Ein besonderer Festakt zum Auftakt des Geschichtivals
Bad Wurzach – Bad Wurzach hat in diesen Tagen sein „Geschichtival“ anlässlich des 750-jährigen Jubiläums der ersten urkundlichen Erwähnung gefeiert. Zum Auftakt lud die Stadt Prominenz, Bürger und Interessierte zu einem „etwas anderen“ Festakt in den Kursaal ein.
Denn anstelle zahlreicher Reden diverser Prominenter wie etwa Politikern oder auch Historikern kam vor allem „die Zukunft“ zu Wort: Das begann schon mit der musikalischen Umrahmung des Abends, die der junge Saxophonist Tim Guter gemeinsam mit der Musiklehrerin Christine Braig am Flügel gestaltete, setzte sich fort mit Beiträgen des Geschichtsleistungskurses des Salvatorkollegs, der die Zeit vor 750 Jahren in verschiedenen Unterkategorien den rund 200 Besuchern nahebrachte. Den Abschluss des Programmes bildete eine von Bürgermeisterin Alexandra Scherer moderierte Podiumsdiskussion mit sechs bekannten Wurzacher Köpfen.
Die Referate der Kollegsschüler
Nach einer kurzen Begrüßung durch die Bürgermeisterin eröffnete Alexander Sauter mit einem Referat zum Status der Religion jener Zeit die Vorträge des Geschichtskurses. Anton Patzner sprach über die Landwirtschaft jener Zeit, die zum größten Teil aus Getreideanbau bestand, zu dem ab dem 11. Jahrhundert der Anbau von Gemüse kam. Aylin Peker zeigte in ihrem Vortrag auf, wie die Menschen in dieser Zeit lebten: So gab es in dieser Zeit kaum Häuser mit verglasten Fenstern, weil Glas damals noch so teuer war. Else Bolsinger und Ronja Forderer hielten ein Zwiegespräch über die medizinischen Verhältnisse in Zeiten der Pest und der durch die Kreuzzüge eingeschleppte Lepra. Sie verwiesen auf die damals nicht nur in Wurzach entstandenen Siechenhäuser.
Die Podiusmdiskussion
Zur Podiumsdiskussion bat nach einem weiteren Musikstück Markus Benzinger, Geschichtslehrer am Salvatorkolleg und Initiator des Schülerprojekts, Hinrich Dohrmann (Geschäftsführer von Lissmac), Manfred Braun (Ortschaftsrat und ehemaliger Vereinsvorsitzender des SV Arnach), Peter Schad (über die Grenzen von Oberschwaben hinaus bekannter Musiker und Komponist), Robert Stützle (ehemaliger Gemeinderat und Stadtführer) sowie die Leiterin der Bad Wurzach-Info, Johanne Gaipl, zur Podiumsdiskussion auf die Bühne.
Benzinger konnte überzeugend den medizinischen Fortschritt während dieses Dreivierteljahrtausends darlegen. Nicht in Minuten oder Stunden, nicht in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wurde seinerzeit gerechnet, die damaligen Menschen hatten ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit: Für sie zählten nur die wiederkehrenden Jahreszeiten. Trotz vieler Veränderungen sieht Benzinger noch viel mittelalterliche Substanz in Bad Wurzach erhalten etwa beim Spital, dem Leprosenhaus oder Maria Rosengarten. Der Geschichtslehrer verwies darauf, dass man junge Leute am besten für Geschichte interessieren könne, wenn man ihnen klar mache, was diese mit ihrem eigenen Leben zu tun hat.
Hinrich Dohrmann stammt aus dem Sauerland und konnte eine externe Perspektive zu Bad Wurzach abgeben. Er lobte die hochattraktive Vielfalt in der Natur und bei den Freizeitmöglichkeiten. Wer einmal hier angekommen sei, wolle nicht mehr weg.
Peter Schad, der als Musiker viel herumgekommen war und dabei auch viele Meinungen über seine Heimat Bad Wurzach, mit der er tief verwurzelt ist, sammeln konnte, nannte als einen großen Vorteil die musikalische Landschaft: Musikkapellen, Chöre und viele tolle Orgeln, „um die uns viele beneiden.“
Manfred Braun war an diesem Abend für den Blick eines Insiders zuständig, der als Ortschaftsrat und langjähriger Vereinsvorstand weiß, wie die Leute ticken. Das große Potential, ja Juwel der Stadt seien die vielen Ehrenamtlichen, die sich vielfältig engagieren. Er hoffe, dass diese auch in Zukunft wertgeschätzt werden, „denn gemeinsam können wir unheimlich viel schaffen.“
Mit Bedacht von Scherer ausgewählt worden war Robert Stützle. Dieser hatte vor kurzem mit gleichgesinnten die lange gehegte Idee einer Bürgerstiftung ausgearbeitet, deren Gründung demnächst stattfinden wird. Und dafür warb er kräftig: „Die Idee einer Bürgerstiftung ist alt, aber nicht veraltet!“ Eine solche Stiftung könne zum Beispiel viel schneller Menschen in Not helfen als dies Staat oder Gemeinde möglich ist.
Wo wollen wir besser werden, wurde Johanne Gaipl von der Bürgermeisterin gefragt. Für die Zukunft der Stadt wünscht diese (Gaipl) sich, dass weiterhin mutige Entscheidungen getroffen werden, um die Stadt weiterzuentwickeln, so wie für die Modernisierung der Moorbadeabteilung. Dazu zählte sie ausdrücklich auch den für viele in der Stadt umstrittenen Turmbau im Ried, um damit die Attraktivität als Tourismusziel zu erhalten.
Zum Abschluss der Runde fragte Frau Scherer jeden Teilnehmer, wo er die Stadt in 750 Jahren sehe. Markus Benzinger wünscht sich, dass sich das positive Gefühl der Menschen auf die nächsten Generationen überträgt. Dohrmann erklärte den Status der Stadt für so gut, dass es keine Änderungen brauche. Manfred Braun hofft, dass die Ehrenamtlichen auch dann noch so gut motiviert sind. Peter Schad wünscht sich, dass die Menschen beim Blutritt in 750 Jahren schönes Wetter haben mögen. Für Robert Stützle, der nur auf die nächsten 100 Jahre blicken wollte, ist wichtig, dass auch dann noch Grundgesetz und Religionsfreiheit gelten und die Menschen dann noch gute und friedliche Zeiten erleben werden. Und Johanne Gaipl wäre froh, wenn Bad Wurzach auch dann noch als Urlaubsort so attraktiv sein wird, um gegen Pauschalreisen zu Mond oder Mars bestehen zu können.
Für diesen einen Abend hatten alle Anwesenden die Möglichkeit, sich im Goldenen Buch der Stadt zu verewigen, ein Privileg, das ansonsten nur VIP´s vorbehalten ist.
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