Sündenfall
Zum Beschluss des Gemeinderates, die Spitalkapelle zum Zwecke gewerblicher Nutzung zu verpachten
Leerstand – Profanierung – merkantile Nutzung: Das ist die traurige Abwärtsspirale der Spitalkapelle in den vergangenen zehn, zwölf Jahren. Es ist das Ende einer Kapelle, die im Kern wohl ein halbes Jahrtausend alt ist. Das Ende einer Kapelle, mit der alte Wurzacher immer noch emotional verbunden sind. In der nicht wenige Ü60-Wurzacher getauft wurden.
Gab es denn wirklich keine Alternative?
Der Verfasser dieser Zeilen war mit dem Vorschlag einer pädagogischen Nutzung der Spitalkapelle („Reli-Zimmer“) an die Öffentlichkeit gegangen. Fand aber kein Gehör.
Bad Wurzach hat für eine Stadt seiner Größenklasse Außerordentliches zu bieten. Nicht nur das Ried. Nicht nur das Barocktreppenhaus. Nicht nur die stilreine klassizistische Kirche.
Mit dem Literaturpreis hat Bad Wurzach etwas Einmaliges. Irgendwann geht der Platz für die Porträts der Literaten im Rathaus aus. Als Galerieraum für diese Porträts wäre die Spitalkapelle ein angemessenes Ambiente gewesen.
Und dann ist da ja noch der Blutritt als Wurzacher Besonderheit. Vorstellbar wäre mithin ein Heiligblutfest-Museum gewesen. In den bald 100 Jahren dieser stolzen Tradition ist vieles zusammengekommen, was eine Dauerausstellung rechtfertigen könnte. Wer zum Beispiel kennt die Entwurfszeichnung von Pater Guerricus für das Heiligblut-Reliquiar? Oder die Profi-Fotos aus dem Heiligblutfilm von 1949? Es gäbe sicherlich viele Exponate neben einer veritablen Foto-Galerie.
Aber: Ein Museum braucht Kümmerer. Und: Eine museale Nutzung wirft keine Pacht ab.
Dann doch lieber einen Gemüsehandel. Oder einen Tresen.
Es bleibt ein Sündenfall.
Gerhard Reischmann