Lärmaktionsplan und Verkehrskonzept sorgen für Diskussionen im Rat
Bad Wurzach – Der vom Fachbüro Rapp aus Freiburg erstellte Lärmaktionsplan (LAP), der erstmals 2014 auf der Agenda des Gemeinderates stand, erhielt nun seine dritte Fortschreibung. Wolfgang Wahl als Vertreter des Büros Rapp stellte die Wirkungsanalyse der bisher getroffenen Maßnahmen und das Verkehrskonzept für die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt vor. Nach einer vierwöchigen Öffentlichkeitsanhörung wird der Gemeinderat noch einmal über die Ergebnisse beraten und bei der Unteren Verkehrsbehörde, dem Landratsamt, den Antrag stellen, gegebenenfalls Tempo 30 zu genehmigen. Ziel des Verkehrskonzeptes ist die Verringerung des innerstädtischen Durchgangsverkehrs um 2500 Fahrzeuge pro Tag. Die vorhandenen Umgehungsstraßen lobte der Verkehrsplaner als vorbildlich, eine Verlagerung des Durchgangsverkehrs dahin als sinnvoll und machbar.
Lärmaktionsplan soll verkehrssteuernd wirken
Maßnahmen zur Lärmminderung und Verkehrssteuerung sollen sein: ganztags Tempo 30 auf der Ravensburger Straße sowie auf der Biberacher Straße. Auch für die Leutkircher Straße wird eine Umsetzung von Tempo 30 empfohlen. Wahl hält dies dort trotz der geringeren Betroffenheit, da die Häuser dort etwas weiter von der Fahrbahn weg sind, auch für verhältnismäßig. Dies gelte auch für die Kirchbühlstraße auf den letzten 85 Metern bis zur Einmündung in die Memminger Straße.
Karl-Heinz Buschle (FWV) fand die Maßnahmen „übertrieben“. Er nannte es ein Maximalkonzept. Seiner Meinung nach wäre eine Testphase sinnvoll. Etwa die Reduzierung auf der Memminger Straße ab der Einmündung Lindenweg von 50 auf 30. Oder auf der Ravensburger Straße ab Abzweig Schulzentrum. Und zeitlich erst mal nur nachts.
Wahl antwortete ihm: „Maximalkonzept war im Herbst. Wenn sie den Durchgangsverkehr heraushaben wollen, ist das aber sinnvoll.“ Ravensburg habe ursprünglich Tempo 30 nur nachts eingeführt, hat aber, nachdem die Grenzwerte abgesenkt wurden, dies jetzt ganztags eingeführt.
Baurechtsexperte Andreas Haufler sagte dazu, der LAP sei ein Instrument, bei dem man sich nicht nur auf den Lärm festlegen dürfe. Klaus Schütt (CDU) stimmte ihm zu, das Tempolimit gehöre auch mit zum Verkehrskonzept. Denn nach dem Neubau des Norma dürfe der Einkaufsverkehr nicht durch die Stadt führen, sondern gehöre auf die Umgehungsstraßen. Bürgermeisterin Alexandra Scherer erklärte: „Ohne Lärmaktionsplan lässt sich auch das Verkehrskonzept nicht durchsetzen.“
Franz-Josef Maier (MirWurzacher) fragte, warum die Tempo-30-Zone in der Biberacher Straße nicht für die gesamte Strecke gelte. Bürgermeisterin Scherer pflichtete ihm bei: „Bei den Parkplätzen beim Sportplatz müssen die Autofahrer oft rückwärts ausparken.“
Rainer Deuschel (Bündnis90/Die Grünen) erklärte: „Wir müssen den Spielraum ausnützen und einheitliche Regelungen auch für die Ortschaften schaffen.“
Manfred Braun (FWV) sagte: „Wir müssen die Bürger bei den Planungen mitnehmen, damit sie die Maßnahmen annehmen.“ Das Umfahren der Innenstadt über die Harry-Wiegand-Straße sei bequemer als das Fahren durch die Innenstadt mit Kreuzungen und Engstellen; man müsse sich das nur angewöhnen. Ähnlich äußerte sich Kurt Miller, ebenfalls von den Freien Wählern, der Tempo 30 als Frage der Selbsterziehung beschrieb.
Der Vorschlag von Marga Loritz (CDU), eine kleine Fußgängerzone in der Stadt einzurichten, um den Durchgangsverkehr herauszubekommen, wurde als nicht sinnvoll für eine Kleinstadt angesehen. Gegen den “Pfropfen” sprach sich auch Sybille Schleweck (Ortsvorsteherin in Ziegelbach und Geschäftsinhaberin in der Innenstadt) aus. Norbert Fesseler (FWV) sagte, dass Tempo 20 in der Stadt leider nicht beachtet werde. Hier würden nur verstärkte Kontrollen helfen. Er sieht in den parallel verlaufende Straßen „Memminger Straße“ und den „Wiesenweg“ eine überflüssige Dopplung.
Klaus Schütt bat darum, bei Deckenerneuerungen bei Bundes- und Landstraßen den jeweiligen Bauträgern den Einbau lärmmindernden Asphalt ans Herz zu legen. Genau daran habe das Land bei der Sanierung der L300 in der Ortsdurchfahrt Haidgau gedacht, sagte Bürgermeisterin Alexandra Scherer. „Und hat uns damit überrascht.“
Die Einführung von Tempo-30-Zonen anzugehen wurde bei drei Gegenstimmen von Buschle, Fesseler und Frick (alle FWV) vom Gemeinderat beschlossen. Das beschlossene Konzept geht nun in die öffentliche Auslegung.
Kein Wort zu Brugg
Mit keinem Wort ging Wolfgang Wahl (Büro Rapp) bei seinem Sachvortrag vor dem Gemeinderat auf die Lärmbelastung im Südabschnitt der B465 ein, also im sehr stark befahrenen Bereich zwischen Bad Wurzach und Brugg – und das, obwohl die gesamte Einwohnerschaft von Brugg mit einer Unterschriftenliste Lärmschutz gefordert hatte. Auch führte Wahl nichts zur Höhe des Dammes aus, auf dem die Bundesstraße im Bereich Brugg liegt; zuvor, unter dem Tagesordnungspunkt „Fragen der Bürger“, hatte B456-Anlieger Gerhard Reischmann danach gefragt und die Frage dem Verkehrsfachmann vom Büro Rapp auch schriftlich ausgehändigt.
Als Reischmann, der die Unterschriftenliste am 15. September 2023 der Stadt übergeben hatte, am Morgen nach der Gemeinderatssitzung per Mail das Nichteingehen auf das Anliegen der Petenten und die Nichtbeantwortung der Damm-Frage monierte, erhielt er bereits zur Mittagszeit einen Zwischenbescheid von Stadtplaner Andreas Haufler und tags darauf, am Nachmittag des 29. Januars, Auskunft über Dammhöhe und eingerechnete Verkehrsmenge. In seiner Replik wies Reischmann die Einschätzung aus dem Entwurf des Lärmaktionsplanes (LAP 2025, S. 35) zurück, wonach die Betroffenheiten im Bereich der B465 Süd „sehr gering“ seien, und forderte eine aktuelle messtechnische Erfassung der Lärmsituation.
Nebeneffekt: mehr Sicherheit
Die Brugger Bürger – es haben alle Gebäudebesitzer und Mieter unterschrieben – streben eine Lärmminderung über die Herabsetzung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h auf 60 km/h an. Willkommener Nebeneffekt: Die gefährliche Brugger Kreuzung würde entschärft.
Verkehr in der Innenstadt
Bürgermeisterin Alexandra Scherer erklärte bei der Vorstellung des Verkehrskonzeptes für die Innenstadt vorab, das von Wolfgang Wahl vorgestellte Konzept werde ebenso wie der Lärmaktionsplan für vier Wochen in die Öffentlichkeitsanhörung gehen.
Karl-Heinz Buschle vertrat bei der Diskussion den HGV-Standpunkt. Bad Wurzach sei – auf den Kernort bezogen – eine Kleinstadt, die nicht mit den anderen Städten ähnlicher Größenordnung in der Umgebung vergleichbar sei. Eine Fußgängerzone wäre für den Handel „tödlich“. Die Geschäfte müssten erreichbar sein. Überhaupt sei er der Meinung, dass die Vertreter des Handels- und Gewerbevereins (HGV) bei solchen Entscheidungen mit am Tisch sitzen sollten. Dem widersprach die Bürgermeisterin: Beratung und Entscheidung seien Sache des Gemeinderats; der HGV sei eingeladen, während der Auslegungsfrist eine Stellungnahme abzugeben. Mehrfach wiederholte die Bürgermeisterin diese an die Öffentlichkeit gerichtete Einladung. Sie möchte das Verkehrskonzept auf eine breite Akzeptanzbasis stellen.
Buschle nahm zudem den öffentlichen Nahverkehr aufs Korn: Die Omnibusse müssten aus der Stadt heraus, sie bildeten eine Gefahr für die Fußgänger. Es sollten Querungshilfen an bestimmten Stellen für diese eingerichtet werden. Bürgermeisterin Scherer wies darauf hin, dass die Bedienung der Innenstadt mit Bussen verkehrspolitisch Sinn mache.
Wolfgang Wahl verspricht sich einiges von Tempo 30, um die Innenstadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Da müsse man schauen, was sich zum Positiven ändere, andernfalls müsse man „die Daumenschrauben anziehen“. Er sieht auch die negativen Aspekte, die möglich sind: dass die Leute in der Innenstadt Ausweichrouten nehmen.
Auch Sybille Schleweck äußerte sich zum Thema Busse. Sie vertrat die Ansicht, dass Schulbusse durchaus nicht durch die Stadt fahren müssten. Allerdings seien diese nicht für den Stop-and-go-Verkehr in der Rush-Hour verantwortlich. Auch die Elterntaxis gehörten raus. Eine Fußgängerzone sei „unattraktiv“. Als Innenstadt-Händlerin sprach sie Klartext: „Wir brauchen die Autos.“
Norbert Fesseler (FWV) brachte die Möglichkeit eines Einbahn-Verkehrs durch die Stadt zur Sprache. Wahl sieht darin keine Lösung. Durch den fehlenden Gegenverkehr erhöhe sich das Tempo und auch die Fahrleistung reduziere sich nicht; im Gegenteil: In der Summe würde mehr gefahren.
Ernestina Frick (FWV) erklärte, zwei Drittel der Bevölkerung lebten in den Ortschaften und kämen mit dem Auto in die Stadt; daher sei es wichtig, dass genügend Parkplätze vorhanden seien; das gelte auch für in der Innenstadt Beschäftigte. Weil in den Ortschaften viele Ältere lebten, müssten Ärzte, Physios und Apotheken gut mit dem Auto erreichbar sein. Auch sie hielt die Einbindung des HGV für wichtig.
Klaus Schütt (CDU) forderte, dass begleitende Maßnahmen wie das Radweg-Konzept schnell angegangen werden sollten. Stadtbaumeisterin Kathleen Kreutzer sagte, das Konzept stehe voraussichtlich bis Frühjahr.
Ewald Bodenmüller (DU) warnte vor einem kleinteiligen Tempolimit-System; nicht dass ein „Flickerlteppich wie in Leutkirch entsteht“.
Ewald Riedl (CDU) brachte auch die Navi-Hersteller und den Routenplaner von Google ins Spiel. Wahl erklärte dazu, dass Änderungen in der Verkehrsführung, auch die Tempo-30-Vorgaben, automatisch in solche Systeme eingepflegt würden.
Bei der Abstimmung stimmte der Grüne Rainer Deuschel als einziger dagegen. Der Antrag der Grünen auf versuchsweise Sperrung der Durchfahrt im Bereich des Stadtbrunnens wurde nicht mehr zur Abstimmung gebracht, da die Annahme des Verwaltungsvorschlages weitergehend war.
Uli Gresser
Unter „Downloads“ finden Sie die Präsentation „Verkehrskonzept Innenstadt“, vorgetragen von Wolfgang Wahl (Rapp AG) in der Gemeinderatssitzung am 27. Januar, sowie den Entwurf der Fortschreibung des Lärmaktionsplanes, der so vom Gemeinderat zur Kenntnis genommen wurde und der demnächst öffentlich ausgelegt wird, damit die Bürger hierzu Stellung nehmen können.