Viele Bürger versammelten sich am Denkmal für die Gefallenen der Weltkriege
Bad Wurzach – Auf Einladung der Stadtverwaltung und der Kirchen versammelten sich viele Bürger, Abordnungen von Vereinen und Institutionen am Kriegerdenkmal an der Aussegnungshalle, um der Opfer von Kriegen, Terror und Gewalt zu gedenken.
Die Stadtkapelle, die gemeinsam mit dem Liederkranz Chorioso den musikalischen Part der Gedenkveranstaltung bestritt, eröffnete die Feier musikalisch mit einem Choral, während die Fähnriche der teilnehmenden Vereine ihre Fahnen zum Gedenken an die Toten senkten.
Gedenkansprache von Bürgermeisterin Scherer
Bürgermeisterin Alexandra Scherer musste wie in den beiden Jahren zuvor ihre Gedenkrede mit der Erinnerung an den Krieg in der Ukraine, dem ersten Krieg seit fast 80 Jahren auf europäischem Boden, sowie dem Terrorkrieg im Nahen Osten beginnen. „Leider sehen wir immer noch täglich in den Nachrichten, wozu Menschen fähig sind: Flüchtlingsströme, geplünderte und zerstörte Städte, Drohnenangriffe, Vertreibungen und grausame Massaker an Zivilisten.“ Eine weitere schlimme Entwicklung sei der zunehmende Antisemitismus in Deutschland: „Das ist nicht akzeptabel, die Gesellschaft darf das nicht dulden!“ Daher müsse auch in diesem Jahr die Frage gestellt werden, ob Menschen und Gesellschaften nichts aus der Geschichte lernten. Tatsächlich seien die Jahrzehnte nach 1945 jedoch Zeiten eines der größten politischen Wunder der Weltgeschichte geworden: die der Europäischen Einigung. „Geschichte ist kein Schicksal. Aus Erzfeinden können beste Freunde werden, wie die deutsch-französische Annäherung zeigt.“ Diese Annäherung der Regierungen sei auch eine Folge des zivilgesellschaftlichen Engagements mutiger Bürger auf beiden Seiten gewesen. Basis für die dabei entstandenen Städtepartnerschaften sei dabei Vertrauen auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft gewesen. In Zeiten von Desinformation und Geschichtsverdrehung sei eine gemeinsame europäische Erinnerungskultur grundlegend.
Freundschaften durch Städtepartnerschaften
Bad Wurzach sei deshalb sehr dankbar für die vier Städtepartnerschaften. Die freundschaftlichen Beziehungen dorthin seien keine Selbstverständlichkeit und kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis von Engagement und Vertrauen zueinander. „Erst in den letzten Tagen haben wir erfahren, dass daraus echte und belastbare Freundschaften entstanden sind.“ Dies sei die beste Basis für Frieden, worin sich bei uns doch alle einig seien. Der Volkstrauertag sei wieder einmal ein Auftrag an alle, sich für eine friedliche Gegenwart und Zukunft einzusetzen.
Beim Totengedenken gedachte die Bürgermeisterin allen Opfern von Gewalt und Krieg, den Soldaten, die in Kriegen starben oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ums Leben kamen. Aber auch derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einer anderen Rasse oder Minderheit angehörten. Oder deren Leben wegen Krankheit oder Behinderung als „lebensunwert“ bezeichnet wurde. Ebenfalls gedachte die Bürgermeisterin denen die im Widerstand ihr Leben verloren oder weil sie an ihrer Überzeugung festhielten. „Wir trauern mit allen, die Leid tragen um ihre Toten und teilen ihren Schmerz. Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern.
Beitrag von Schülerinnen des Salvatorkollegs
Es ist schon lange Tradition, dass an den Gedenkfeiern am Volkstrauertag Schülerinnen und Schüler von Bad Wurzacher weiterführenden Schulen ihre Gedanken zum Frieden beitragen. Dies waren in diesem Jahr Kerstin Eble und Magdalena Demmel vom Salvatorkolleg. Gemeinsam mit ihrem Geschichtslehrer Christoph Sigg haben die Beiden sich Gedanken zum Ukrainekrieg gemacht, der bis dato rund eine Million Menschen getötet oder für ihr Leben gezeichnet hat und der als Stellungskrieg sehr viel Ähnlichkeit mit dem ersten Weltkrieg hat.
„Im Westen nichts Neues“ so lautet der Titel eines Antikrieg-Romans von Erich Maria Remarque und seiner Verfilmung. Darin hatte Remarque seine Kriegserlebnisse aus dem 1. Weltkrieg geschildert, die allerdings angesichts des Krieges in der Ukraine wieder hochaktuell sind. Die beiden Schülerinnen trugen daraus drei Zitate und ihre Gedanken dazu vor. Krieg ist immer Überlebenskampf, die Soldaten, die aus einem Krieg zurückkehren sind entweder psychisch und/oder körperlich gezeichnet. Schrecklich für ihre Familien ist stets die Ungewissheit und die Hoffnung. „Und oft bleiben ihnen nur die Hoffnung.“ Die Soldaten erfuhren bei Remarque, was es heißt, dass jeder Moment sein letzter sein kann. „Die Unberechenbarkeit machte den einzelnen Soldaten machtlos und verletzlich. Aus dem Käfig, den der Krieg um ihn errichtet hat, kann er aus eigener Kraft nicht entkommen.“ Besonders das dritte Zitat: „Käme dein Vater mit denen da drüben, Du würdest nicht zaudern, ihm die Granate gegen die Brust zu werfen!“ zeigt, was Krieg aus den Soldaten macht. Krieg verroht, bricht jedes Tabu. Er bringt den Soldaten dazu, im Gegenüber nicht mehr den Menschen zu sehen.“ Töten wird etwas Alltägliches. Der Krieg entmenschlicht.
Und dieser Vorgang beginnt schon viel früher. Denn wo Menschen ihr Menschsein abgesprochen wird, ist die Gewalt nicht mehr weit. „Es ist daher auch heute noch wichtig, dass wir auf unsere Wortwahl achten, dass wir hellhörig sind, wenn Menschen abgewertet oder ausgegrenzt werden.“ Krieg beginne oder ende nicht mit dem ersten beziehungsweise letzten Schuss. „Wenn wir dafür sensibel sind, leisten wir einen großen Beitrag, dass unsere Gesellschaft auch weiterhin eine weitgehend friedliche bleiben wird.“ Auch wenn sich in diesen 100 Jahren die Technologien geändert hätten, das Wesen eines Krieges sei immer das Gleiche: „Sie verschlingen Menschen.“
Pfarrerin Boettiger und Pastoralreferent Miller
Pfarrerin Cora Boettiger und Pastoralreferent Raimund Miller waren mit ihren Gebeten für Frieden und Freiheit für den kirchlichen Teil der Feier zuständig. Boettiger bat in ihrem Gebet darum, dankbar zu sein für alle Gesten der Versöhnung nach den beiden Weltkriegen. Und auch das Gedenken an die Opfer der Konzentrationslager ebenso wie das der Widerstandskämpfer weiterhin hochzuhalten. „Gib uns die Kraft, öffentlich und mit Zivilcourage gegen Unrecht und Lüge aufzutreten.“ „Wir bitten Dich für einen gerechten Frieden für alle Menschen im Nahen Osten, in der Ukraine und in den vielen weniger beachteten Kriegsgebieten der Welt.“ Raimund Miller betete für die Menschen von Verfolgung und Terror, dass sie diese überstehen und ihr Leben neu aufzubauen vermögen. Er betete für alle, die für die Menschlichkeit arbeiteten, die Gewalt abbauen und Frieden aufbauen helfen.
Nach dem Abspielen der Nationalhymne durch die Stadtkapelle hatten alle Bürgerinnen und Bürger und an der Feier Beteiligten Gelegenheit, an dem Mahnmal den Toten von Kriegen, Terror und Gewalt zu gedenken.
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