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Meinung

Windkraft am Ried: der Wert des Moores



Bad Wurzach – Welchen Einfluss können Windkraftanlagen (WKA) auf unsere kostbaren Moore und die letzten Rückzugsgebiete für seltene Tiere wie Kiebitz oder Bekassine haben? Dieser Frage ist Dr. Carmen Pöhl nachgegangen. Sie ist im Vorstand des gemeinnützigen Vereins Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu e.V.

Sie schreibt: Unser Naturschutzgebiet Wurzacher Ried umfasst eine Fläche von 1812 Hektar, wovon ein Drittel als unberührt gilt. Die Entstehung der heutigen Topographie mit den Moränenhügeln begann vor mehr als 450.000 Jahren. Vor 12.000 Jahren endete die letzte Eiszeit und Schmelzwasserseen blieben zurück, die dann allmählich zum Moor verlandeten. Im Kernbereich befindet sich das größte intakte zusammenhängende Hochmoor Mitteleuropas. Die wurzellosen Torfmoose wachsen nach oben und sterben nach unten ab, so dass sich eine immer mächtigere Schicht bildet. Es entsteht ein sehr spezifischer Lebensraum, in dem sich nur angepasste Pflanzen und Tiere wohlfühlen. Die Torfflächen, die große Mengen CO2 binden, sind heute bis zu zehn Meter hoch. Da die Torfmoose im Hochmoor nur von Regenwasser am Leben gehalten werden, ist regelmäßiger Niederschlag notwendig. Sie halten das Wasser dann wie ein Schwamm und geben es nach und nach an die Umwelt ab, wodurch ein wichtiger kühlender Effekt auf das regionale Klima entsteht. 1989 wurde das Wurzacher Ried als eines von nur acht Gebieten in Deutschland mit dem Europadiplom ausgezeichnet.

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Moorschutzstrategie der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat die hohe Bedeutung der Moore erkannt. Am 9.11.2022 wurde eine Moorschutzstrategie beschlossen. Intakte Moore speichern so viel CO2 wie alle Wälder der Erde zusammen. Leider sind aktuell 90 % der deutschen Moore entwässert und setzen deshalb das gespeicherte CO2 zunehmend frei, was derzeit mit jährlich 7% der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen zu Buche schlägt.

Um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, ist es deshalb notwendig, die noch intakten Moore streng zu schützen und trockengelegte Flächen wieder zu vernässen. Um die Vereinbarungen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 einhalten zu könne, müsste Deutschland dabei eine Wiedervernässung von 50.000 Hektar pro Jahr anstreben. Ziel ist es, durch eine gemeinsame Anstrengung die Erderwärmung bis 2030 auf 1,5 Grad zu begrenzen. In unserer Region gibt es neben dem Wurzacher Becken zahlreiche andere schützenswerte Regionen mit Mooren, unter anderem das Steinacher Ried bei Bad Waldsee, das Mühlhauser Ried zwischen Osterhofen und Ampfelbronn oder das Herrgottsried östlich von Bad Wurzach.

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Potenzielle Windkraftstandorte

Leider sind momentan viele dieser wertvollen Regionen in Baden-Württemberg als Suchraum für mögliche Windindustrieprojekte ausgewiesen. Die entsprechende Karte findet man unter www.rvbo-energie.de. Die ersten WKA-Projekte wurden vor einigen Monaten bekannt. So sind im Hummeluckenwald, im Alttanner Wald bei Weitprechts und zwischen Osterhofen und Mühlhausen einige WKA in der Planung. Vermutlich werden es jedoch in unserer Region noch viele weitere werden.

Austrocknungseffekt

Unumstritten kommt es in der Umgebung von Windkraftanlagen (WKA) durch Verwirbelungen der Luft vor allem nachts zu Temperaturerhöhungen in den unteren Luftschichten. Warme aufsteigende Luft aus höheren Luftschichten wird durch den Rotor wieder nach unten getragen, wo der Boden in der Nacht unter anderem durch Verdunstung abkühlt. Dieser Effekt wird in Weinanbaugebieten genutzt, um Reben frostfrei zu halten. Es wird dabei ein Temperaturanstieg von bis zu 3,5 Grad durch WKA vom Bundesinformationszentrum Landwirtschaft angegeben.

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Es ist anzunehmen, dass diese nächtliche Erwärmung zu Austrocknungsphänomenen des Bodens führt. Pro Grad zusätzlicher Temperatur kann Luft nämlich 7 % mehr Wasserdampf aufnehmen, dann mitführen und später an anderer Stelle abregnen lassen. Die „Wirbelschleppen“ im Nachlauf der Rotoren sind in einer Entfernung von bis zu 60 Kilometern messbar und haben in diesem Gebiet Einfluss auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die Erwärmung und Austrocknung der Luft durch einen Windpark wurde unter anderem in Echtzeitmessungen in einer Studie in Indiana/USA bestätigt.

Harvard-Studie nennt Doppeleffekt

Der Einfluss von Windenergieproduktion auf die globale Klimaerwärmung wurde von Miller und Keith  im Jahre 2018 an der renommierten Harvard-Universität untersucht. Sie fanden heraus, dass zwei Effekte negativen Einfluss auf das Klima der USA haben können, wenn die Energie dort ausschließlich mit WKA produziert werden würde: ein lokaler Erwärmungseffekt sowie Veränderungen von atmosphärischen Luftströmungen. Diese beiden Effekte würden voraussichtlich den positiven Effekt der CO2-Einsparungen durch WKA für die Dauer von 100 Jahre zunichte machen.

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Insofern kann und muss aus unserer Sicht die Frage nach der ökologischen und ökonomischen Sinnhaftigkeit der WKA immer wieder neu gestellt werden dürfen. Wenn der Bau von bis zu 290 Meter hohen WKA, mit die höchsten der Welt, für unsere Moore, für unsere Fauna oder für uns Anwohner Gefahren birgt, dann sollten wir diese ansprechen, diskutieren und gegenüber dem Nutzen abwägen.

  1. Veränderung des lokalen Klimas zu Lasten des Lebensraumes Moor: Intakte Moore sind einzigartige Lebensräume hochspezialisierter bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Sie haben eine regulierende Wirkung im Wasser- und Nährstoffhaushalt und eine kühlende Verdunstungswirkung, die für das lokale und regionale Klima wichtig ist. Darüberhinaus sind Moore Langzeitspeicher für CO2 und ihre Schädigung kann sich gravierend negativ auf das globale Klimasystem auswirken. Es ist unsere Pflicht das intakte Ökosystem des Nieder- und Hochmoores zu erhalten. Diese Pflicht ist uns vom Europarat, der Bundesregierung, aber auch von unseren Kindern und Kindeskindern auferlegt. Solange eine Erwärmung des Bodens zu erwarten ist und damit eine zunehmende Trockenheit nicht ausgeschlossen werden kann, sollten WKA zu Mooren einen weiten Schutzabstand halten müssen.
  2. Verlust des Europadiploms: In den drei Verlängerungsurkunden des Europadiploms, das alle zehn Jahre überprüft wird, wurde der besondere Schutz der Hügel, die um das Ried herum liegen, betont. „Die Integrität der Landschaft rund um das Becken von Bad Wurzach zu erhalten und den Bau von technischer Infrastruktur auf den Hügeln und Bergkuppen im Sichtbereich des Wurzacher Rieds zu vermeiden“, wird in der Empfehlung des Europarats betont. Somit könnte alleine der Bau von Windenergieanlagen um das Becken herum eine Verlängerung spätestens in 2029 verhindern. Ein weiterer Ausbau des Kurwesens und des Tourismus wäre ohne Europadiplom schwierig.
  3. Lärm, Luftdruckpulse und Infraschall, die von Windparks ausgehen, beeinträchtigen nicht nur unsere Lebensqualität, sondern auch die von Tieren.
  4. Verlust an Biodiversität: Die riesigen Rotorblätter, die Flächen von fast drei Fußballfeldern pro    Windrad abfischen, bringen den Tod für viele Insekten, Fledermäuse und Vögel. Wir sind stolz auf die seltenen Vögel bei uns wie Waldrapp, Bekassine oder Kranich. Nur wie könnten wir sicher sein, dass diese bei ihrem Weiterflug unverletzt bleiben würden, wenn der Rand unseres Naturschutzgebietes durch WKAs den Tod bringen könnte?

Bleibt zu hoffen, dass alle Entscheidungsträger diese Punkte entsprechend berücksichtigen. Zudem sollte eine kurzfristige Aussicht auf Gewinn nicht die Zukunft unserer lebenswichtigen Ressourcen aufs Spiel setzen. Wir alle sind aufgefordert, uns zu informieren und uns einzubringen – heute, bevor es zu spät ist.

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Dr. Carmen Pöhl, Bad Wurzach (Stellvertretende Vorsitzende Landschaftsschützer Oberschwaben-Allgäu e.V.)

Die Schönheit des Wurzacher Riedes, fotografisch dokumentiert von Reinhold Mall (drei Bilder) und Carmen Pöhl (1):

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Die Quellseen im Wurzacher Ried.
Schachtelhalm.
Stare.
Der Riedsee.



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