Skip to main content
Rad-Demo durch Aulendorf

„Von Menschen, die auf Bäume steigen“



Foto: Gerhard Maucher
Blix-Chefrefakteur Dr. Roland Reck moderierte das Film-Gespräch. Links Gudrun Bosch, rechts Prof. Wolfgang Ertel

Aulendorf – Am Abend nach der Rad-Demo durch Aulendorf am Klimastreiktag hatte die BUS ins Dorfgemeinschaftshaus Tannhausen eingeladen, wo der Film „Von Menschen, die auf Bäume steigen“ gezeigt wurde. Der Film begleitet die Waldbesetzer Samuel Bosch und Charlie Kiehne und einige ihrer Mitstreiter*innen über 18 Monate auf ihren Aktionen im Altdorfer Wald, beim nächtlichen „Essen retten“ in Weingartens Supermärkten, oder bei Prozesstagen im Amtsgericht Ravensburg. Regie führten die Filmproduzentin Bernadette Hauke und ihr Kollege Christian Fussenegger, der aus Wangen stammt.

Es geht nicht nur darum, Bäume im zweitgrößten zusammenhängenden Wald von Baden-Württemberg zu retten, sondern auch darum, etwa 250 Trinkwasserquellen auf dem exponierten Waldburger Rücken zu schützen, die bei Weißenbronnen sich zum klarsten Trinkwasser sammeln. „Wasser statt Kies“, so wollen es Einwohner aus Oberankenreute, die auch durch den ständigen Lärm der Kieslaster, die an ihren Häusern vorbeifahren, seit 20 Jahren belastet sind. Statt Renaturierung und Ruhe soll nun ein weiteres Stück Wald dem Kiesabbau geopfert werden, wie es der zuletzt beschlossene Regionalplan vorsieht.

ANZEIGE

Der Film beginnt damit, wie ein SEK-Kommando die Waldbesetzer von den Bäumen holt, weil ein Gebiet, das zum Kieswerk Tullius gehört, erweitert werden soll. Unmittelbar nach der 2-tägigen Räumung kommt der Harvester und reißt die Bäume samt Wurzel aus dem Waldboden und zerkleinert die Stämme in handbare Stücke. Im Ergebnis stapft Charlie Kiehne durch eine trostlose immer größer werdende Kiesgrube mit riesigen Kiesbergen unterschiedlicher Körnungen.

Kiesabbau bedeutet, die Schutzschicht über dem Grundwasser wegzunehmen, wenn man beim Abbau in diese Tiefe baggert. Mit Kies werden riesige Summen verdient, sagt Samuel Bosch und eindrücklich zeigt es der Film mit einem Blick über die ausufernde Asphaltmischanlage Grenis bei Amtzell, als einem Beispiel der „Kieskonzerne“, wie sie von Kiehne bezeichnet werden.

ANZEIGE

Der nach zwei Nächten auf den Bäumen erschöpfte Waldbesetzer Martin Lang (55 J.)wird nach der Räumung in Oberankenreute von seinem Mitstreiter Manne Scheurenbrand (68 J.) getröstet und in den Arm genommen. Manne, wie er von allen genannt wird, zählt seit dem Beginn der Besetzung im Februar 2021 und schon bei Demonstrationen zuvor zu den größten Unterstützern der Menschen, die auf Bäume steigen, indem er, nur ein Beispiel, mit den geretteten Nahrungsmitteln, für sie kocht oder verkleidet als Don Quijote mit dem Theaterstück Auszug aus Waldburg den Protest in die Landeshauptstadt Stuttgart trägt. Eine großes Aufsehen erregende Kletteraktion in Berlin ist zu sehen, wie es Samuel und Charlie gelingt, das Brandenburger Tor zu erklimmen.

Ganz nah und der Absturzgefahr ins Auge schauend, sind die Filmzuschauer:innen dabei, wie Charlie mit Samuel und Martin die Basilika über das nasse Dach hochklettern, um zentral ein großes Transparent zu platzieren. Nicht alle spektakulären Aktionen gelingen. Gezeigt wird Charlie Kiehne vor dem Ulmer Münster in ihrer Heimatstadt, als sie der versammelten Presse erklärt, weshalb die Aktion am Münster ein Transparent anzubringen, gescheitert ist. Zu gefährlich war es die Aktion fortzuführen, nachdem die Presserklärung zur Polizei durchgestochen und verraten wurde.

In dem 93-minütigen Film zeigen die Protagonisten unkommentiert ihren Alltag im Baumcamp und berichten von ihrer Motivation zum Protest, auch von ihrem Willen, bis zum Ende durchzuhalten. Inzwischen bereiten sie sich auf den vierten Winter der Besetzung vor. Zu Wort im Film kommen auch Rosemarie Vogt und Gudrun Bosch, die Mutter von Samuel. Sie muss in der anschließenden Podiumsdiskussion ihren Sohn vertreten, der mit einer Lungenentzündung und hohem Fieber zuhause im Bett liegen bleiben muss.

Da sie im Hintergrund bei vielen Aktionen mitgewirkt hat, kann sie authentisch von den Stimmungen der Aktivist*innen berichten. „Das Klima ist kränker als ich“, berichtet sie von ihrem Sohn. Auf die Frage eines Zuschauers, wo der Film zu bekommen wäre, weiß sie auch, dass er über den Kontakt zu den Filmemachern zu beziehen und für Schulen sogar kostenlos sei. Zuletzt habe eine Schulklasse gar eine Woche lang im Camp übernachtet. Bei der vom BLIX-Chefredakteur Dr. Roland Reck moderierten Diskussion mit Gudrun Bosch, Rosemarie Vogt und Prof. Wolfgang Ertel ist viel von Geduld und langen Atem bei den Aktionen die Rede. „Welche Not muss ein Mensch haben“, meint Vogt, die Rentnerin aus Weingarten, die erst seit etwas über einem Jahr die Aktionen begleitet, „so lange im Baumcamp auszuharren“. Ertel, der Professor für künstliche Intelligenz an der Hochschule Weingarten und Begründer der Scientists for Future nennt es Verzweiflung.

Er hat seine eigenen Erfahrungen mit Geduld im Klimastreit gemacht. Zehn Jahre hatte er intern gegen die Verwaltung seiner Hochschule gekämpft, die Heizungen in den Semesterferien im Winter herunter zu regeln. Ohne Erfolg, erst als er mit Samuel Bosch auf einen Baum kletterte und bundesweit die Presse darüber berichtete, wurden jetzt zwei Stellen für Klimaschutzmanager geschaffen.

Auch der Dank und Anruf der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer rettete ihn aber nicht davor, dass die Aktion mit 4000 Euro nach dem Versammlungsrecht vor dem Amtsgericht in Ravensburg abgestraft wurde.

Letztlich bleibe nur der Weg mit Aktionen des zivilen Ungehorsams Aufmerksamkeit zu bekommen, argumentiert Ertel, der sich auch enttäuscht zeigte über die geringe Zahl von 300 Demoteilnehmer:innen am Klimastreik jetzt in Ravensburg. Die zehnfache Teilnehmerzahl hätte er sich angesichts der Dringlichkeit der Thematik gewünscht. Zur Verdeutlichung führte er an: 11 Tonnen CO² stoße der typische Deutsche jährlich aus, 1 Tonne wäre nachhaltig. Ein weiter Weg noch bis zum Ziel seiner Devise: weniger ist mehr und endlich zu handeln.



BILDERGALERIE

Fotos: Gerhard Maucher

NEUESTE BEITRÄGE

Aulendorf
Förderung ihrer lyrischen Arbeiten

Doris Vogel aus Aulendorf erhält Literaturstipendium des Landes

Stuttgart / Aulendorf – Die Literaturstipendien des Landes Baden-Württemberg gehen für das Jahr 2025 an die aus Aulendorf stammende Doris Vogel sowie an Silke Stamm, Frieda Paris und Simone Kucher.
Geschenktipp der Redaktion: Kabarett-Karten unterm Christbaum

Zum Vormerken: die Termine von “OigaArt” im nächsten Jahr

Aulendorf – “OigaArt”, das herausragende Schwaben-Kabarett in Aulendorf, zeigt sein umjubeltes Programm „Häck Mäck“ in den nächsten beiden Jahren erneut. Es ist das dritte Programm der sechsköpfigen Truppe nach „Normalidät“ und „Schaumschlaga“. In diesem Herbst waren es sechs innerhalb kürzester Zeit ausverkaufte Vorstellungen und die sieben Vorstellungen im Frühjahr 2025 sind ebenfalls bereits seit Ende November ausverkauft. Es gibt noch Karten für die Vorstellungen im Herbst nächsten …
Auf dem Weg zum Großmeister

Marius Deuer kommt dem großen Ziel näher

Aulendorf – Großmeister (GM) zu werden, das wünschen sich viele Schachspieler, aber nur wenige können wirklich damit rechnen, dieses Ziel zu erreichen. Man braucht eine Spielstärke von 2500 Elo-Punkten und muss in mindestens drei international besetzten Turnieren gegen ein starkes Spielerfeld sogenannte Normen erzielt haben.
“Hommer’s it schee – wa willsch no meh”

OigaArt begeistert mit dem neuen Programm „Häck Mäck“

Aulendorf – Am vergangenen Wochenende (26./27.11.) standen die Akteure von OigaArt, dem kabarettistischen Aushängeschild des Kleinkunstvereins Aulendorf, auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Mit ihrem neuen Programm “Häck Mäck” begeisterten sie das Publikum im ausverkauften Saal der „Spielerei“ im Hofgarten. Eine Lachsalve nach der anderen belohnte die Akteure auf der Bühne. Keine Angst, wer für die Aufführungen im Herbst keine Karten mehr bekam, kann jetzt schon für Frühjahr reservieren….
mit Bildergalerie
veröffentlicht am 28. November 2024
Offener Brief

Die Sache mit den Ersatzbussen

Der Verkehrsverbund bodo übt Kritik an der Deutschen Bahn.
von Bernd Hasenfratz
veröffentlicht am 14. November 2024
ANZEIGE

MEISTGELESEN

Aulendorf
Erinnerung eines Sebastianspilgers

Auf Vaters Spuren

Haisterkirch – 20. Januar, Sebastianstag. Im bäuerlichen Jahreskreis einst ein herausragender Tag, pilgerte man doch zum „Bastiane“ in vielerlei Anliegen, auch mit der Bitte, das Vieh möge vor Seuchen bewahrt bleiben. Der Schreiber dieser Zeilen, ein Bauernsohn aus dem Allgäu, ist seit vielen Jahren stets am 20. Januar mit dabei, wenn es gilt, den Heiligen um Fürsprache zu ersuchen. Noch viel länger ist Rudi Martin ein Sebastianspilger. Sachkundig berichtet der in den Achtzigern stehende ehem…
Ehrungsabend der Narrenzunft Aulendorf

Ein Abend der Anerkennung und Dankbarkeit

Aulendorf – Am Abend des 5. Januars lud die Narrenzunft Aulendorf zum traditionellen Ehrungsabend ins Zunftheim ein. „Es ist uns eine Herzenssache, langjährigen Mitgliedern und treuen Helfern unserer Fasnet zu danken“, betonte Zunftmeister Florian Angele in seiner Begrüßungsrede. Die Veranstaltung, die seit vielen Jahren am Vorabend des offiziellen Beginns der schwäbisch-alemannischen Fasnet – das ist der Dreikönisgtag (6. Januar) – stattfindet, würdigt das Engagement zahlreicher Mitglieder u…
Leserfotos

Die letzten Winterbilder

Region (rei) – Wir hatten unsere Leser eingeladen, uns Winter-Bilder zukommen zu lassen. Die Reaktion aus unserer Leserschaft auf unseren Aufruf war überwältigend. Wir veröffentlichen jetzt die letzten Bilder aus diesem Aufruf. Winter-Bilder passen nicht mehr zur aktuellen Wetter-Situation, die sich wenig winterlich darstellt. Allen, die uns und unsere Leserschaft mit ihren Winterbildern erfreut haben, sagen wir ein herzliches Dankeschön.
Leserbrief

Die Bürger werden getäuscht

Zur Diskussion um Windkraft
von Dr. Wolfgang Hübner, Bad Wurzach
veröffentlicht am 13. Oktober 2023
Aus dem Kreistag

Bad Waldsee bekommt keine Anschubfinanzierung für ein PVZ

Fronhofen – In seiner Sitzung am 19. Oktober in Fronhofen lehnte der Kreistag einen Antrag der CDU-Fraktion für eine Anschubfinanzierung eines Primärversorgungszentrums (PVZ) in Bad Waldsee in Höhe von 100.000 Euro ab. Vorgeschichte: Nachdem der grüne Gesundheitsminister Manne Lucha den Daumen über Bad Waldsees Krankenhaus gesenkt und der Kreistag, auch mit den Stimmen der CDU und gegen massiven Widerstand der SPD, auch der Mehrheit der ödp-Fraktion sowie von Teilen der Freien-Wähler-Frakt…

TOP-THEMEN

Aulendorf
Haisterkirch – 20. Januar, Sebastianstag. Im bäuerlichen Jahreskreis einst ein herausragender Tag, pilgerte man doch …
Aulendorf – Aufgrund einer Baumaßnahme auf der Bahnstrecke Aulendorf – Sigmaringen in der Nacht  vom 23. auf den…
Aulendorf – Am Abend des 5. Januars lud die Narrenzunft Aulendorf zum traditionellen Ehrungsabend ins Zunftheim ein. …

Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk in Allgäu-Oberschwaben

VERANSTALTUNGEN

Aulendorf