20 Jahre ihrem Dorf gedient
Haisterkirch – Flott kommt Rosa Eisele mit dem Fahrrad angefahren. Wir treffen uns an ihrem Haus im Öschweg, sie kommt soeben vom Klosterhof. „Ja freilich können Sie Ihr Auto bei uns im Hof abstellen. Jetzt kommen Sie nur herein.“ Vorbei am Kachelofen geht es ins Esszimmer. Auf der Ofenbank noch die Geschenke von der offiziellen Verabschiedung in der letzten Ortschaftsratssitzung. Der Rucksack vom OB. Gefüllt mit Nudeln von Atzenweiler Freilandeiern, zwei Weinkartons, dekoriert mit Grissini und Nudeln, daneben, vom Gemeindetag, Ehrenurkunde, Anstecknadel und Stele für 30 Jahre kommunalpolitischen Einsatz, zehn als Ortschaftsrätin und dann 20 als Ortsvorsteherin.
„Jetzt komme ich grade aus der Ortschaftsverwaltung. Da baut die Schreinerinnung die Ausstellung mit den Gesellenstücken auf. Das ist doch toll, dass wir die Innung hier haben. Da wird Haisterkirch doch weit herum bekannt.“ Mit blitzenden Augen erzählt sie, wie die Innung seinerzeit einen Raum gesucht habe. Klar, sie kennt Michael Bucher, den Innungsmeister, der die traditionsreiche Schreinerei Wirth-Bucher in Hittelkofen führt. „Und das ist doch ein toller Rahmen bei uns im Kloster.“
69 ist sie jetzt und noch sieht man kein bisschen was von Langsamermachen. Schließlich, so erzählt Rosa Eisele, “bin ich noch bis zum 5. August kommissarische Ortsvorsteherin.” Seit mehr als einem Jahr arbeitet sie schon mit Matthias Covic, ihrem gewählten Nachfolger, eng zusammen. „Der soll nicht so ins kalte Wasser springen müssen wie ich.“
Wie alles begann
Vor 20 Jahren, Rosa Eisele war damals schon zehn Jahre im Ortschaftsrat, verkündete der damalige Ortsvorsteher in der konstituierenden Sitzung, dass er nicht mehr für das Amt zur Verfügung stehen werde. Jetzt war guter Rat teuer. Wer soll es machen? Rudi Martin, Rosas Mentor seit Jugendzeit, redete Rosa zu, die Aufgabe zu übernehmen. „Die Kinder waren aus dem Gröbsten raus und ich wollte ohnehin wieder eine Arbeit annehmen“, so Rosa Eisele. Eine Arbeit in ihrem kaufmännischen Beruf in einer Firma hätte mehr Geld und vor allem eine bessere Altersversorgung eingebracht, aber schließlich siegte das Verantwortungsbewusstsein und die Unterstützung ihres Mannes Herbert. Sie stellte sich zur Wahl als Ortsvorsteherin und blieb es für die nächsten 20 Jahre.
„An allem ist eigentlich der Rudi Martin schuld“, sprudelt aus ihr heraus. Und sie erzählt von ihrer Kindheit in der „Rose“ in Hittelkofen. Von den Stammtischparolen in den 70er-Jahren, die sie mit anhören musste. Wie etwa: „Die Regierung hat den Karren voll in den Dreck gefahren.“ Zu Hause war sie vieles Arbeiten gewohnt. Dann übernahm der Bruder die Wirtschaft und Rosa hatte plötzlich übrige Zeit. Sie widmete sich ihrem Hobby Garten. Und trat erstmals in einen Verein ein: den Gartenbauverein.
Eine Netzwerkerin
Damit begann sie mit dem, was neudeutsch Netzwerken genannt wird. Sie unterstützte Gartenbauvereinschef Konrad Leiprecht und, motiviert von Ferdinand Gut, einem Obst- und Gemüsebauspezialisten, erfuhr sie, wie man mit viel Liebe zum Detail Wertvolles erhält.
Als das erste Kind im Kindergarten war, 1987, gründete sie in Haisterkirch eine Krabbelgruppe, damit auch andere junge Mütter eine Stätte der Begegnung bekamen und sich in das Dorfleben einfinden konnten. Noch heute dankbar ist Rosa Eisele für den Raum, den die Kirchengemeinde der Krabbelgruppe kostenlos zur Verfügung stellte. Auch das ist Nachhaltigkeit: Die Krabbelgruppe besteht noch heute.
Verantwortung übernehmen
Mit dem Aufwachsen der Kinder kamen die Ehrenämter Schlag auf Schlag. Wer will sich schon die Aufgaben und Verantwortung aufhalsen? Rosa Eisele war stets zur Stelle: im Elternbeirat im Kindergarten, dann in der Schule.
1994, ihre Kinder waren damals zwei, fünf und sieben Jahre alt, kandidierte sie für den Ortschaftsrat. Und wurde gewählt.
Ihre Erkenntnis aus dem Dorfleben: Vereine sind das Herzstück. Es braucht Mitmacher. Und so ist in jenen Vereinen, in denen Rosa nicht Mitglied ist, ihr Mann Herbert dabei. Ihre Kinder, mittlerweile erwachsen, folgen den Eltern in den Fußstapfen in den Vereinen. „Man muss viele Leute kennen, mit allen sprechen, dann weiß man, wo den Leuten der Schuh drückt und man kann mit Hilfe aller etwas voranbringen.“
Die 1200-Jahr-Feier
2004, als sie das Amt von ihrem Vorgänger übernahm, stand die 1200-Jahr-Feier Haisterkirchs an. Ein ganzes Jahr lang war man am Organisieren der vielen, vielen Veranstaltungen 2005. Und das Feiern kam dann auch nicht zu kurz.
Rosa Eiseles Credo heißt: Zusammenarbeiten. So suchte sie den Kontakt zu den anderen Ortsvorstehern der Waldseer Teilorte. Und schaffte es, bei den Bürgermeistern und Kämmerern Weinschenk und Manz sowie Henne und Ludy einen Jour fixe einzurichten, bei dem die Ortsvorsteher ihre Themen einbringen konnten.
Baugebiete und mehr
Während Rosa Eiseles Amtszeit wurden in Haisterkirch zwei Wohnbaugebiete vollendet. Während 2005 noch ein Werbeschild am Baugebiet angebracht werden musste, um alle Plätze an den Mann zu bringen, waren 2018/19 wesentlich mehr Bewerber als Plätze vorhanden. Sollte man die Plätze nach Maluspunkten vergeben? Nein, sagten Eisele und der Ortschaftsrat. Wir verlosen unsere Plätze. Dann haben alle gleiche Chancen und wir bekommen eine bunt gemischte Ansiedlung von jungen und älteren Menschen, mit und ohne Kinder nach Haisterkirch. Diese Mischung ist besser für das Dorfleben und die Dorfentwicklung. Und so geschah es.
Der Kindergarten wurde erweitert, damit die Ortsansässigen und die jungen Familien, die sich in den neuen Baugebieten eine Heimat geschaffen hatten, ihren Nachwuchs gut behütet aufwachsen lassen können.
„Haisterwinnaden“
Besonders stolz ist Rosa Eisele, dass Haisterkirch das schnelle Internet zehn Jahre vor der Kernstadt bekommen hat. Das ist wieder mal eine ganz besondere Ortsvorsteher-Geschichte von Rosa Eisele und Frieder Skowronski mit viel Netzwerk, Ausdauer, Überzeugungsarbeit. Eigentlich waren Haisterkirch und Michelwinnaden mit 284 KBit/sec. abgehängt von der Welt. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel einem Kunden in Ulm einen großen Plan übermitteln musste, dann fuhr man halt mal mit dem Auto hin, denn per Internet ging gar nichts. Die Telekom zeigte den Dörflern die kalte Schulter. Nein, mit den paar Haushalten kann man kein Geld verdienen. Da kann man nichts investieren. Rosa Eisele ließ das nicht kalt und bei ihren Recherchen stieß sie auf das Beispiel Wolfartsweiler. Auf über 20 Seiten war das Beispiel beschrieben, wie diese kleine Gemeinde zu schnellem Internet kam.
Wer in allen Vereinen ist, kennt einen, der einen kennt, der den kennt, auf den es ankommt. Und so fand Rosa Eisele den Weg zur Frauenhofer-Stiftung. Franz Frauenhofer, ein Philantrop, gründete die Stiftung genau zu dem Zweck, Institutionen, die von der Telekom links liegengelassen werden, zu High-Speed-Internet zu verhelfen.
Rosa stellte den Kontakt her und als Herr Frauenhofer nach Haisterkirch kam, war er nicht schlecht erstaunt, 40 Personen anzutreffen, die das Projekt voranbringen wollten. Aus dieser Gruppe entstand dann eine 16köpfige DSL-Arbeitsgruppe.
Zwei Jahre lang gab’s immer sonntags ein Treffen der DSL-Gruppe. Viel Überzeugungsarbeit war von Nöten. Und dann war „Haisterwinnaden“ geboren. Natürlich wurde das mit einer großen “Anklemmparty” gefeiert.
Dankbar allen, die sie auf ihrem Weg begleitet haben
„Ich hatte viel Glück in meinem Amt. Mit den Bürgern. Mit den Vereinen. Und vor allem mit der guten Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeitern in der Ortschaftsverwaltung im Ort und in der Stadt, den Bürgermeistern und Kämmerern, angefangen bei Rudolf Forcher und Alfons Fiegel über Roland Weinschenk und Thomas Manz bis zu Matthias Henne und Monika Ludy, den Gemeinderäten, der Kirchengemeinde, Schule und Kindergarten. Auch mit Ernst Deiringer, der mir ein sehr wertvoller ehrenamtlicher Mitarbeiter war, und Rudi Martin, der, seit er in Haisterkirch wohnt, die Geschehnisse in unserem Dorf und der Umgebung in Wort und Bild festhält.“
Eine besondere Stärke von Rosa Eisele: Sie kann auch gut auf Leute zugehen, die nicht mit ihr einer Meinung sind. „Und jetzt bin ich froh, dass ich an meinen Nachfolger ein geordnetes Amt übergeben kann.“
Erwin Linder