Neuntöter – Der Spießer
Bad Wurzach – Fanden Sie das Moor schon immer ein bisschen unheimlich oder gar gruselig? Dann wird es Sie sicher nicht wundern, dass sich dort aktuell der Neuntöter, auch Rotrückenwürger genannt, aufhält. An den Rändern des Rieds, wo Gehölze die Feuchtwiesen durchziehen, sitzt er hoch oben auf einem Busch und hat seine Umgebung gut im Blick – immer auf der Suche nach einem potenziellen Opfer.
Dabei ist der Singvogel, der kleiner als eine Amsel ist, gar nicht so grausam, wie sein Name impliziert. Denn er tötet weder neun Opfer, wie früher im Volksglauben vermutet wurde, noch erwürgt er seine Beute. Dennoch hat der Neuntöter ein ungewöhnliches Nahrungsverhalten: Beutetiere, die er nicht sofort verzehrt, werden auf Dornen aufgespießt, um sie dort für einen späteren Zeitpunkt aufzubewahren. Klassische Vorratshaltung also. So findet man in Hecken und sogar an Stacheldrähten bisweilen Insekten, Insektenlarven, kleine Reptilien oder – spätestens jetzt wird es etwas unheimlich – eine Maus. Die Beute wird mitunter zuvor entstachelt oder zerteilt.
Für diese Lebensweise benötigt der Neuntöter eine strukturreiche Landschaft mit offenen Plätzen zum Beutefang und Sonnenbaden, einem reichhaltigen Nahrungsangebot und natürlich mit ausreichend Sträuchern und Dornengebüschen. In diesen legt der Neuntöter auch seine Nester an. Sonnige, trockene Gebiete, Waldränder und Aufforstungen oder eben Moorgebiete können hierfür geeignet sein. Die Vögel überwintern im tropischen Afrika und sind etwa von Mai bis September in unseren Regionen anzutreffen. Zur Brutzeit sind sie als Paar unterwegs und sehr territorial. Das Männchen ist recht farbenfroh mit einem rotbraunen Rücken, hellrosa Brust und Bauch und schwarzem Schwanz. Sehr markant ist der Kopf mit grauer Oberseite, weißer Kehle und einem schwarzen Augenstreif, der an eine Zorro-Maske erinnert. Das Weibchen ist oberseits rotbraun gefärbt, hat eine cremeweiße Unterseite mit brauner Querbänderung und eine braune Augenmaske, die nicht so stark abgesetzt ist wie beim Männchen.
Innerhalb ihres Brutrevieres haben Neuntöter oft bevorzugte Sitzwarten, wie Sträucher, Bäume, Zaunpfähle oder andere exponierte Orte. Je nach Tageszeit und Sonnenstand können diese auch wechseln. Im Wurzacher Ried lassen sich Neuntöter aktuell zum Beispiel am westlichen Riedrand im Bereich der Riedschmiede oder entlang des Radweges zwischen Dietmanns und Albers beobachten. Halten Sie dort also Ausschau nach Zorro und bleiben Sie gelassen, wenn Sie aufgespießte Tiere entdecken. Und wenn Sie noch weitere ungewöhnliche Nahrungsstrategien kennenlernen möchten, dann freuen Sie sich schon mal auf die nächsten Moor-Momente.