Dr. Roth führte durchs Ried zum Turmstandort
Bad Wurzach – Trotz strömendem Regen interessierten sich am 26. September rund 50 Bürger für die von den Fraktionen des Gemeinderates organisierte Riedführung zum Standort des geplanten Naturerlebnisturmes durch den Leiter des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried, Dr. Siegfried Roth.
Die vier Fraktionssprecher der im Juni bei der Kommunalwahl in den Gemeinderat gewählten Vertreter von CDU, Freier Wählervereinigung, MirWurzacher und Grüne, hatten sich gemeinsam darauf verständigt, mit dieser Führung den Bürgern Gelegenheit zu geben, sich aus erster Hand über das Projekt Wiedervernässung des mit dem Europa-Diplom ausgezeichneten Moores sowie des Naturerlebnis- und Beobachtungturmes zu informieren.
Als besonderes „Zuckerl“ führte Roth die interessierten Besucher auch an den Rand der ehemaligen Torfstiche, ein Privileg, das nur wenigen Besuchern zuteil wird.
Also machten sich an jenem Donnerstagabend Gemeinderäte dreier Fraktionen – es fehlte ein Vertreter der Grünen – gemeinsam mit Roth, Vertretern des HGV, aber auch zahlreichen Projekt-Gegnern, darunter auch Herbert Birk und Andreas Bader sowie der Mit-Initiator des Bürgerbegehrens Dr. Ulrich Walz, auf den Weg vom Torfmuseum hinaus zum ehemaligen Haidgauer Torfwerk, zum geplanten Standort des Turmes, der schon seit vielen Jahren Zielpunkt der Touristenfahrten des Torfbähnles ist.
Als Dr. Siegfried Roth beim Stuttgarter See die Geschichte des aus dem Torfabbau nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Gewässers erzählte sowie das, was an dieser Stelle geplant war, fielen ihm dort und später im Verlauf der Führung immer wieder mehrere Turmgegner ins Wort. Daher bat Gemeinderat Klaus Schütt, der sich bereiterklärt hatte, die Moderation bei der Führung zu übernehmen, sie mehrfach, keine „Nebenschauplätze“ zu eröffnen. Zumal die Zeit wegen der einbrechenden Dunkelheit eh schon knapp war. Ein Beispiel dafür war die Entrüstung darüber, wie der Zustand der vor kurzem mit einem Pistenbully gemähten Riedwiesen links und rechts des Weges waren. Eine weitere kritische Stimme sah in dem Turm ein sichtbares erstes Zeichen des von den Landwirten der Region grundsätzlich abgelehnten Biosphärengebiet.
Siegfried Roth betonte mehrfach, dass der geplante Standort wegen der industriellen Torfförderung bereits vorbelastet sei. Im übrigen befürworte die für das Europa-Diplom zuständige Europaratskommission den Bau eines Turmes beim Torfwerk ausdrücklich, Windkraftanlagen rund um das Wurzacher Becken lehnt sie jedoch ab.
Mit Thomas Lötsch, dem Dezernenten für Bauen, Umwelt und Wirtschaft im Landratsamt, konnte Siegfried Roth einen ganz besonderen und kompetenten Gast bei der Wanderung begrüßen. Auf Anfrage des “Wurzachers” gab Lötsch im Nachgang folgende Stellungnahme ab: „Die Herangehensweise, seitens der Ratsfraktionen, sehr transparent vor Ort mit interessierten Bürgern den Austausch zu suchen und offene Fragen zu beantworten, fand ich prima. Was mich dabei jedoch nachdenklich gestimmt hat, waren die Härte und die Polemik der Auseinandersetzung seitens einiger Teilnehmer. Leider war nicht jeder Teilnehmer bereit zuzuhören. Denn eines sollte doch klar sein: Was alle Beteiligte in der Diskussion einen muss, ist das gemeinsame Bewusstsein für die Einzigartigkeit des Wurzacher Rieds und der Wunsch nach weiterer positiver Entwicklung der Stadt Bad Wurzach.”
“Die Argumente für den Turm überwiegen klar”
Und dabei solle für Polemik kein Platz sein, denn das verhindere den sachlichen Austausch und schade Bad Wurzach und der Stadtgesellschaft, mahnte Lötsch. Im Naturschutz und der Regionalentwicklung gehe es um Fakten. „Aus fachlicher Sicht überwiegen klar die Argumente für den Naturerlebnis- und Beobachtungsturm im Ried. Es entspricht dem Naturschutzgedanken, das einzigartige Wurzacher Ried im Sinne der Naturbildung noch besser erlebbar zu machen; insbesondere da der Turm nur einen minimalinvasiven Eingriff darstellt. Der interessierte Gast kann das Ried damit hervorragend beobachten, ohne dass sensible Bereiche zu Fuß begangen werden müssen. Zudem wird vorhandene Wegeinfrastruktur genutzt und zusätzlich das Industriedenkmal am geplanten Standort in Wert gesetzt.“
Grösser sieht Störung von Vögeln
Ulrich Grösser, der als Vogelkundler mit der Situation vor Ort gut vertraut, berichtete von mehreren seltenen Vogelarten, die unweit des geplanten Standortes Nistplätze haben; sie könnten im Falle des Turmbaues sich gestört fühlen. Diese Bedenken hatte er auch bereits bei der Bürgerversammlung geäußert. Diese waren jedoch damals von dem Experten, der die Voruntersuchungen bei dem Standort durchgeführt hatte, als nicht schwerwiegend eingestuft worden.
Der Biologe Stefan Hövel aus Ziegelbach war am Beginn der Wanderung noch sehr skeptisch und stellte kritische Fragen. Als die Wanderer jedoch nach den Erklärungen von Siegfried Roth vom Ort der Wiedervernässung wieder den Heimweg antraten, entfuhr ihm, angesichts der faszinierenden Naturlandschaft, ein jugendsprachliches Wort, das ein „Ich bin beeindruckt“ ausdrücken soll.
Text / Fotos: Uli Gresser
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