nicht auf Rosen gebettet. Derzeit schreibt sie laut Brünner, „hellrote“ Zahlen, aber in der Corona-Zeit konnte man etwas Rücklagen bilden, so dass die Genossenschaft noch etwas Zeit hat, um wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.
An dieser Stelle enterte Veronika Dengler (Bild) mit ihrer „Begeisterungskasse“ die Bühne und forderte das Publikum zum fleißigen Spenden auf.
Anschließend konnten sich die Gäste den Waldsee-Krimi anschauen und mit dem Regisseur diskutieren.
Die Festveranstaltung klang mit gemeinsamen Gesprächen bei leckeren Häppchen, Getränken und gepflegtem Jazz mit der Band Fourplay in der Besetzung Andreas Ess (Piano), Volker Jedelhauser (Gitarre) und Michael Dümmler (Saxophon) aus.
Text und Fotos: Erwin Linder
Mit feinen Häppchen bei feiner Musik wurde das Jubiläum des Genossenschaftskinos gefeiert.