Haltet mehr Abstand zum Ried!
Am 8. Dezember wurde der Teilregionalplan Energie vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben (RVBO) beschlossen. In der beschlossenen Form geht er im Januar in die Offenlage; Bürger und die Träger der öffentlichen Belange noch Eingaben machen; die Bildschirmzeitung, deren Ausgabe “Der Wurzacher” sich beim Kampf um den Schutz des Riedes seit langem einbringt, appelliert im Zuge dieser letzten Nachjustierung an den Regionalverband: Haltet mehr Abstand zum Wurzacher Ried! Was derzeit laut Planentwurf Vorrang für Windkraft hat, ist aus Sicht des Riedschutzes inakzeptabel. Mit Osterhofen, Mennisweiler, Weitprechts und Humberg, auch Bauhofen (Diepoldshofer Wald), entstünde eine WKA-Kulisse, die den Blick aufs europadiplomierte Naturschutzgebiet ruinieren würde. Wir fassen die Situation rund ums Ried noch einmal zusammen; der nachstehende Text steht in der Bildschirmzeitung seit einigen Wochen schon online – unter wechselndem Titel und stets angepasst an den Stand der aktuellen Windkraftplanung. Er ist leider in hochdramatischer Weise aktuell:
Seit dem 22. November ist auch der “Alttanner Wald” im Teilregionalplan als Vorranggebiet eingestuft. Für das Ried bedeutet das, dass am Südrand des Wurzacher Beckens außer bei Mennisweiler eine weitere belastende industrielle Großanlage entstehen soll.
Laoco zieht “Hummelluckenwald” durch
Wie steht es um die Planungen im Hummelluckenwald bei Arnach-Humberg? Diese Zone ist im aktuellen Teilregionalplan nicht als Vorranggebiet deklariert. Aber hier fährt derselbe Projektierer wie bei Weitprechts-Alttann (Laoco aus Kirchdorf an der Iller) auf dem Ticket des Außenbereichsprivileges. Hier ist die Riednähe noch problematischer; verschärfend kommt noch die Nähe zum Vogelparadies Rohrsee dazu.
Wir fragten Christian Böhm, Geschäftsführer der Laoco GmbH an dieser Stelle: Wie halten Sie es mit dem Hummelluckenwald? Die Antwort (siehe Artikel “Nachgefragt” hier in der Bildschirmzeitung), eingegangen nach Wochen, nachdem wir instistiert hatten, lautet: „Wir stehen kurz vor der Antragstellung.“
Ähnlich erschreckend die Aussage vom Dr. Nadine Kießling im selben Artikel. Die stellvertretende Direktorin des Regionalverbandes lässt zwar durchblicken, dass die WKA-Erschließung des Hummelluckenwaldes nicht dem Planungsziel des RVBO entspricht; aber sie verweist zugleich auf die Privilegierung des Vorhabens durch die geltende Rechtslage.
Unverändert ist Osterhofen ein Vorranggebiet. Windkraft dort ist riedrelevant!
Nimmt man all die Planungen an der Wurzacher Gemarkungsgrenze in den Blick, wirkt die Äußerung der stellvertretenden Verbandsdirektorin Dr. Nadine Kießling, man habe eine riedschützende Abgrenzung vorgenommen, wie eine Nebelkerze.
Wir sind gespannt, was der Europarat dazu sagt.
Der “Alttanner Wald” sei auch deshalb zu einem Vorranggebiet geworden, weil dort die Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung gegeben sei, hieß es von Seiten der RVBO-Planer am 22. November. Im Umkehrschluss heißt das: Widerstand lohnt sich. Mal sehen, was sich in Beuren tut, wo der das Dorf dominierende Berg nun uneingeschränkt als Vorranggebiet klassifiziert ist (bisher nur “optionales” Vorranggebiet).
Isnys frisch wiedergewählter Bürgermeister Rainer Magenreuter hat Gefallen an den Windkraftplanungen in seinem Beritt. Mehr noch: Er tritt allen Ernstes für die “Verspargelung” der Adelegg ein. Aber da bekommen sogar die so bemühten Standortsucher vom Regionalverband Manschetten; sie schrecken davor zurück, das dunkle Herz des Allgäus – Titel eines Buches von Rudi Holzberger und Manfred Thierer – zu durchbohren.
Wie eilfertig die eigentlich mehrheitlich konservativ verortete Regionalversammlung und ihre Ausschüsse dem grünen Mainstream folgen, wird bei der Wasserflächen-Photovoltaik deutlich. Auf die Frage, ob der Bodensee hierfür nicht genutzt werden könnte, hieß die flappsige Antwort des Verbandsvorsitzenden Thomas Kugler in der Sitzung des Planungsausschusses am 22. November: “Dann könnte man ja trockenen Fußes in die Schweiz laufen.”
Das ist ein ökologischer Offenbarungseid. O sancta simplicitas!
Nachstehend unsere seit längerem schon online stehende und allein im Falle “Alttanner Wald” (siehe oben) angepasste Zusammenfassung der Windkraftsituation rund ums Wurzacher Ried:
Beim Blick auf die Karte mit den Windkraft-Vorranggebieten, die vor kurzem vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben (RVBO) benannt wurden, könnte man meinen, Bad Wurzach mit seinem europadiplomierten Ried sei gut davongekommen. Es sieht danach aus, als würden auf dem Gemeindegebiet so gut wie keine der bis zu 300 Meter hohen Windkraftanlagen errichtet werden.
Doch kann von Erleichterung oder gar Entwarnung nicht die Rede sein. Das Ried wird umstellt werden von diesen Großindustrieanlagen! Sie werden knapp jenseits der Gemarkungsgrenzen errichtet werden und optisch und physisch in das Ried hineinwirken.
Der ruinierte Sahne-Blick
Da ist zum einen der Bereich Osterhofen. Diese Zone wurde vom RVBO als Vorranggebiet für Windkraft eingestuft. Dort kann also ab Ende 2025, wenn der Energie-Regionalplan in Kraft tritt, mit Anspruch auf Genehmigung geplant werden – es sei denn, das Gebiet wird im Anhörungsverfahren aus dem Regionalplanentwurf wieder herausgenommen. Derzeit schon kann von Projektierern hier (wie überall) das Außenbereichsprivileg in Anspruch genommen werden.
Man hört von ersten Gesprächen der EnBW mit Grundstückseigentümern im Bereich Osterhofen. Die Rede ist von bis zu acht WKA, die dort errichtet werden sollen. Diese Anlagen werden den Höhenzug zwischen Haidgau und Eggmannsried deutlich überragen und mit ihren unruhigen Flügeln den Ried-Frieden stören. Für die Kurstadt Bad Wurzach wird dann der Sahne-Blick ruiniert sein, den Kurgäste, Wanderer, Radfahrer derzeit genießen können, wenn sie den Ried-rundum-Weg von Bad Wurzach über Dietmanns und weiter den Sonnenberg hinauf Richtung Friedlings gehen oder fahren.
Aber nicht nur der Blick vom Reischberg, von Albers, von Dietmanns zum Ried Richtung Ziegolz wird dann beschädigt sein. Auch der Blick übers Ried nach Südwesten wird stark beeinträchtigt sein. Geht es nach dem RVBO, so werden nämlich auch auf dem Blasiberg bei Mennisweiler WKA stehen. Das ist auf der Südseite des Riedes.
Nicht genug damit. Steigt der Wandersmann auf die Grabener Höhe, wo die Stadt Bad Waldsee mit einem neuen Freizeitgelände lockt, und schaut er nach Osten, wo sich das Achtal öffnet, um den Blick auf ein sensationelles Alpenpanorama* freizugeben, wird er künftig hinnehmen müssen, dass aus dem Diepoldshofer Wald riesige Krakenfinger ins einst so makellose Bild hineinlangen.
Die Käsedreieckssitzung
Am 30. Oktober sind die Gemeinderäte von Leutkirch, Wangen und Isny in der Festhalle in Leutkirch zusammengekommen, um ihre legendäre Käsedreieck-Sitzung zu zelebrieren. Mit Wohlgefallen haben sie ein Gutachten zur Kenntnis genommen, das die Marke „Allgäu“ über den Schellenkönig lobt und von einer „Bilderbuch-Landschaft“ spricht.
Die Damen und Herren Räte werden ihre Bilderbuchlandschaft in fünf Jahren nicht mehr wiedererkennen. Und die Damen und Herren Touristiker werden sich mit Grausen abwenden.
Auch die Heimatpfleger, die sich vor kurzem in Bad Wurzach trafen, sind in Unruhe ob der dramatischen Entwicklung.
Sie alle wissen: Der Mensch braucht auch Augenweiden. Er braucht den Blick ins ungestörte Weite. Er braucht die Labsal des reinen Naturgenusses.
Ein hochproblematischer Eingriff in die Natur droht nach wie vor im Hummelluckenwald bei Humberg, keine zwei Kilometer vom Rohrsee entfernt, einer Vogelbrutstätte von überragender Bedeutung, zudem ein sogenannter Trittstein für Zugvögel, die heerscharengleich dort Rast machen auf ihrem Flug nach Süden. Unverdrossen treibt die Firma Laoco aus Kirchdorf an der Iller ihre Pläne voran, dort drei WKA zu errichten. Die Projektierer aus Kirchdorf nutzen dabei eine Regelungslücke, weil der die Windkraftentwicklung steuernde Regionalplan erst 2025 in Kraft tritt. Ganz offensichtlich heißt der Regionalverband die WKA-Pläne bei Humberg nicht gut. Sonst hätte er diesen Standort in seine Karte mit den Vorranggebieten hineingemalt. Die sieht aufgrund des Fehlens dieses Standortes deutlich riedschonender aus als sie in Wahrheit ist.
Immerhin: Der Standort Weitprechts-Alttann wird inzwischen ehrlich benannt.
Denn zur Wahrheit gehört, dass die Projekte Weitprechts-Alttann und Humberg vom Projektierer beinhart durchgezogen werden. Bei der Vorstellung des Projektes „Alttanner Wald“ durch die projektierende Firma des Herrn Böhm aus Kirchdorf und die Erfurter Firma „Energiequelle“ Anfang Oktober in Wolfegg waren nur die Bürger von Wolfegg, wozu Alttann gehört, nicht aber die Einwohner des zu Bad Wurzach gehörenden Ortes Weitprechts zugelassen – obwohl die geplanten Anlagen näher bei Weitprechts als bei Alttann zu stehen kommen. Bei jener Informationsveranstaltung in der Orangerie des Fürsten von Wolfegg wurden die Lärm-Ängste der Anwohner laut Bericht der „Schwäbischen Zeitung“ vom 3. Oktober wie folgt beschieden: „Die Hauptwindrichtung ist so, dass Alttann kaum belastet ist.”
Alttann liegt westlich des geplanten Standortes, Weitprechts östlich davon. Von den Weitprechtsern konnte den Satz keiner hören. Deshalb von “Akzeptanz” zu reden ist schon kühn.
Was ist mit der Hauptwindrichtung in Humberg, Herr Böhm? 700 Meter Abstand bei 270 Metern Anlagenhöhe, auf der Westseite stehend, in die Abendsonne hineinragend – das ist eine Zumutung.
Herr Böhm, lassen Sie ab von Ihren Plänen! Sie sehen doch, dass eine Errichtung von WKA im Hummelluckenwald vom Regionalverband nicht gewollt ist. Es ist zynisch, auf die Regelungslücke zu setzen und alle Ried- und Rohrsee-Argumente in den Wind zu schlagen.
Was passiert eigentlich auf der Nordseite des Riedes? Hier ist der RVBO nicht zuständig, hier plant der Regionalverband Donau-Iller. Kommen da auch noch WKA hin? Dann wäre das Ried restlos eingekreist.
Erste Erfolge
Auch wenn die vorstehende Bilanz ernüchternd ist, so kann der rettende Einfluss der Bad Wurzacher Landschaftsschützer nicht hoch genug veranschlagt werden. Der gemeinnützige Verein um seinen gleichermaßen fleißigen wie sachkundigen Vorsitzenden Reinhold Mall hat das Problembewusstsein geschärft, auch bei den Behörden, hat die Riedschutz-Resolution des Bad Wurzacher Gemeinderates angestoßen, hat nimmermüde auf die Anforderungen des Europarates hingewiesen, der sich gegen das Aufstellen von technischen Großanlagen im Wurzacher Becken einschließlich der das Becken umschließenden Hügelketten ausspricht. Betrachtet man die Suchraum-Karte des Regionalverbandes mit den vielen potenziellen WKA-Standorten auf Bad Wurzacher Gemarkung und vergleicht sie mit der Vorrangkarte, dann dürfen Reinhold Mall und sein Team die Streichung der riednächsten Gebiete als Erfolg verbuchen.
Doch der Kampf geht weiter. Noch ist das Ried nicht „aus dem Schneider“.
Gerhard Reischmann
Transparenzhinweis: Der Kommentator ist Mitglied bei den Landschaftsschützern
Auf den am 11. Juli 2023 vom RVBO vorgestellten Suchraumkarten waren 11 Prozent der Verbandsfläche als für Windkraft möglich deklariert worden (grün markiert) – darunter im Gemeindegebiet von Bad Wurzach in Sichtweite des Riedes der Ziegelberg und der Stadtwald Richtung Wengenreute sowie der Hummelluckenwald bei Humberg und weitere Gebiete (bei Rupprechts, bei Humberg zusätzlich noch eine Zone im Süden und sogar ein Bereich rund um die Kartause Marienau bei Seibranz) sowie – knapp hinter der Gemeindegrenze – der Alttanner Wald zwischen Weitprechts und Alttann und bei Weitprechts zusätzlich noch eine Zone östlich des Ortes. Der Kartenausschnitt wurde der Webseite des Regionalverbandes entnommen.
Von den Suchräumen wurden inzwischen Vorranggebiete abgeleitet. Diese umfassen (Stand: 25. Oktober 2023) 2,45 Prozent der Verbandsfläche (= die Landkreise Ravensburg und Sigmaringen sowie der Bodenseekreis). Für den Raum Bad Wurzach ergibt sich das hier dargestellte Szenario mit Vorrang für Windkraft in den rot umrandeten Zonen; so sollen bei Osterhofen, bei Mennisweiler (Blasiberg), bei Bauhofen (Diepoldshofer Wald), östlich von Seibranz und südlich von Steinental (Baniswald) WKA möglich sein. Nicht in dieser Karte des RVBO, vorgestellt am 25. Oktober 2023 in Kressbronn, enthalten sind die zwei von der Firma Laoco derzeit beplanten Zonen bei Humberg und zwischen Weitprechts und Alttann. Diese Gebiete waren bei den Suchräumen – hier gelb markiert – noch enthalten gewesen; inzwischen wurde der Alttanner Wald – zwischen Weiprechts, Gaishaus und Alttann – zum Vorranggebiet erklärt (in unserer Karte noch nicht rot umrandet). Der Hummelluckenwald bei Arnach-Humberg ist, obwohl nicht als Vorranggebiet deklariert, aufgrund der Rechtslage nach wie vor virulent. Der Kartenausschnitt wurde der Webseite des Regionalverbandes entnommen; die roten Markierungsstriche wurden von Reinhold Mall, dem Vorsitzenden des gemeinnützigen Vereins Landschaftschützer Oberschwaben-Allgäu e. V., angebracht.
Die Karte der Vorranggebiete vom 25. Oktober befindet sich im fortgeschrittenen Entwurfsstadium. Der Planungsausschuss des RVBO hat darüber am 22. November in öffentlicher Sitzung beraten und das Hochstufen von “Alttann ” zum Vorranggebiet gebilligt (neben weiteren Änderungen außerhalb des Raumes Bad Wurzach). Am 8. Dezember soll dann von der Verbandsversammlung der förmliche Beschluss gefasst werden. Anschließend gehen die Vorrang-Planungen in die Anhörungsphase; daran kann neben den Trägern der öffentlichen Belange auch die Öffentlichkeit teilnehmen; jede Privatperson kann Stellungnahmen einreichen. Am 17. Januar 2024 gibt es eine öffentliche Veranstaltung mit Landesumweltministerin Thekla Walter. Bis spätestens zum 30. September 2025 muss dann ein Satzungsbeschluss zum Teilregionalplan Energie durch die Verbandsversammlung des RVBO erfolgen. Dieser ist bis Ende 2025 vom zuständigen Ministerium zu genehmigen und wird anschließend rechtskräftig.
Screenshot des SZ-Artikels über die WKA-Information Anfang Oktober in Wolfegg. Der Online-Artikel erschien am 3. Oktober um 7.00 Uhr. Veranstaltet wurde die Windkraftinformation von den Firmen Laoco und Energiequelle. Die Unterstreichung im Text-Ausriss stammt von der DBSZ-Redaktion.
* Die Alpenkette, die sich östlich des Wurzacher Riedes zeigt, hat Reinhold Mall mit einer interaktiven Panorama-Aufnahme eingefangen. Standort: auf dem Sonnenberg zwischen Friedlings und Unterluizen. Hier der Link dazu: http://4857.test-my-website.de/panaktiv/Alpen%20Ried%20mit%20Hotspot%20WR%202020%2004%2011.html In dem Panorama “Alpensicht” kann die Karte ausgeblendet werden, indem man das Dreieck links unten anklickt