Moor-Momente: Strategie ist alles
Bad Wurzach – Winterzeit ist Ruhezeit in der Natur und auch im Wurzacher Ried. Keine Mooreidechsen huschen über die Bohlenpfade, keine blauschimmernden Prachtlibellen tanzen entlang der Ufer der Wurzacher Ach, Vogelgezwitscher ist kaum zu vernehmen. Vielmehr sind die Tiere nun mit zwei Problemen konfrontiert: Es ist kalt und es verbraucht daher viel Energie, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten, und es gibt keine oder nur wenig Nahrung. Die Strategien, die entwickelt wurden, um diese Herausforderungen zu meistern, sind vielfältig und teilweise verblüffend.
Wechselwarme Tiere, also diejenigen, bei denen die Körpertemperatur nicht konstant ist, sondern sich nach der Umgebungstemperatur richtet, können den Winter nur in Form einer Winterstarre überdauern. Insekten, Spinnentiere oder Schnecken gehören dazu, außerdem Reptilien und Amphibien. Sie suchen sich ein geschütztes Quartier und werden dort nicht nur sprichwörtlich starr vor Kälte. Dabei muss das Versteck aber frostfrei sein, denn die Bildung von Eiskristallen im Körper der Tiere wäre tödlich.
Teilweise werden daher in den Körperflüssigkeiten Frostschutzmittel gebildet, um dieser Gefahr zu entgehen. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Zitronenfalter. Als eine der wenigen heimischen Schmetterlingsarten überwintert er nicht als Raupe oder Puppe, sondern als voll entwickelter Falter. Dabei sucht er sich, im Gegensatz zu Tagpfauenauge oder Kleiner Fuchs, kein geschütztes Quartier in Spalten, Schuppen oder auf Dachböden, sondern hängt frei in der Vegetation. Dort wird er teilweise eingeschneit oder äußerlich von Eiskristallen umgeben, seine Körperflüssigkeiten aber werden durch die Einlagerung von Glycerin, Sorbit und Eiweißen geschützt. Durch Form und Färbung ist der Falter an seinem bevorzugten Platz zwischen Brombeerblättern kaum zu erkennen.
Im Gegensatz zu den wechselwarmen Tieren sind Vögel und Säugetiere gleichwarm, also in der Lage, ihre Körpertemperatur aktiv aufrecht zu erhalten. Doch wird hierfür viel Energie benötigt, was bei der knappen Winternahrung ein schwieriges Unterfangen sein kann. Winteraktive Säugetiere, wie Rehe, Füchse, Wildschweine, Hasen oder Marder, fressen sich im Herbst eine Fettschicht an und legen sich ein Winterfell zu und halten sich im Winter ruhig an geschützten Plätzen auf. Jede Flucht oder auch nur Erhöhung des Herzschlages durch Stress bedeuten den Verbrauch wertvoller Energie. Diese Arten profitieren daher in besonderem Maße von den nicht zugänglichen Gebieten im Wurzacher Ried und decken ihren Nahrungsbedarf mit dem, was die Natur jetzt noch an Blättern, Wurzeln, Früchten oder Kleintieren hergibt. Einige Säugetiere, darunter Igel und Fledermäuse, gehen einer anderen Strategie nach. Ihre Nahrung aus Insekten und anderen Kleintieren ist im Winter nicht verfügbar. Da hilft nur eins: Augen zu und durch – sprich Winterschlaf. Die Tiere suchen sich ein geschütztes Winterquartier, wo sie in einen tiefen Ruhezustand fallen und weder fressen noch zur Toilette gehen. Dabei wird die Körpertemperatur heruntergefahren, der gesamte Stoffwechsel mit Atmung und Herzschlag wird enorm verlangsamt. So atmet ein Igel beim Winterschlaf nur etwa sechs- bis achtmal pro Minute, die Körpertemperatur beträgt nur noch um die 5°C. Das spart Energie, die zuvor im Herbst als Fettschicht angelegt wurde. Eine durchaus schöne Vorstellung, die kalte und manchmal auch sehr graue Winterzeit zu verschlafen und erst mit der warmen Frühlingssonne wieder zu erwachen. Eine andere Alternative ist: Nichts wie weg! Diese Strategie findet bei einigen Menschen ja durchaus Anwendung, und auch einige Vogelarten verbringen den Winter in südlicheren Regionen, wo ausreichend Nahrung vorhanden ist. Ein außergewöhnliches Unterfangen, wenn man bedenkt, dass manche Vögel dabei tausende von Kilometern zurücklegen, wenn sie Winterquartiere im südlichen Afrika aufsuchen und dabei Gebirge oder Meere überqueren. Andere Vogelarten hingegen bleiben den Winter über bei uns, suchen akribisch nach den letzten Kleintieren oder ernähren sich von Früchten und Samen. In Gärten profitieren sie dann enorm davon, wenn nicht alles Laub eingesaugt oder weggeblasen und nicht alle Stauden und Gehölze zurückgeschnitten sind. Besonders schwer haben es die kleinen Zaunkönige und Wintergoldhähnchen, die bei ihrer geringen Körpergröße enorm viel Energie verbrauchen. Sie bilden daher in besonders kalten Phasen Schlafgemeinschaften und kuscheln sich dicht aneinander. Gut nachvollziehbar, dass sich die Kälte so leichter ertragen lässt. Und schließlich gibt es auch noch Vogelarten, die erst im Winter aus ihren weiter nördlich und östlich gelegenen Brutgebieten zu uns kommen und die kalte Jahreszeit in unserer Gegend verbringen. Über diese Wintergäste wird das nächste Mal berichtet.
Kommen Sie bis dahin gut durch den Winter.
Vielleicht nach der Strategie des Eichhörnchens: Einkuscheln und Ruhen im gemütlichen Zuhause, zwischendrin die Vorräte – weihnachtliche Leckereien – und die Wintersonne genießen.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!