Wer bekommt wo und wie Wohnraum?
Leutkirch – “Schaffe, schaffe, Häusle baue.” Aber wo? In Leutkirch verkauft die Stadt eigenes Land an Bauwillige. Nach welchen Regeln? Darüber ließen sich am Montagabend (5.2.) bei der Gemeinderatssitzung im Verwaltungsgebäude am Gänsbühl verschiedene Meinungen hören. Und dann der Beschluss. Die Bildschirmzeitung veröffentlich am Ende des Artikels unter Download den beschlossenen Kriterienkatalog für die Bauplatzvergabe. Er beinhaltet ein Punktesystem, das viele Aspekte wie etwa Kinderzahl und ehrenamtliches Engagement am Ort berücksichtigt.
“Die Vergabe von Bauland durch Gemeinden soll im Wege der pflichtgemäßen Ermessensausübung unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), der Transparenz, der Diskriminierungsfreiheit sowie der Bestimmtheit erfolgen. Um ihr Vergabeermessen zu konkretisieren, stellen Städte und Gemeinden regelmäßig Bauplatzvergabekriterien auf.” So stand’s auf dem Papier der “Sitzungsvorlage” für die Ratssitzung am Montagabend. Welche “Bauplatzvergabekriterien” sollen es sein?
Leben in eigenen vier Wänden. So der Wunsch von nicht wenigen. Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle beklagte am Montagabend in der Gemeinderatssitzung das Problem, “dass die jungen Leute am eigenen Ort nicht mehr bauen können”. Zusätzlich erläutere Henle: “Durch Gerichtsurteile haben junge Bauwillige immer weniger Chancen.” Solche Urteile aus Gerichtssälen ließ die Leutkircher Stadtverwaltung durch Kanzleien von Fachanwälten prüfen. Mit deren Rat fasste sie die “Richtlinien und Kriterien der Großen Kreisstadt Leutkirch im Allgäu für die Vergabe von Wohnungsbaugrundstücken” neu. Der Gemeinderat entschied darüber.
Das schien gar nicht so einfach zu regeln. Zumindest meldete der Herlazhofer Ortsvorsteher und CDU-Stadtrat Alois Peter “viele offene Fragen an”. Er wollte deshalb von der Verwaltung wissen, “ob man das Ganze nicht in den zuständigen Ausschuss” zur Beratung gibt – und erst dann im Gesamt-Gemeinderat entscheidet. Dem wollte Oberbürgermeister Henle aber nicht folgen. Er wünschte sich eine rasche Entscheidung.
Pluspunkte fürs Ehrenamt
Welchen Bauwilligen darf die Stadtverwaltung Leutkirch wo welches Grundstück aus ihrem Land-Eigentum anbieten? Wie lauten die entsprechenden “Richtlinien und Kriterien” dazu? Die städtische Sachberarbeiterin Marion Natterer legte am Montagabend dazu ein mehrseitiges Papier vor. Es enthält etliche Bestimmungen. So kann sich Pluspunkte für die Zuteilung städtischer Baugrundstücke erwerben, wer sich zum Beispiel ehrenamtlich am Ort einsetzt. Etwa bei der Freiwilligen Feuerwehr. Dazu kein Widerspruch aus dem Gemeinderat.
Streitfrage “Wer schon Wohnraum hat”
Unterschiedliche Meinungen zeigten sich dagegen darüber, ob weniger Zuteilungspunkte erhalte, wer bereits über Wohneigentum auf Markung der “Großen Kreisstadt Leutkirch” verfüge. Dem wollte die CDU-Fraktion so nicht zustimmen. Denn die entsprechende Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf Wohnungsbesitz in Leutkirch. Wenn also jemandem woanders ein große Gebäude gehört, dürfen diesen Antragstellenden in Leutkirch selbst keine Vergabe-Punkte abgezogen werden. So könne es sein, dass jemand in benachbarten Altmannshofen über eine eigene Wohnung verfüge – und trotzdem im Kernort Leutkirch mehr Chancen auf einen Bauplatz erhalte, als Leute mit Wohneigentum im weiter weg gelegenen Leutkircher Teilort Winterstetten. So eine Regel bedeute “einen Bürokratieaufbau”, sagte CDU-Stadtrat Alois Peter auf Anfrage der Bildschirmzeitung. Eine Vergabe – in Leutkirch betreut von e i n e r Person. Kurz: “Das kann ja wohl nicht sein.” Deshalb beantragte die CDU, die Bestimmung über den bereits vorhandenen Wohnbesitz aus den “Kriterien” zu streichen.
Das lehnten die anderen Ratsmitglieder ab. Und damit stimmte die Mehrheit von ihnen für den Vorschlag der Stadtverwaltung. Dort steht eine “Öffnungsklausel” drin. Also eine Vorschrift, die Antragstellerinnen oder Antragstellern mit schon vorhandenem Wohneigentum in Leutkirch durchaus neue Bauplätze zuweisen kann. Voraussetzung: Die Beantragenden verpflichten sich, ihr bisheriges Wohneigentum in Leutkirch nach dem Neubau zu verkaufen. Innerhalb einer vorher festgelegten Frist.
Walter Braun, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler (FW): “Wir sind klar für diese Öffnungsklausel.” Sie diene nämlich auch einem “Generationen-Modell”. Bankfachmann Braun schilderte es so, dass “die Älteren aus dem großen alten Haus raus” wollten. Demnach könnten ihnen jüngere neuere, kleinere Räume bauen lassen – gesichert mit dem Kapital des alten Gebäudes. So falle es jüngeren Generationen leichter, neues zu errichten. Oberbürgermeister Henle: “Wir machen das, um jungen Menschen das Bauen zu ermöglichen.” Bei sechs Gegenstimmen (hauptsächlich von der CDU) und einer Enthaltung erhob “die große Mehrheit” (wie OB Henle feststellte) der Ratsmitglieder ihre Hände zum “Ja” für den Vergabe-Vorschlag der Stadtverwaltung.
Unter Download finden Sie den Kriterienkatalog für die Bauplatzvergabe. Er beinhaltet ein Punktesystem, das viele Aspekte wie etwa Kinderzahl und ehrenamtliches Engagement am Ort berücksichtigt; der bisher schon vorhandene Katalog wurde durch Gemeinderatsbeschluss am 5. Februar modifiziert (die beschlossenen Änderungen sind im PDF-Dokument rot markiert); es gilt die auf den Seiten 14 bis 18 dargestellte Tabelle der “Richtlinien und Kriterien der Großen Kreisstadt Leutkirch zur Vergabe von Wohnraumgrundstücken”. Achtung: Der genannten Seite 14 entspricht im PDF die Seite 22 (weil den “Richtlinien” noch die Sitzungsvorlage für den Gemeinderatsbeschluss vorangestellt ist).