Stadtarchivar Wild über die Schlacht am Leprosenberg und den Bauernjörg

Bad Wurzach – Stadtarchivar Michael Tassilo Wild hielt zur Eröffnung des Gedenkjahres „500 Jahre Bauernkrieg“ im Sitzungssaal in Maria Rosengarten einen Vortrag zu regionalen Aspekten des Bauernkrieges, zumal mit dem Bauernjörg eine der prägendsten Figuren des Bauernkrieges von hier stammte.
Überwältigende Resonanz – Es gibt einen zweiten Termin
Rasch wurde klar, dass den Vortrag mehr Menschen hören wollten als erwartet. Weitere Stühle wurden aufgestellt. Dies und vieles in der Vorbereitung des Projektes „Jubiläum 500 Jahre Bauernkrieg“ übernahmen die Damen der Bad Wurzach-Info gemeinsam mit Bürgermeisterin Alexandra Scherer und Martin Tapper vom Bürgermeisteramt. Deswegen erklärte Stadtarchivar Wild auch in seiner Begrüßung, dass er das Arbeitspensum in der Vorbereitung dieser Veranstaltungsreihe als Einzelkämpfer nicht geschafft hätte. Dafür bedankte er sich bei diesem Team und ließ sich angesichts der überwältigenden Resonanz auch nicht lange bitten: Der Vortrag wird von Wild im Mai an einem noch festzulegenden Termin noch einmal gehalten.
Buchdruck und Reformation
Wild eröffnete den Vortrag mit einer groben Definition des Mittelalters, das die Wissenschaft grob in die Zeit zwischen 500 und 1500 einordnet. „Exakter wird es nicht.“ Damit zählt die Zeit des Bauernkrieges 1525 bereits zur frühen Neuzeit. „Das 16. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs, es gab viele Veränderungen“, erläuterte Wild und nannte als die wichtigsten die Erfindung des Buchdrucks und die Reformation.
Vorläufer: der Bundschuh
Bereits 1513 gab es mit dem Bundschuhaufstand einen Vorgänger des Bauernkrieges von 1525. Der ehemalige Landsknecht Joß Fritz gründete diese Bewegung, die nach der typischen Fußbekleidung der Bauern benannt wurde, bereits nach seiner Rückkehr in seine Heimat um 1501 in Untergrombach (bei Bruchsal), um sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung der Bauern durch Adel und Kirche aufzulehnen. Das Unternehmen scheiterte, aber die meisten Aufrührer konnten fliehen. Damals diente der Truchseß von Waldburg, der spätere Bauernjörg, als niederer Offizier im Heer des Adels. Der Habsburger Karl V. war Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, spielte aber nur eine schwache Rolle, zumal er seinen Hof in Spanien hatte. Spanien eroberte in jener Zeit Amerika und verfügte mit dem Silber Südamerikas über riesigen Reichtum. Die Währung der geprägten Silbermünzen orientierte sich am deutschen Taler, kein Wunder, dass in Amerika die verballhornte Version des Talers, der Dollar, sich noch bis heute gehalten hat.
Der Reformator Martin Luther, der 1517 seine Thesen veröffentlichte, zählte zur Oberschicht und stand auf der Seite der Oberschicht und des Kurfürsten von Sachsen, der auch gleichzeitig das Kirchenoberhaupt seines Landes war. Es war die Zeit der Weltbildveränderungen: Patrizier, oft Kaufleute, waren plötzlich viel reicher als der Adel, der an Bedeutung verlor und sich zum Teil als Raubritter durchschlug.
Was sich auch veränderte, war die Art der im Konfliktfall eingesetzten Waffen: Mit den Hakenbüchsen mit einem Kaliber von 2,5 cm (eine heutige Großkaliberschusswaffe hat ein Kaliber von 9 mm), oder Schweizer Hellebarden. Auf diese hatten auch viele Bauern Zugriff, da Oberschwaben aufgrund des Erbrechts des Erstgeborenen viele Nachgeborene als Söldner in andere Regionen exportierte.
Eine der epochalsten Erfindungen war die Erfindung des Buchdrucks, durch den zwischen den Jahren 1500 und 1530 10.000 verschiedene Flugblätter verbreitet wurden, deren Auflage in der Summe bei 10 Millionen Stück lag. Wild kam bei einem Vergleich mit der Verbreitung von Smartphones in Deutschland sogar noch auf einen höheren Verbreitungsfaktor der Flugschriften als die heutigen Smartphones: 10 Millionen Schriften bei einer Einwohnerzahl von 12 Millionen ergeben den Faktor 0,83. 69 Millionen Smartphones bei 84,7 Mio. Einwohner ergibt als Faktor 0, 81.
Zurück in die Zeit des Bauernkrieges: Der wegen seines aufwendigen Lebensstiles ewig klamme Herzog Ulrich von Württemberg ließ Silbermünzen prägen und kam dabei bei Gewichten auf die Idee, diese leichter zu machen, um den Gewinn zu erhöhen. Als dies aufflog, vertrieb ihn der Bauernjörg von seinem Besitz. Der Stadtherr von Wurzach und Waldsee wohnte im Schloss in Waldsee, war “als Problemlöser“ in Adels- und anderen höheren Kreisen bekannt, wenn er zum Beispiel in deren Auftrag Jagd auf Raubritter machte. Aber er wurde nicht nur als gut bezahlter Heerführer eingesetzt, sondern besaß durchaus auch diplomatisches Geschick.
Am Karfreitag des Jahres 1525
Die Schlacht von Wurzach beim Leprosenberg am Karfreitag des Jahres 1525 war die zweite (nach Leipheim) innerhalb dieser Bauernerhebung. Der Bauernkrieg wurde erst später blutiger und brutaler. Denn an jenem 14. April versuchte man zuerst fast einen halben Tag lang über Verhandlungen, die Auseinandersetzung zu verhindern. Wie es der Schreiber und Buchführer des Bauernjörgs, ein namentlich nicht bekannter Kaplan, später notiert. Dieser war zwar als Augenzeuge nicht neutral, kann aber durchaus als glaubwürdig bezeichnet werden. Dass der Krieg auch ein Glaubenskrieg war, ergibt sich aus der Tatsache, dass sich die bibeltreuen Bauern auf eben diese berufen, während die Adligen sich „als von Gott in diesen Stand Berufene sehen.“ In den Zwölf Artikeln von Memmingen wird unter anderem festgelegt, dass das protestantische Volk seinen Pfarrer selbst wählt. Der Bauernkrieg war also auch ein frühreformatorischer Konflikt.
18 Geschütze auf dem Leprosenberg
Der Schreiber vermerkt in seinem Bericht, dass die Verhandlungen scheitern und „der Frieden ausgeblasen wird“, das heißt, dass Fanfaren den Beginn der Kriegshandlungen ankündigen. Der Schreiber des Bauernjörgs berichtet von drei Salven, welche die 18 Geschütze auf dem Leprosenberg auf die Aufständischen auf der Bleiche, also dem Gebiet zwischen Schloss und heutiger Siedlung abfeuerten. Als die Bauern danach – auch weil es bereits Nacht wurde – die Flucht ergriffen, seien viele im Ried und in der Ach umgekommen.
Weil es ja zum Teil seine eigenen Bauern (und Steuerzahler) waren, hielt sich das Interesse des Bauernjörges, diese, trotz Aufforderung von den Adligen, zu verfolgen, in engen Grenzen. Zumal der Heerführer – ganz sparsamer Schwabe – seinen Reitern und Landsknechten bei Feindberührung einen zusätzlichen Schlachtensold hätte zahlen müssen. Damals ging er milde mit „seinen“ Leuten um, wie das Beispiel der rund 300 in die Stadt geflüchteten Bauern zeigt: Sie wurden nach Zahlung einer Geldbuße und der Erklärung, sich keinem bewaffneten Widerstand anzuschließen, wieder freigelassen.
Michael Wild räumte in dem Vortrag auch mit dem Klischee-Bild von den Bauern als nur mit Dreschflegeln und Heugabeln bewaffnete Haufen auf. Viele Aufständische waren von der technischen Ausstattung vergleichbar auf dem Niveau damaliger Elite-Armeen. Unter ihnen waren auch einige niedrige Adelige. Bei der Schlacht von Wurzach waren es geschätzt 7000 Aufständische. Später schafft es der Bauernjörg über den Weingartener Vertrag die Region zu befrieden.
Der Bauernjörg, der später Statthalter des Herzogs von Württemberg war, ein Wurzacher lenkte in Stuttgart mithin die Regierungsgeschäfte, schaffte es mit dem Weingartener Vertrag, Zeit zu gewinnen. Für seine Verdienste bei der Niederschlagung des Bauernaufstandes wurde Georg III. von Waldburg-Zeil (geb. 1488 in Waldsee, gest. 1531 in Waldsee), bekannt als Bauernjörg mit dem erblichen Titel Truchsess geehrt.
Die Bluttat von Weinsberg
Die Brutalität des Krieges nahm zu, als nur wenige Tage später bei der Bluttat von Weinsberg der Graf von Helfenstein und einige Adlige von den Aufständlern umgebracht wurden. Dieses Ereignis löste unter dem Adel in Süddeutschland Panik und große Rachegefühle aus. Die dann in zahlreichen zum Teil sehr grausamen Hinrichtungen der Rädelsführer gipfelten. Der Widerstand des Bauernvolkes in Europa bröckelte zusehends, bis die Schlacht von Mühlberg 1547 im Schmalkaldischen Krieg das endgültige Ende der Revolution für ziemlich genau 300 Jahre im Deutschen Reich markierte. Während anderswo zahlreiche Versprechungen gebrochen wurden, setzte der Bauernjörg diese in Kraft. So konnten sich etwa leibeigene Bauern freikaufen.
Georgs Mutter Helena war die erste Äbtissin von Maria Rosnegarten
Wild wies am Ende seines Vortrages, für den er donnernden Applaus erntete, darauf hin, dass der Bauernjörg auf Betreiben seiner Mutter Erbauer des Klosters Maria Rosengarten in Wurzach ist. Seine Mutter war die erste Äbtissin des Klosters, das heißt, er war in eben diesen Räumen in jener Zeit öfters zugegen.
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