Ideen gegen die Einsamkeit
Bad Wurzach – Pastoralreferent Matthias Winstel lud gemeinsam mit Gemeinwesensarbeiterin Susanne Baur zu der Ideenbörse an diesem Mittwochabend (29.01.) ins Pius-Scheel-Haus ein – mit einer guten Resonanz, wie weit über 20 Engagierte aus verschiedenen Gruppierungen und Institutionen zeigten.
Auch junge Menschen betroffen
Wie die im Mai 2024 veröffentlichte Einsamkeitsstudie zeigt, sind von Einsamkeit nicht nur ältere Menschen, sondern auch junge Menschen betroffen und das mit zunehmender Tendenz. Die seelischen Folgen sind gravierend, vor allem und zunehmend unter Jugendlichen, obwohl diese doch sozial, überwiegend medial vernetzt sind (Stichwort: „soziale Medien“).
Was können wir tun?
„Was können wir tun?“ Diese Frage hat sich eine Gruppe von Menschen gestellt, die sich in Bad Wurzach sozial engagiert und ist dabei auf die Veranstaltung dieser Ideenbörse gekommen. Ortsvorsteher, Gemeinderäte, Vorstandsmitglieder des Stadtseniorenrates, der Nachbarschaftshilfe, Sozialarbeiter, aber auch Vertreter der Kirchen und von Vereinen sowie Peter Depfenhart von der Bad Wurzacher Bürgerstiftung kamen zu diesem ersten „Brainstorming“.
Matthias Winstel führte nach der Begrüßung mit einigen Videoeinspielern in das Thema ein. Gerade junge Menschen, trotz guter Vernetzung mit den sozialen Medien hatten sehr unter der damals erzwungenen Einsamkeit während Corona gelitten. Wie man sie da wieder herausholen kann, zeigte das Beispiel des ersten gezeigten Videos über die Aktion „Let´s connect“. „Jugendliche sind zwar gut vernetzt, kommen aber im richtigen Leben häufig nicht mit sich selber klar,“ zitiert Winstel aus der Studie. Folgen der Einsamkeit sind – nicht nur, aber vor allem – bei Jugendlichen ein geringeres Vertrauen in politische Institutionen und damit auch grundsätzlich weniger Vertrauen in unsere Gesellschaft.
Fehlen von persönlichen Kontakten
Rund acht Millionen Menschen seien in Deutschland von Einsamkeit betroffen, mit den entsprechenden Folgen: Ein Anstieg von psychischen und körperlichen Krankheiten, deren Anzahl sich nach Corona weiter erhöht hat. Risikofaktoren seine das Fehlen engerer Beziehungen, aber auch Arbeitslosigkeit und das alleine erziehen von Kindern. Auch die Art des Umgangs – unter anderem durch das Fehlen von persönlichen Kontakten – habe sich gewandelt. Wichtig sei, um die psychische Belastung z.B. bei Krisen zu mildern, eine Entstigmatisierung der Gesellschaft.
Klaus Schütt widersprach ein wenig den Ergebnissen der Studie, weil Jugendliche auf dem Land gut in den Vereinen eingebunden seien. Gisela Brodd wiederum verwies darauf, dass es vieles, was es früher gab, z.B. regelmäßige Tanzveranstaltungen zur Kontaktpflege, es heute nicht mehr gibt. „Stattdessen datteln sie vor allem am Computer.“ Edmund Butscher berichtete aus seiner Erfahrung als Schulsozialarbeiter. Es gebe auch Menschen, die in Gesellschaft einsam seien: Sonderlinge, die sich isolierten, oder die von Anderen vielleicht wegen ihres Aussehens ausgeschlossen werden. Aber auch die Familie selbst habe sich verändert, oft fehle die Zeit fürs gemeinsame Essen, also die Zeit, in der am ehesten miteinander gesprochen werde, ergänzte Brodd.
Susanne Baur sagte, es sei schon ein Spagat: Auf der einen Seite müsse man heute in der digitalen Welt fit sein, auf der anderen Seite bestehe das Menschliche auch aus mehr – wie etwa Zuwendung. An fünf „Flipcharts“-Tischen sammelten danach die verschiedenen Gruppen Ideen, wie man als Gruppe die Einsamkeit überwinden kann. Da kam etwa die Idee für ein spontanes, gemeinsames Picknick im Kurpark aus der Gruppe, die sich intensiv in der Gemeinwesensarbeit engagiert. Oder der Morgenohr genannte morgendliche Telefonanruf, um einfach ein Viertelstündchen mit den – in diesem Fall – Älteren ein wenig zu plaudern und ihnen ein wenig Teilhabe zu bieten.
Gemeinsames Kochen und Backen
Die Gruppe der Frauen aus Haidgau, die schon viele Erfahrungen, vor allem in der Seniorenarbeit vorzuweisen hatte, setzte auf niederschwellige Angebote auch von Vereinen. Das Schwätzbänkle ist in ihren Augen ein schon erprobtes Mittel, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Aber auch aktiv-Angebote wie Frauen- und Männertreff, gemeinsames Kochen und Backen, stellte Maria Schemmel im Namen der Gruppe die Ideen vor. Gemeinsames Backen, das hatten Gisela Brodd und Andrea Binzer als Elternvertreterin an der Werkrealschule festgestellt, habe allen Beteiligten sehr großen Spaß gemacht und den Gemeinsinn geschärft. Ein gemeinsames Vesper oder Mittagessen sei dafür ebenso geeignet. Und oft liegen die Ursachen, warum man nicht mehr miteinander spricht in uralten Streitereien, die meist wegen Kleinigkeiten entstanden waren. Die Förderung von Toleranz sei in der heutigen Zeit ebenfalls eine wichtige Aufgabe.
Thomas Grandl, der die Ergebnisse aus der Gruppe um Gemeinderat Kurt Miller und Pfarrerin Kuczera bekannt gab , stellte zunächst die Grundsatzfrage, die für alle bei dieser Ideenbörse wichtig war: Wie findet man heraus, dass jemand einsam ist? Ein neuer Aspekt wurde von dieser Gruppe auch ins Spiel gebracht: Man könnte doch auch mit der Pflegeschule, deren Schülerschaft sehr international ist, Kontakt aufnehmen, zumal sie ja auch u.a als Altenpfleger ausgebildet wird. Als konkrete Beispiele kam von der Gruppe etwa Christbaumloben sowie örtliche und regionale Kontaktaufnahme per Telefon. Und schließlich bereits vorhandene Angebote wie das Kulturcafé zu stärken.
Hingehen und klingeln
Die Gruppe um Edmund Butscher sah unter dem Titel „Früher war anders“ auch die negativen Seiten des Fortschrittes, etwa beim Medienkonsum der Jugend. Heute eine Geburtstags-Karte digital verschicken? Dann lieber bewusst hingehen, mutig sein und selbst klingeln und damit auch Multiplikatoren schaffen. Vor allem ältere Menschen brauchten Kommunikation, direkte Ansprache und Berührung, also Herz statt Kopf.
Mattias Winstel und Susanne fassten am Ende die Stoffsammlung zusammen: Baur fragte, wo es überall Schwätz-Bänkle gibt, so dass man da etwa eine Karte erstellen könnte. Matthias Winstel fand als Genießer die Idee vom gemeinsamen Pizza-Backen, zu dem jeder etwas für den Belag mitbringen solle, sehr charmant. Susanne Baur findet die Idee, Ostereier vor dem nahen Osterfest bei älteren Menschen vorbei zu bringen und mit ihnen ein wenig zu plaudern sehr schön.
Bürgerstiftung zeigt sich offen
Und Peter Depfenhart? Der Verwalter der Spenden und des Kapitals der Bürgerstiftung zeigte sich offen, bei entsprechenden Projekten diese auch finanziell zu unterstützen.
Text und Fotos: Uli Gresser
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