„Ein Ort, wo wir uns treffen konnten”
Leutkirch – Freitagabend, 12. Juli. Der heftige Gewitterregen, der auf das Jugendhaus an der Leutkirch Poststraße niederprasselt, bremst die Feierlaune keineswegs. Im Gegenteil: Das Publikum sammelt sich umso heimeliger drinnen in jenen Räumen, die seit 1984 so vielen Platz boten. Darunter heute, am 12. Juli, sowohl jungen Gesichtern als auch Personen, die jetzt eher nicht (mehr) zur Stammkundschaft des Jugendzentrums zählen. Also eher Veteraninnen und Veteranen aus den JuZe-Gründungsjahren. Dazu gibt’s hier vier musikalische Programmpunkte auf die Ohren. Die Bildschirmzeitung „Der Leutkircher“ hatte bereits am Freitagabend während des Festivals im Jugendhaus aktuell darauf hingewiesen.
Gegenüber der Bahnhofsarkaden: das Leutkircher Jugendhaus.
Freitagnachmittag, 12. Juli,gegen 17.00 Uhr. Draußen am Parkplatz zwischen Poststraße und Eschach stehen heute keine Autos. Denn hier soll jetzt unter freiem Himmel gefeiert werden. Wer will, kann sich dort Getränke, Hot-Dogs oder süßes Gebäck kaufen. Bierbänke laden zum Hocken ein. Dort sitzt beim Kaffee eine Frau, deren Kinder sich aktuell eher im Jugendhaus treffen könnten. Doch die Besucherin, 1969 geboren, erinnert sich gut an die Zeit vor fast drei Jahrzehnten, in der sie sich mit anderen hier traf. „Es gab ja sonst nichts Vergleichbares”, schildert sie Leutkirch vor dem Jahr 2000. Also kein Platz für junge Leute, um sich zu treffen ohne Konsum-Zwang wie in Gaststätten oder festen Regeln wie in Vereinen. Ein Ort, den der Nachwuchs eher so gestalten konnte, wie er es sich vorstellte. Zum Beispiel mit Proberäumen für Musik-Gruppen. Über (mindestens) einen davon verfügt das Jugendhaus an der Poststraße noch heute.
Vier Musicacts
Dass sich das durchaus lohnt, zeigt sich am gleichen Abend. Denn da bekommen vier Musik-Programmpunkte auf der Bühne im Haus immer wieder starken Applaus des Publikums. Heute Abend (12.7.) beweisen etwa „Charta one” mit Bassistin und Sängerin, dass Frauen fraglos die besseren Musikerinnen sind. „Nirwana”-Hits mit weiblich kräftiger Stimme statt männliches Krächzen – bemerkenswert. Anschließend deutscher Rap von „V1tt3″ und danach Punk von „15 eyes open”. Zum guten Schluss „Sincrown”, sehr lebhaft mit “Death Core”. Festivals wie das am Freitagabend im Jugendzentrum bieten die Fortsetzung einer langen Reihe von rockig-poppigen Konzerten seit 1984. Mit ihnen erwies sich Leutkirch, Große aber ländliche Kreisstadt, als nicht provinziell. Mehr als ein Hauch elektrisierend-gelebter Weltoffenheit also im JuZe an der Poststraße.
Veteranen und neu gelebte Jugendkultur
Heute wie schon im Gründungsjahr 1984 ein Weg nach oben: die Treppe des Jugendhauses Leutkirch wirkt nach wie vor als guter Ort für Gespräche.
So viel kulturelle Qualität – da darf Leutkirch stolz darauf sein. Mit viel Prominenz aus der Rathauspolitik am Freitagabend, 12. Juli, im Jugendhaus? Eher Fehlanzeige. Da ist Pit Biecheler, der ehemalige Jugendhausleiter aus den 1980er-Jahren, nicht der einzige, der sich darüber wundert, dass er von den Stadtoberen heute niemand hier erkennt. Dafür aber etliche Gesichter von Leuten, die hier schon vor Jahrzehnten ein und ausgingen. Und Bereiche im Jugendhaus, die heute noch fast genauso wirken wie damals – etwa die Treppenstufen, auf denen sich etliche zum Gespräch versammeln. Mancher, der damals noch viele Jahre vor sich spürte, denkt heute über eine frühere Rente nach. Andere, die sich damals schwertaten, wirken derweil umso lebensfroher. Einer von ihnen ist sogar aus Memmingen per Elektrofahrrad angerollt. Das Jugendhaus Leutkirch – am Freitagabend eine spannende Mischung aus einer Art Veteranentreff und neu gelebter Jugendkultur. Forever Young? Forever Jugendhaus …
Text und Fotos (4): Julian Aicher; Fotos (2): Gerhard Reischmann
Nicht nur während der Fußball-EM: Gekickt wird im Jugendhaus Leutkirch nach wie vor …
Aus alt mach neu? Umgenutzte Vinyl-Schallplatten auf Biertischen. Tischschmuck?
Umnutzung: Fahrrad-Räder als Reifen für Schmuck im Hof des Jugendhauses.
Öffnungszeiten
Montag: 9.00 bis 17.00 Uhr
Dienstag: 9.00 bis 17.00 Uhr
Mittwoch: 11.00 bis 20.00 Uhr
Donnerstag: 9.00 bis 21.00 Uhr
Freitag: geschlossen
Tel: 07561 / 912076
Transparenzhinweis: Bildschirmzeitungs-Reporter Julian Aicher, *1958 in Ulm und seit 1972 in der Rotismühle ansässig, besuchte ab 1984 das Jugendhaus Leutkirch unzählige Male. Er organisierte Rockfestivals – unter anderem in der Festhalle Leutkirch. Von 1987 bis 1989 veröffentlichte er drei Bücher über Rockmusik-Szenen zwischen Donau und Alpen. Seitenzahl: insgesamt 1004.