Nicht jeder Turmbau-Gegner ist ein Gemeinderatsgegner
Zum Artikel „Stadtverwaltung nimmt zu Bürgerbegehren Stellung“ (DBSZ vom 6. Juni)
Die Stellungnahmen gegen den Turmbau erfolgen aus teilweise völlig unterschiedlichen Positionen, oft finden sich innerhalb derselben Gruppe Befürworter und Gegner. Auch unter solchen, die sonst nichts miteinander zu tun haben wollen.
Verbindungen zu Öffnungszeiten von städtischen Kindergärten – wie von Frau Scherer ausgeführt – dürften wohl die wenigsten der Gegner zu ihrer Einstellung bewogen haben. Eher dürfte die Frage, ob mit den ca. 600.000 €, die bei der Stadt hängen bleiben könnten, nicht andere offensichtlich notwendigere Maßnahmen finanziert werden könnten. Sicherlich war es ein Zufall, dass auf der gleichen Seite der „Schwäbischen Zeitung“ vom 25. Mai, S.14, in der über das Bürgerbegehren mit möglichem Bürgerentscheid berichtet wird, ein Artikel über fehlende Kindergartenplätze in Hauerz erschien, dessen Überschrift erklärt, dass keine (finanzielle) Lösung für das Problem in Sicht ist.
Der Vergleich von Frau Scherer zwischen dem Kauf einer Waschmaschine für ca. 1000 € und dem Turmbau für rund 3 Millionen € und jährlichen Folgekosten von ca. 40.000 € hinkt, denn eine Waschmaschine braucht fast jeder, den Turm aber vermutlich die wenigsten. Auch sind Zuschüsse, gleich ob vom Land, Bund oder EU, kein geschenktes Geld. Was uns da großzügig offeriert wird, wurde uns vorher in Form von Steuern und Abgaben abgeknöpft. Solche „Zuschüsse“ haben in der Geschichte schon häufig zu unsinnigen Ausgaben geführt.
Andere Gesichtspunkte, zum Beispiel Eingriffe für Wegebau und ein Betonfundament, eine schwerlastfähige Zufahrt für den Beton-LKW, für einen Bagger, für schwere LKW für das sonstige Baumaterial und, je nach Bauweise, gegebenenfalls für einen Kran, sehen viele Gegner als unvereinbar mit dem Gedanken des Natur- und Artenschutzes an. Zweifellos würde hier eine Großbaustelle in einem Gebiet entstehen, von dem Normalbürger wegen der angeblichen Gefahr, Trittschäden zu verursachen, bisher ferngehalten werden.
Auch Brutgebiete seltener Vögel in der Nähe des angedachten Standortes sind ein weiterer Grund für die Ablehnung. Der Beschwichtigungsversuch, die Bauarbeiten würden außerhalb der Brutzeit stattfinden, ist lächerlich, da diese Vögel in nächsten Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit versuchen werden, die alten Brutreviere zu besiedeln und sie dann durch den Besucherbetrieb gestört und zur Abwanderung gezwungen wären.
Der angeblich unumgängliche Einbau eines Elektroaufzuges stößt vielen Mitbürgern zusätzlich auf. Ist es wirklich eine untragbare Zumutung, die Einsicht zu verlangen, dass man mit fortgeschrittenem Alter, auf Grund von Krankheit, von Unfallfolgen oder sonstiger Behinderung, nicht mehr überall problemlos hinkommt?
Der Turm auf dem Schwarzen Grat ist ein reiner Landschafts-Schauturm. Der Bad Wurzacher Turm soll nach dem Konstruktionsprinzip „eierlegende Wollmilchsau“ ein Multifunktionsturm mit Ausstellungen, Schautafeln usw. werden. Ganztägig vermutlich mit künstlichem Licht. Der Entwurf zeigt jedenfalls keine Fenster.
Nicht nur mich, auch ortsfremde Personen, stört die optische Wirkung mit den schwarzen, angekohlten Brettern. Die allgemeine Reaktion: „Das sieht aber hässlich aus.“ Soll denn ein Bauwerk mit dem Ambiente eines Krematoriums oder Mausoleums ein Wahrzeichen unserer Stadt werden? Soll seine Bretterbeplankung mit ihrem maximal unnatürlichen Aussehen, als ob die Feuerwehr ihre Löschversuche zu spät begonnen hätte, ein Beweis für unsere „Naturverbundenheit“ und „Bodenständigkeit“ werden?
Beim Turm auf dem Schwarzen Grat haben sich seit Jahrzehnten unbehandelte Fichtenbretter bewährt. Dort, wo diese, da ursprünglich zu dick gewählt, Risse bekamen, wurden sie nach ca. 50 Jahren an einigen Stellen durch etwas dünnere Bretter ersetzt. Dieser Turm besitzt nach mehr als 50 Jahren, allen Unkenrufen zum Trotz, unbehandelte Fichtenbretter würden bei dem rauen Höhenklima nur wenige Jahre durchhalten, immer noch eine ansehnliche Optik und wird, wenn ihn niemand anzündet oder der Blitz einschlägt, auch noch in 50 Jahren seine Besucher erfreuen. Heute würde man vielleicht unbehandelte Lärchenbretter nehmen. An den Schindeldächern einiger Gebirgsdörfer kann man die Widerstandsfähigkeit dieser Holzart erkennen.
1971 kostete der Turmbau auf dem Schwarzen Grat 165.000 DM. Spenden aus den umliegenden Gemeinden und von Privatpersonen beliefen sich auf 11.000 DM, so dass der Schwäbische Albverein etwa 154.000 € zu tragen hatte. Einen erheblichen, nicht bezifferten Spendenanteil, machte sicherlich auch die Holzspende des Fürstenhauses aus den umliegenden fürstlichen Wäldern aus.
Es gibt also viele Vernunftgründe, bei einem Bürgerentscheid gegen den Turmbau zu stimmen! Selbstverständlich existieren auch ernstzunehmende Gründe für den Turmbau. Die Gegner des Turmbaus werfen der Verwaltung und dem Gemeinderat vor, die Gründe gegen den Turmbau unzureichend gewichtet zu haben!
Wer gegen den Turmbau stimmt, stellt sich deswegen nicht grundsätzlich gegen die Arbeit des Gemeinderates und der Verwaltung, will aber eine Fehlentscheidung zum Wohle unserer Gemeinde korrigieren und braucht sich deshalb auch kein schlechtes Gewissen einreden zu lassen.
Vielleicht erinnern sich einige Leser noch an den erfolgreichen Bürgerentscheid gegen das „Neue Stadttor Isny“ nach den Plänen des Schweizer Architekten Peter Zumthor. Obwohl in Isny die Verwaltung und die Mehrheit der Stadträte mit „Engelszungen“ für das futuristische turmartige Tor warben und bei einer Ablehnung 350.000 € „in den Sand gesetzt“ wurden, zeigten mit 1814 Stimmen für den Turmbau und 4657 Gegenstimmen Isnys Bürger ihrer Verwaltung und ihrem Gemeinderat die „Rote Karte“. Nach der wahrnehmbaren Stimmung der hiesigen Bevölkerung zu prognostizieren, könnte ein Wurzacher Bürgerbegehren gegen den Turmbau im Ried zu einem ähnlichen Abstimmungsergebnis führen.
Mit etwas mehr Einfühlungsvermögen und weniger diktatorischem Durchsetzungswillen hätte dieser Bürgerentscheid vielleicht verhindert werden können.
Hans-Joachim Schodlok, Bad Wurzach
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