Und was ist bei Dunkelflaute?
Zum Leserbrief von Ulrich Kazmaier zur Infoveranstaltung der Landschaftsschützer in Eintürnenberg
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass es mich stets freut, wenn Vertreter des Energiebündnisses oder auch der GRÜNEN zu den Veranstaltungen der Landschaftsschützer kommen. Einander zuhören, zu versuchen, sich in die Gedanken und Argumentationen Andersdenkender hineinzuversetzen sind die Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt über Meinungsgrenzen hinweg.
Herr Kazmaier hat sicher auch recht, dass es ambitioniert war, den Abend mit gleich drei Vorträgen plus einem Appell des von mehreren Windkraftprojekten betroffenen Ortsvorstehers zu gestalten. Gleichwohl bestand Raum zur Diskussion und es war keinesfalls so, dass wir deshalb wichtige Fragen unbeantwortet gelassen hätten. Darüber hinaus finde ich auch, dass Ortsvorsteher Berthold Leupolz bei der Veranstaltung deutlich genug darauf hingewiesen hat, in welcher Rolle er an ihr teilnimmt. Er hat ausdrücklich bekannt, kein genereller Windkraftgegner zu sein, sieht aber Eintürnen weit überdurchschnittlich belastet und ermahnte die Stadt, zur Not auch juristisch gegen den Investor „Energiequelle“ vorzugehen, der im Bereich Hummelluckenwald den Regionalplan missachtet. Wo, wenn nicht auch bei einer solchen Veranstaltung in seiner Ortschaft, soll er dieses Eintreten für die Interessen seiner Bürger denn publik machen?!
Physikalisch-ökonomisch gänzlich ungeeignet
Nun aber zu der konkret in Richtung meines Vortrags geäußerten Kritik, dass ich eine „seltsame Argumentation“ vorgetragen hätte. Ja, es ist richtig, dass ich eine praktisch nur auf Wind- und Sonnenenergie fußende Energieversorgung in Deutschland für unbezahlbar halte. Ein dicht besiedeltes Industrieland mit niedriger Jahresdurchschnittstemperatur, ohne verlässliche Sonne, mit unterdurchschnittlichem Wind- und Pumpspeicherpotential ist dafür physikalisch-ökonomisch gänzlich ungeeignet!
Unsere sämtlichen sozialen Errungenschaften hängen an der Wertschöpfung unserer Industrie und an unseren Exporten. Und es ist eine Illusion zu glauben, dass wir die energieintensive Stahl- oder chemische Grundstoffindustrie einfach bei uns abwandern lassen können, ohne dass auch die um sie herum bestehenden industriellen Wertschöpfungsketten verschwinden.
Wir brauchen einen wettbewerbsfähigen Strompreis
Um das zu vermeiden, braucht es einen im internationalen Vergleich wettbewerbsfähigen Strompreis, wenn künftig die fossilen Energien wegfallen sollen. Keiner unserer globalen Wettbewerber – ja überhaupt kein Land dieser Welt – versucht dafür, eine praktisch rein auf Wind- und Sonnenstrom basierende Energieversorgung umzusetzen. Denn das Teure am Ökostrom ist ausdrücklich nicht dessen Herstellung, sondern erstens die Sorge dafür, dass der Windstrom stürmischer Tage oder der Mittags-Sonnenstrom des Sommerhalbjahrs – in Zukunft bei einer Verfünffachung der Kapazität – nicht ungenutzt bleibt, sondern bei Windstille und in der Nacht genutzt werden kann. Zweitens aber muss die Stromversorgung so aufgebaut werden, dass sie auch bei einer zweiwöchigen Dunkelflaute bei 10 Grad minus noch funktioniert, wenn dann keine zwei Prozent des üblichen Strombedarfs durch Wind und Sonne abgedeckt werden und Speicher nicht mehr weiterhelfen. Der Aufwand an Backup-Kraftwerken, Netzausbau, Elektrolyseuren, Speichern etc. dafür ist aber unvorstellbar!
Und die unangenehme Wahrheit für Deutschland ist darum, dass nach aktuellem Stand leider die Kernkraft – übrigens durchaus in einer wohlüberlegten Kombination mit erneuerbaren Energien – unsere einzige nichtfossile Option ist. Daran ändert auch die Endlagerfrage nichts, da für diese nicht die Menge des Mülls (bisher ein Würfel von 30 mal 30 mal 30 Meter), sondern die Dauer der Lagerung das Problem ist, sofern man nicht mit der vierten Reaktorgeneration aus diesem Müll neuen Brennstoff macht. Im Klartext: Der Sündenfall in Sachen Atommüll ist ja längst schon geschehen. Da haben es mit niedriger Bevölkerungsdichte und viel Wasserkraft gesegnete Länder, wie Österreich, wesentlich besser, die in diese Technik gar nicht erst einsteigen mussten!
Übrigens hat Herr Kazmaier mich missverstanden, wenn er mir in den Mund legt, dass sich Kernkraft nicht sogar gut mit Wind- und Sonnenstrom kombinieren lässt. Die frühere Anti-AKW-Aktivistin – und heutige Kernkraftbefürworterin – Anna Veronika Wendland hat in ihrem Buch „Atomkraft? Ja bitte!“ eindrucksvoll beschrieben, dass Kernkraftwerke mit einer Lastwechselrate von bis zu 70 MW/min sogar doppelt so reaktionsfähig sind, wie dies bei Gaskraftwerken der Fall ist.
Allerdings wäre es wesentlich schlauer, neben Kernkraftwerken stehende Großelektrolyseure für die Wasserstoffherstellung zu nutzen, um damit dann die chronischen Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen, wie es zum Beispiel Frankreich plant, statt Kernkraftwerke in Teillast zu nutzen.
Windräder sollten allein schon aufgrund ihres hohen Materialbedarfs dort stehen, wo sie den besten (doppelten bis dreifachen!) Ertrag bringen und idealerweise Menschen nicht stören. Davon sind die im Raum Alttann, Eintürnen, Hummelluckenwald geplanten Riesenräder aber leider weit entfernt!
Friedrich-Thorsten Müller, Bad Wurzach