Die Vereinbarkeit von Turmbau und Schutzgebietsverordnung
Zum Leserbrief „Laut § 4: Kein Turm im Ried!” (DBSZ vom 4. Februar) erreichte uns am 14. Februar um 6.25 Uhr folgende Stellungnahme der Gemeinderäte, die wir ungekürzt und unverändert veröffentlichen (14.2., 7.25 Uhr). Nachstehend der Wortlaut (die Fettungen waren von den Autoren vorgegeben):
Antwort Ihrer Gemeinderäte auf den Leserbrief „Kein Turm im Ried“ vom 04. Februar 2025 von Andreas Zeitler
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Wir, Ihre Gemeinderäte, teilen die schlüssigen und durchdachten Überlegungen zum Naturschutz, zum Standort und zur Sicherheit des Turmbauwerks, wie sie von Karl-Josef Faßnacht und Dr. Wolfgang Hübner in ihren Leserbriefen am 7. Februar in der Bildschirmzeitung dargelegt wurden.
Weitere Stellungnahmen (Videos) von Mitbürgern zum Turm unter: www.picofon.de/videos
Darüber hinaus erreichte uns eine Stellungnahme von Dr. Siegfried Roth, dem Leiter des Naturschutzzentrums Bad Wurzach, über die Vereinbarkeit der Schutzgebietsverordnung mit der Errichtung eines Turmes zur Natur- und Umweltbildung, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.
Der Standort im Industriedenkmal Haidgauer Torfwerk:
Dr. Siegfried Roth schreibt dazu:
„Der Standort ist aktuell eine in Sukzession (Wiederbewaldung) befindliche Industriebrache und völlig moorfern. Aber der Standort am Haidgauer Torfwerk bietet alle Möglichkeiten der Natur- und Umweltbildung. Nur hier lassen sich alle Lebensräume überblicken und die darin lebenden Vögel ungestört beobachten.
Mit einem Turm außerhalb der Naturschutzgebiets-Grenzen lassen sich diese Ziele nicht erreichen, von einem Naturbeobachtungsturm kann dann nicht mehr die Rede sein.“
Die Vereinbarkeit von Turmbau und Schutzgebietsverordnung.
Dr. Roth: „Richtig ist, es dürfen im NSG Wurzacher Ried keine baulichen Anlagen errichtet werden.
Es kann Gründe geben, dass bauliche Anlagen trotzdem genehmigungsfähig sind. Das liegt dann vor, wenn ein höheres öffentliches Interesse einen Bau gerechtfertigt. So ein Grund ist die mit dem Bau des Naturerlebnisturmes beabsichtigte Natur- und Umweltbildung.
Genehmigungsfähig ist der Turm (und Ertüchtigung der Zuwegung), wenn die Schutzgüter, für die das Ried geschützt wird, nicht negativ beeinflusst werden. Es muss also untersucht werden, welche Auswirkungen der Turm auf die Flora/Fauna und Standort haben.
Die entsprechenden Gutachten (Baugrunduntersuchung, artenschutzrechtliche Prüfung, Eingriffs- und Ausgleichsregelung) belegen, dass sich der Turm naturschutzkonform bauen lässt.
Der Turm stellt auf jeden Fall einen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Negative Auswirkungen müssen ausgeglichen werden. Das betrifft die am Standort vorkommende FFH-Art Zauneidechse. Es muss sichergestellt werden, dass die vorkommende Population durch den Turmbau nicht in ihrem Bestand bedroht ist. Dieser Vorgabe wurde/wird durch verschiedene Maßnahmen nachgekommen (Bereitstellung von Ersatzlebensräumen, Vergrämung und vor Baubeginn durch händisches Absammeln einzelner Tiere). Das verlangt das EU-Naturschutzrecht (Eingriffs- und Ausgleichsregelung).
Letztendlich entscheidet das Regierungspräsidium Tübingen, ob alle Vorgaben des Naturschutzes und des EU-Rechts erfüllt sind auf der Basis der vorliegenden Untersuchungen. Gegebenenfalls müssen einzelne Maßnahmen nachgebessert werden. Die Aussicht, dass das Regierungspräsidium die Befreiung von der Schutzgebietsverordnung genehmigt, kann als sehr hoch eingeschätzt werden.“
Die Auswirkungen des Turmbaus und der Maßnahmen zur Erhaltung des Industriedenkmals Haidgauer Torfwerk auf den Standort bewertet Dr. Roth aus naturschutzfachlicher Sicht folgendermaßen:
„Der Standort wird durch den Turmbau ökologisch und naturschutzfachlich sogar aufgewertet!
Grund: Nach dem Turmbau können die Eidechsen die Fundamente wieder besiedeln und durch die Anlage des Moortümpels, in dem der Turm steht, entsteht wieder eine moortypische Umgebung, die mehr Arten einen Lebensraum bieten kann als aktuell.
Das Gewässer bietet Lebensraum u.a. für die Große Moosjungfer (Moorlibelle), die ebenfalls eine FFH-Art und weil sie moortypisch ist auch in der Bedeutung höher einzustufen ist als die Zauneidechse. Durch die Verzahnung von trockenen und feuchten Lebensräumen am Standort wird ein Mehrwert aus Naturschutzsicht geschaffen!“
Diese positive Einschätzung des Leiters des Naturschutzzentrums Bad Wurzach Dr. Siegfried Roth und der ausdrückliche Wunsch des Europarates, bei der letzten Verlängerung des Europadiploms für das Wurzacher Ried von 2019, einen Turm zur Natur- und Umweltbildung zu errichten, stimmen uns zuversichtlich, dass dieses ganz besondere Projekt an diesem außergewöhnlichen Standort für Bad Wurzach Wirklichkeit werden kann.
Überzeugen Sie sich persönlich bei der Führung diesen Samstag, 15. Februar 2025 um 14.00 Uhr vom Treffpunkt am Torfmuseum / Wurzelsepp zum Haidgauer Torfwerk und den angrenzenden Naturschutzflächen unter der fachkundigen Führung von Dr. Siegfried Roth.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage: www.turminfo.de
Den einzigartigen Rundumblick vom Turm unter: www.picofon.de/turmblick
Ihre Gemeinderäte
vertreten durch die Fraktionssprecher aller Fraktionen im Gemeinderat:
Emina Wiest-Salkanovic, Kurt Miller, Rainer Deuschel, Franz-Josef Maier
Leserbriefe sind Meinungsäußerungen. Die Redaktion der Bildschirmzeitung akzeptiert ein breites Spektrum an Meinungen. Nicht veröffentlich werden extremistische, persönlichkeitsverletzende oder offensichtlich wahrheitswidrige Äußerungen.
Bevorzugt veröffentlichen wir Leserbriefe zu lokalen und regionalen Themen. Aber auch Äußerungen zu allgemeinen Themen, die die hiesige Leserschaft bewegen, werden gerne entgegengenommen.
Zur Diskussion um den Turm im Ried haben wir – nach entsprechender Kritik aus der Leserschaft – nun festgelegt, dass dazu nur Stimmen aus Bad Wurzach veröffentlicht werden.