Warum die Tourismusstudie nicht für einen Turmbau spricht
Zur Diskussion um die aktuelle Tourismus-Studie der dwif-Consulting GmbH (München), die vor kurzem im Verwaltungs- und Sozialausschuss (VSA) des Gemeinderates vorgestellt wurde (DBSZ vom 6. Dezember)
Natürlich ist es kein Zufall, wenn wenige Wochen vor dem von knapp 4000 Wurzacher Bürgern erwirkten Bürgerentscheid zum Thema „Turm im Ried“ eine Tourismusstudie erscheint, die unseren Wurzacher Tourismuserfolg in hellsten Farben erscheinen lässt.
So wird mit schwindelerregenden Zahlen ein Tourismusumsatz von 45,1 Millionen € bescheinigt, bei 800 Arbeitsplätzen, was einen gigantischen Umsatz-Aufbau von 28 Prozent gegenüber der Vergleichsstudie von vor sieben Jahren darstellen soll. Bereinigt man aber die verglichenen „Bruttoumsatzzahlen“ um die über 21 Prozent Inflation im selben Zeitraum, bleibt noch ein magerer Zuwachs von sechs Prozent in sieben Jahren. Berücksichtigt man zusätzlich, dass dafür 800 statt zuvor 710 Tourismus-Beschäftigte nötig waren, sinkt der Realerlös pro Mitarbeiter sogar um sechs Prozent auf 56.375€. Im Vergleich dazu erwirtschaftete schon 2019 die deutsche Maschinenbaubranche, zu der zum Beispiel die Firma Lissmac gehört, 215.000 € pro Mitarbeiter und Jahr. Wenn also Gemeinderäte in Bad Wurzach aufgrund angeblich fehlender Flächen in Baden-Württembergs drittgrößter Flächengemeinde, den Tourismus als Bad Wurzacher Zukunftsindustrie anpreisen, muss man fragen: Haben Rat und Verwaltung sich schon einmal tiefgehend mit Zahlen beschäftigt?! Unser Wurzacher Heil kann schließlich unmöglich darin bestehen, bei uns den Niedriglohnsektor auszubauen, der noch dazu die größten Schwierigkeiten hat, ausreichend Fachkräfte zu gewinnen! (Siehe Wurzelsepp-Schließung aus diesem Grund!)
Noch mehr Erstaunen löst darüber hinaus die von der dwif-Studie aus München ermittelte Zahl von 600.000 „Tagestouristen“ aus. Dies würde pro Tag sagenhafte 1644 Personen bedeuten, die aus touristischen Gründen den Weg in die Flächengemeinde finden. Wir halten die dafür zugrunde gelegte Definition inklusive überörtlicher Einzelhandelskunden und Verwandtschaftsbesucher für hochgradig irreführend. Gleiches gilt eigentlich für die Zählung von Schwimmbad- oder Vitaliumsbesuchern, denn dies alles sind Besuchergruppen, deren Zahl nichts, aber auch gar nichts, mit dem Vorhandensein anderer Attraktionen, wie der eines Aussichtsturms, zu tun hat. Diese Personen kommen, weil zum Beispiel ein bestimmter Oberbekleidungs- oder Fahrradhändler bei ihnen einen guten Ruf hat, weil ihre Verwandtschaft hier wohnt oder im Einzugsgebiet von 30 Kilometern um Wurzach kaum ein weiteres klassisches Hallenbad existiert.
Darum plädieren wir – zumindest für die Turmdiskussion – für eine engere Definition des Begriffs „Tagestourist“. Im eigentlichen Sinne sollte es dabei nur um Menschen gehen, die beschließen, einen Tag ihrer Freizeit darauf zu verwenden, um zum Beispiel unser malerisches Ried zu erkunden, und die darum für weitere touristische Angebote wie Gastronomie- oder Museumsbesuche in Frage kommen. Ein aufgrund von Fördermitteln kostenfreies Angebot, wie ein Turmbesuch im Ried, würde dabei kaum dazu beitragen, den ermittelten Durchschnittsumsatz von 28,50 € dieser Tagesgäste ansteigen zu lassen. Schließlich erhöht sich so die konsumfreie Verweilzeit.
Womit sich die dwif-Studie – zumindest wenn man der Presse folgt – aber leider gar nicht zu beschäftigen scheint, ist die Frage nach der grundsätzlichen Zukunftsfähigkeit des Wurzacher Tourismus bei einer ausufernden Kostenstruktur, für die auch der Turm stünde. 200.000 Übernachtungen pro Jahr sind kaum mehr – oder gar weniger – als die Hälfte der 357.000 in Bad Waldsee oder 503.000 in Isny. Das bedeutet auch, dass jeder für Tourismusinfrastruktur investierte Euro mit weniger als der Hälfte der Gäste refinanziert werden muss.
Sollte Bad Wurzach sich darum nicht eher darum bemühen langfristige Strukturkosten zu senken? Immerhin stehen die städtischen Kurbetriebe in einem Land, das in 15 Jahren klimaneutral sein will, vor gigantischen Gebäudeinvestitionen! Nicht zufällig musste das Geschäftsjahr 2023, trotz eines Umsatzanstiegs um 14 Prozent, mit einem Verlust von 687.000 € abgeschlossen werden. Die dafür ausschlaggebenden Energiekosten dürften sich allein aufgrund des CO2-Kosten-Anstiegs in den nächsten Jahren dramatisch erhöhen und die finanzielle Lage verschlimmern. Denn schon jetzt räumen die Kurbetriebe ein, die Kosten nicht ganz weitergeben zu können.
Wenn wir darum unseren Tourismus zukunftsfähig machen wollen, sollte in Sachen Fördergeldeinwerbung („Energetische Sanierung“), städtische Planungskapazitäten und kommunale Gelder erst einmal diese Flanke geschlossen werden. Bad Wurzachs Bürger haben mitten in der tiefsten strukturellen Wirtschaftskrise unseres Landes seit 75 Jahren – auch durch teilweise massiv steigende Grundsteuerbeträge – keine finanziellen Spielräume, um absehbare Mehrkosten des Turmabenteuers zu tragen!
Initiativgruppe Turm-Gegner
Dr. Stefan Hövel, Herbert Birk, Gerhard Gschwind, Claudius Cäsar, Andreas Bader, alle Bad Wurzach
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