„Wir müssen verhindern, dass Firmen abwandern”
Kißlegg – Mittwoch, 16. Oktober, ab 17.00 Uhr im Esther-Saal des Neuen Schlosses Kißlegg. Die vier Gemeinden des Zweckverbandes Interkommunales Gewerbegebiet Waltershofen (IKOWA) treffen sich zu einer öffentlichen Sitzung. Und zwar aus Kißlegg, Amtzell, Argenbühl und Wangen. Das IKOWA-Gewerbegebiet soll vor allem heimischen Firmen Platz schaffen. Also verhindern, „dass Unternehmen abwandern”. So Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher. Der betonte, dass man zwar wegen IKOWA im Rechtsstreit mit dem Land liege, die Klage aber derzeit „ruhen lasse” und stattdessen eben den konkreten Flächen(ausweitungs-)bedarf der örtlichen Betriebe und Alternativ-Flächen zum geplanten IKOWA-Gelände bei Waltershofen an der A 96 Richtung Wangen prüfe.
Doch: Eins nach dem anderen. Zunächst gilt es, ordnungsgemäß einen neuen Vorsitzenden und seinen Stellvertreter zu wählen. Oder: eine Vorsitzende und ihre Stellvertreterin. Alle Vertreterinnen und Vertreter der vier IKOWA-Gemeinden zeigen sich einig, dass die alten Vorsitzenden die neuen sein sollen. Einstimmig. Nämlich Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher und Wangens Oberbürgermeister Michael Lang (am Mittwochabend krankheitsbedingt nicht persönlich dabei).
Zwanzig Jahre Einsatz für das Interkommunale Gewerbegebiet Waltershofen (IKOWA) raubten Kißlegg Bürgermeister Dieter Krattenmacher offenbar nicht nur Kräfte, sondern manches Haupthaar, wie er mit Selbstironie am Mittwochabend bei der IKOWA-Versammlung bekannte. Foto: Julian Aicher
Was hat die Haar-knappe Frisur des Kißlegger Bürgermeisters Dieter Krattenmacher mit IKOWA zu tun? Die offenbar Haar-raubenden Sorgen, die das seit 20 Jahren vorgesehene Gewerbegebiet mancherorts ausgelöst haben. Für eine 33 Hektar große Fläche südwestlich von Waltershofen an der A 96 Richtung Wangen hatten die IKOWA-Aktiven einen Flächennutzungsplan erarbeitet. Den entsprechenden Bebauungsplan dazu kassierte das Verwaltungsgericht 2016 ein.
Dann kam aus der Stuttgarter Regierung noch der Hinweis auf ein „Anbindungsgebot”. Sprich: das Grundstück für IKOWA müsse direkt an einen bebauten Ort angebunden sein. Da passte der Plan nicht mehr. Bürgermeister Dieter Krattenmacher: „Das hat uns kalt erwischt.”
Um künftig für IKOWA nicht noch mal ein Nein von höherer Stelle zu bekommen, werde jetzt der „regionale Bedarf” bei Betrieben genauer geprüft. Außerdem solle IKOWA „in kleineren Einheiten” interessierten Firmen zur Ansiedlung angeboten werden. Nämlich 0,75 bis 1,5 Hektar je „Einheit”. Und schließlich müssten „Alternativen” zum IKOWA-Gelände genau geprüft werden.
Diese Prüfung schien vor allem dem Wangener Stadtrat Tilmann Schauwecker ein großes Anliegen. Der Grüne, der aus der Argen-Stadt mit dem Fahrrad zur IKOWA-Sitzung angereist war, schlug ein Freiland-Sonnenstromkraftwerk statt des Gewerbegebiets vor. „Das wäre besser als nichts”, sagte Schauwecker. Sein Ratskollege Christian Natterer (CDU) hielt dagegen: „Wir haben in Wangen keinen Quadratmeter neue Gewerbeflächen in städtischem Besitz.“ Ähnlich knapp scheint’s in Argenbühl zu sein. In dessen bayerischen Nachbarorten siedelten stattdessen Firmen an.
Kißlegg Bürgermeister Dieter Krattenmacher: Er müsse feststellen, dass er in Kißlegg derzeit „Unternehmen kein Angebot machen kann”. Und „ich möchte da nicht zuschauen, dass Unternehmen abwandern”. Krattenmacher riet stattdessen zur Zuversicht: „Kommunalpolitik hat ganz viel mit Hoffnung zu tun.” Krattenmacher erntete Zustimmung der großen Mehrheit im Esther-Saal, als er zusammenfasste: „Wir müssen jetzt nach vorne schauen”.
Julian Aicher
IKOWA – eine lange Geschichte
Das Interkommunale Gewerbegebiet IKOWA wurde vor mehr als 16 Jahren konzipiert. Auf der Webseite der Gemeinde Kißlegg wird das Projekt wie folgt beschrieben: „Die Gemeinden Kißlegg, Amtzell, Argenbühl und die Stadt Wangen haben nach der Beschlussfassung durch die zuständigen Gemeinderäte und darauf folgender Unterzeichnung der Verbandssatzung durch die jeweiligen Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister den Zweckverband (ZV) am 5. Mai 2008 aus der Taufe gehoben. Nach Genehmigung und Veröffentlichung der Satzung durch das Landratsamt Ravensburg ist der Zweckverband am 31. Mai 2008 entstanden. Zweck des Verbandes ist die gemeinsame Ansiedlung von Gewerbe entlang der Bundesautobahn A96, Anschlussstelle Kißlegg/Dettishofen. Hierzu plant und erschließt der Verband das Interkommunale Gewerbegebiet Waltershofen, siedelt dort Betriebe an und unterhält die dafür erforderlichen öffentlichen Einrichtungen.“
Die Beteiligungsverhältnissen sind wie folgt:
- Gemeinde Kißlegg: 3 Stimmen 50 %
- Stadt Wangen: 1 Stimme 16 ²/³ %
- Gemeinde Amtzell: 1 Stimme 16 ²/³ %
- Gemeinde Argenbühl: 1 Stimme 16 ²/³ %
Weiter heißt es auf der Webseite: „Im April 2018 (…) beschloss die ZV-Versammlung, das ruhende Zielabweichungsverfahren und Bebauungsplanverfahren wiederaufzunehmen. Das Zielabweichungsverfahren für das IKOWA soll über den Regionalverband Bodensee-Oberschwaben (RVBO) eingereicht werden.“
Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben hat dann in der Tat die Zielabweichung in den Entwurf des neuen Regionalplanes aufgenommen. Im September 2023 aber hat das Land Baden-Württemberg den neuen Regionalplan zwar genehmigt, dabei allerdings IKOWA herausgenommen. Die Fläche „auf der grünen Wiese“ laufe dem Anbindegebot, einem zentralen Ziel der Regionalentwicklung des Landes, zuwider. Der entsprechende Zielabweichungsantrag wurde abgelehnt. Der Zweckverband Interkommunales Gewerbegebiet Waltershofen (Ikowa) hat dagegen Klage gegen das Land Baden-Württemberg eingereicht. Neben dem Rechtsweg setzen die Verbandsgemeinden aber weiter auf Gespräche. Derzeit gilt die Klage als „ruhend“. (rei)