Rückblick auf das Jubiläumsjahr, Ausblick auf 2024
Bad Wurzach – Bürgermeisterin Alexandra Scherer hatte am Freitagabend zum Neujahrsempfang der Stadt Bad Wurzach eingeladen und viele Ehrenamtliche, Vereinsvertreter, Unternehmer und Geschäftsleute der Stadt waren ihr gefolgt. Als besonderes Highlight des Empfanges präsentierte Stadtarchivar Michael Tassilo Wild noch einmal die Geschichtival-Ausstellung zum 750-jährigen Jubiläum der ersten urkundlichen Erwähnung und seinen Festvortrag.
Dass Bürgernähe für Alexandra Scherer nicht nur ein Wort ist, zeigte sie vor dem Eintritt in den Kursaal: Jeder Gast wurde von ihr per Handschlag und mit einigen persönlichen Worten begrüßt. Kein Wunder also, dass das offizielle Programm des Abends, zu dem die Stadtkapelle unter ihrer Dirigentin Petra Springer einige Stücke ihres vor Monatsfrist an gleicher Stelle gespielten Jahreskonzertes beisteuerte, mit einer leichten Verspätung begann.
Nach der Begrüßung hob sie – wie in jedem Jahr – eine Gruppe besonders hervor, um deren Verdienste zu würdigen: heuer die Freiwillige Feuerwehr mit ihren knapp 300 Aktiven in der Stadt und den Ortschaften, die im vergangenen Jahr besonders häufig zu Einsätzen gerufen worden war. „Wir wissen, dass wir uns in jeder Lebenslage auf unsere Feuerwehr verlassen können und sind sehr dankbar dafür. Gerade die jüngsten Einsätze, zum Beispiel der Brandeinsatz in Weitprechts oder die nächtliche Evakuierung des feelMOOR nach einem Alarm im Vitalium, haben uns wieder vor Augen geführt, dass eine gut ausgebildete und gut ausgestattete Feuerwehr Leib, Leben und Besitz der Bürgerschaft schützen, retten und uns vor noch Schlimmerem bewahren kann.“
15.161 Einwohner
Bad Wurzach sei eine Zuzugsregion und habe zum 31.12.2023 15.161 Einwohner gehabt, eröffnete sie ihren stichpunktartigen Rückblick auf die Ereignisse des abgelaufenen Jahres in der Stadt, die in der zum dritten Mal aufgelegten Jahreschronik von ihrem Mitarbeiter Martin Tapper sehr gut zusammengefasst worden sei, dem sie dafür eine ausdrückliche Anerkennung aussprach. Die Chronik lag am Freitagabend zur Mitnahme aus; sie ist für jedermann kostenlos an den üblichen Auslagestellen, so am Rathaus, bei der Bad Wurzach-Info oder den Ortsverwaltungen, erhältlich.
Die wichtigsten Projekte
Das Jahr 2023 habe wegen der andauernden Energiekrise mit Energiesparen für die Verwaltung begonnen; aber auch bei 19 Grad habe die Verwaltung gute Arbeit geleistet – wie das ganze Jahr über. Die Bürgermeisterin geizte nicht mit Lob für ihre Mitarbeiter beim Rückblick auf das Jahr. Bereits im Januar konnte der Haushaltsplan verabschiedet werden und rasch an die Umsetzung der geplanten Maßnahmen gegangen werden. Als Beispiele nannte sie die Ausschreibungen für das Feuerwehrgerätehaus Eintürnen im Frühjahr; der erste Spatenstich konnte dann bereits Anfang November erfolgen. Ebenfalls im Frühjahr konnten die Ausschreibungen für das sehnlichst erwartete Baugebiet St. Anton in Arnach und die Erweiterung des Gewerbegebiets Ziegelwiese erfolgen. Bei einem weiteren Großprojekt, der Hallensanierung in Seibranz, seien Vorbereitungen und Abstimmungen abgeschlossen. „Leider ist aber die Finanzierungszusage aus Berlin für den großen Zuschuss in Höhe von 1,3 Millionen € noch nicht da. Deshalb müssen wir mit dem Baubeginn noch warten, aktuell gehen wir von einem Baustart nach der Sommerpause aus. Das ist sehr ärgerlich.“ Erfreulich sei dagegen die Einweihung des sanierten Wohnmobilstellplatzes gewesen, mit dem die Stadt nun als Kur- und Erholungsort zusätzlich punkten könne.
Zwei bemerkenswerte Gründungen
„Das Jahr 2023 war ein Jahr des bürgerschaftlichen Engagements und geprägt von herausragendem ehrenamtlichem Einsatz!“ Mit diesen Worten ging Alexandra Scherer auf zwei sehr bemerkenswerte Gründungen ein: Im Frühjahr wurde die Kurhaus Bad Wurzach eG, die Genossenschaft für den Betrieb des Kurhauses, gegründet und im Herbst die Bürgerstiftung Bad Wurzach.
„Die Bürgerstiftung wurde initiiert und ist getragen von Menschen, die fest in und mit der Stadt verwurzelt sind und die Verantwortung über das eigene, persönliche Interesse hinaus übernommen haben. Die Bürgerschaft hat dieses großartige Engagement mit einer überwältigenden finanziellen Beteiligung an der Stiftung innerhalb kürzester Zeit und einem damit bereits sehr beachtlichen Stiftungsvermögen honoriert!“
„Und auch die Gründung der Kurhaus Bad Wurzach eG ist eine Erfolgsgeschichte, und zwar schon deshalb, weil mit dieser Genossenschaft dieses für Stadt und Bürgerschaft so wichtige Haus künftig gemeinsam getragen wird!“ Ihr großer Dank ging an die Initiatoren der Stiftung und der Genossenschaft. „Ich bin sicher, dass die Bürgerschaft bei beiden Projekten auch weiterhin gewogen, aufgeschlossen und beteiligt bleibt.“
Agenda für 2024
Auf der Agenda für dieses Jahr stünden die Sanierung der Jugendräume, die Erweiterung des Kindergartens Dietmanns, die Weiterentwicklung des Kita-Konzeptes, die Schulkindbetreuung und die Friedhofssanierung.
Auch aus dem letzten Jahr bereits bekannte Themen aus dem Bereich Natur- und Klimaschutz würden erneut die Stadt begleiten: „Die Stichworte sind hier der Turm im Wurzacher Ried, die geplanten Windkraftanlagen oder das angebotene Biosphärengebiet.“
Ebenfalls das Dauerthema Breitbandausbau, das für die Flächengemeinde Bad Wurzach „in allen Aspekten eine riesige Dimension hat.“
Ein wichtiges Datum wird der 9. Juni 2024 sein, wenn Kommunalwahlen und die Europawahl stattfinden werden. Sie wie später auch Klaus Schütt als Sprecher des Gemeinderates appellierten an den Gemeinsinn der Bürger, sich zur Wahl zu stellen.
Monika Czernin und Sepp Mahler
An kulturellen Glanzpunkten im vergangenen Jahr erwähnte Scherer die Vergabe des Friedrich-Schiedel-Literaturpreises an Monika Czernin und die posthume Auszeichnung von Sepp Mahler mit dem Gregor-Gog-Preis. Auch der nahtlose Übergang bei der Leitung der städtischen Galerie von Rosemarie Stäbler auf Christine Linge und Doris Schäfer wurde von der Bürgermeisterin lobend erwähnt.
Vereinsjubiläen und das Stadtjubiläum
Die Schalmeien D´Riedspatzen feierten 40-jähriges Bestehen und das Jugendrotkreuz gibt es seit 50 Jahre. Beide Jubiläen wurden gebührend gefeiert. „Und wir haben als Stadt zusammen mit der Bürgerschaft ein großartiges, viertägiges Jubiläumsfest anlässlich der erstmaligen Erwähnung Wurzachs als „oppidum wurzun“ vor 750 Jahren feiern können.“
„Aufgrund der großen Nachfrage und des tollen Erfolges haben wir heute hier im Kursaal die extra dafür konzipierte Ausstellung noch einmal aufgebaut und Herr Stadtarchivar Wild wird für uns im Anschluss als kleine Retrospektive die interessantesten geschichtlichen Aspekte noch einmal kurzweilig Revue passieren lassen.“
Vertrauensvolle Zusammenarbeit
Die Bürgermeisterin dankte allen örtlichen Akteuren für die „gute, vertrauensvolle und kompromissbereite Zusammenarbeit“, den Unternehmen, Vereinen, Kirchen, Schulen, allen Institutionen und vor allem den zahlreichen Ehrenamtlern. Zusammen werde man es auch in diesem Jahr schaffen, für alle anstehenden Aufgaben Lösungen zu finden. Die Verwaltung werde gerne mit großem Engagement ihren Teil zu einer positiven Entwicklung der Stadt beitragen. Sie sei überzeugt davon, dass die Gremien der Stadt gemeinsam mit engagierten Bürgern die Zukunft in Bad Wurzach gut gestalten können. Ihr Dank ging abschließend an alle Gemeinde- und Ortschaftsräte, namentlich an ihre Stellvertreter Klaus Schütt, Karl-Heinz Buschle und Sibylle Allgaier.
Die Ansprache von Klaus Schütt
Klaus Schütt, der im Namen des Gemeinderates sprach, eröffnete seinen Beitrag mit einem Zitat aus dem preisgekrönten Buch der Literaturpreisträgerin Monika Czernin. In einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann spricht Goethe über die Vollkommenheit der Menschheit: „Könnte man die Menschheit vollkommen machen, so wäre auch ein vollkommener Zustand denkbar; so aber wird es ewig herüber- und hinüberschwanken, der eine Teil wird leiden, während der andere sich wohl befindet, Egoismus und Neid werden als böse Dämonen ihr Spiel treiben, und der Kampf der Parteien wird kein Ende haben.“ Klaus Schütt stellte die (rhetorische) Frage: „Kann die Menschheit jemals vollkommen werden? Im vergangenen Jahr war sie ist davon weit entfernt, ja hat sich davon abgewendet. Kriege, und nochmals Kriege, aus Machtgier und Menschenhass entstanden, bestimmen unsere Welt. Nachrichten von terroristischen Anschlägen füllen unsere Nachrichtensendungen. Die Flüchtlingsströme nach Europa und im Gaza-Streifen reißen nicht ab. Unsägliches Leid, auch bei der Zivilbevölkerung, wird brutal mit einkalkuliert.“ Warum das so ist, habe Alfred Nobel auf den Punkt gebracht: „Warum ist es so schwer den Frieden zu finden, weil es noch kein Mittel gegen die Dummheit gibt.“
Schütt thematisierte den Hass, der auch in unserem Land von extremistischen Vereinigungen geschürt wird und der dazu führe, dass viele Menschen sich nicht mehr sicher fühlen. „Wir alle sind dazu aufgerufen, unsere Aufgabe als „Verfassungsschützer“ wahrzunehmen. Gerade unsere jüngste Geschichte lehrt uns, wie Hass enden kann.“ Alle müssten dazu beitragen, Krieg und Hass mit den christlichen Werten Glaube, Liebe, Hoffnung zu überwinden.
„Kommunen zunehmend überfordert“
„Wieder einmal sprechen wir von einer Zeitenwende. Wieder sprechen wir davon, dass die Welt im Umbruch ist. Die Weltordnung verschiebt sich, politisch und wirtschaftlich. Kann unser Land mithalten, kann Europa mithalten? Verlieren wir den Anschluss zur Weltwirtschaft, werden wir gar abgehängt? Die von uns Menschen verursachte Klimaveränderung wird zur Klima-Katastrophe auf unserer Erde, stellt die ganze Welt vor große Herausforderungen. Es ist unsere Pflicht, unseren Kindern und Enkeln eine sichere Zukunft zu geben, die Klima-Katastrophe noch abzuwenden.“
Er sei der festen Überzeugung, dass die Menschen in Deutschland bereit sind, für die Energiewende ihren Beitrag zu leisten. Doch mit „nicht zu Ende gedachten politischen Entscheidungen“ könne keine Akzeptanz erreicht werden. Damit würden die Menschen, aber auch die Kommunen finanziell überfordert.
„Nicht verlässliche Förderpolitik”
Klaus Schütt übte heftige Kritik an einer zunehmend unzuverlässigen Förderpolitik des Staates, sprach von Fördertöpfen, die plötzlich leer seien und von Förderprogrammen, die plötzlich eingestampft würden. Dadurch verlören immer mehr Menschen das Vertrauen in die Politik. „Wir erleben derzeit, wie fragil und verletzlich die Demokratie sein kann, ja ist.“
Der Wohlstand sei gefährdet, heiße es oft in den Medien. Sei Wohlstand nur mit Reichtum gleichzusetzen? „Ist Wohlstand nicht auch: Ich fühle mich wohl in meinem Land, in meiner Heimat, ich fühle mich sicher, ich habe Vertrauen in die Politik und unsere Soziale Marktwirtschaft? Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft müssen wieder lernen, den Menschen in unserem Land zuzuhören. Politik lebt von Kompromissen, nicht von ideologischen Wertvorstellungen. Wir ersticken in Vorgaben und Auflagen.“
„Politiker, geht zu den Menschen wie einst Kaiser Joseph II.”
Klaus Schütt rät den Regierenden, wie Kaiser Joseph II. in dem Buch von Monika Czernin, ohne großen Tross durch das Land zu reisen und sich die Sorgen und Nöte der Menschen anzuhören.
Am Ende seiner Rede dankte der Bürgermeister-Stellvertreter und Sprecher des Gemeinderates der Bürgermeisterin für ihre Neujahrsansprache. „Sie haben damit deutlich aufgezeigt, was eine Solidargesellschaft, und ein soziales Netzwerk für unsere Stadt bedeutet.“ Dies funktioniere jedoch nur durch das hohe bürgerschaftliche Engagement vieler Menschen in der Stadt. Diesen Menschen wolle er besonders danken. Sein Dank ging auch an die Verwaltung, die ihre Aufgaben in hervorragender Weise erledigt habe.
Aufruf zu kandidieren
Zugleich wiederholte er seinen Aufruf, den, die er bereits im Vorjahr an gleicher Stelle ausgesprochen hatte: „Stellen Sie sich als Kandidatin/Kandidat für eines der kommunalen Gremien zur Verfügung. Helfen Sie mit, unsere Stadt zu gestalten und in die Zukunft zu führen.“
Die Ansprache von Stadtarchivar Michael Tassilo Wild
Nach einem weiteren Musikstück der Stadtkapelle ließ Stadtarchivar Michael Tassilo Wild noch einmal das Geschichtival – die beim Stadtjubiläum in Maria Rosengarten gezeigte Ausstellung war im Kursaal noch einmal zu sehen – mit einem Vortrag Revue passieren. Seine Aufgabe – und die des Teams Geschichtival – sei „die Quadratur des Kreises“ gewesen. Denn: „Wir hatten überhaupt nichts.“ So eine Urkunde aus dem Mittelalter, wie jene, in der Wurzach das erste Mal erwähnt wird (als „oppidum wurzun“), beweise nur, dass damals Zeugen anwesend waren. Mit „oppidum“ wurde damals ein befestigter Platz, ein Markt und ähnliches, nicht aber eine Stadt, bezeichnet. Da es sich um eine Stiftungsurkunde handelte, sei zu schließen, dass es damals in „Wurzun“ wohl schon ein Kloster gegeben habe. Das Jahr 1273, in dem die Urkunde entstand, war das letzte Jahr des Interregnums, mit dem eine Zeit beschrieben wird, in der es nicht den einen Kaiser gab, sondern viele sich als Thronanwärter gerierten, zwei von ihnen sogar von außerhalb des deutschen Reiches. In jenem Zeitabschnitt der Instabilität waren Oberschwaben und das Allgäu die Heimat vieler Adels- und Herrschergeschlechter, etwa der Staufer gewesen, erst danach übernahmen für viele Jahrhunderte die Habsburger die Macht im damaligen Reich. Die Urkunde selbst sei ein kirchliches Dokument. In den Klöstern wurde Wissen – auch Lesen und Schreiben – vermittelt. Die meiste Zeit dieser 750 Jahre standen die Menschen und Regierenden unter dem Schutzmantel der Kirche, wurde das Leben durch Religion bestimmt.
Nach einem letzten Musikstück der Stadtkapelle wurden rasch die Stühle zur Seite geräumt und bei Getränken und Häppchen wurden viele gute Gespräche geführt.
Text und Bilder: Uli Gresser
Beachten Sie unsere Bilder-Galerie. Es sind nicht alle von Frau Scherer und ihrem Mann Begrüßten abgebildet.
Unter Download finden Sie die Reden von Bürgermeisterin Alexandra Scherer und von Bürgermeister-Stellvertreter Klaus Schütt im Wortlaut.
Bürgermeisterin Alexandra Scherer bei ihrer Ansprache. Foto: Uli Gresser
Klaus Schütt spricht. Foto: Uli Gresser
Stadtarchivar Michael Wild bei seinem Vortrag. Foto: Uli Gresser
An den Seitenwänden im Kursaal waren die Info-Fahnen vom Geschichtival, der 750-Jahr-Feier, aufgehängt. Foto: Uli Gresser