Falsche Zahlen bei der Windkraft-Planung?
Region – Windkraft. Ein Thema, das die Gemüter erregt. Für die Planung zuständig ist in unserer Region der Regionalverband Bodensee Oberschwaben. Er räumt noch bis zum kommenden Dienstag, 2. April (24.00 Uhr), Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit ein, Anregungen, Beschwerden und Vorschläge anzubringen. Unter der Mail-Adresse: info@rvbo.de
Doch: Von welchen technischen Voraussetzungen geht der Regionalverband aus? Genauer: Wo bläst der Wind wann und wie stark? Informationen dazu holen die Regionalverbände aus dem Windatlas Baden-Württemberg. So zumindest sagt’s der Freiburger Physiker Professor Dr. Michael Thorwart. Der Wissenschaftler bemängelt, „dass der Windatlas – ich sag mal – 20 bis 30 Prozent mehr vorhersagt, als das, was sozusagen Realität darstellt.” Demnach lässt der Windatlas Baden-Württemberg mehr Ertrag erwarten, als die Windräder dann wirklich bringen.
Ein Gemeinderatsmitglied aus dem Kreis Ravensburg hat die Bildschirmzeitung vor einigen Tagen darauf aufmerksam gemacht. Nämlich auf ein Interview, das Professor Thorwart vor laufender Filmkamera gegeben hat: https://www.youtube.com/watch?v=0NM2UN-su78 In diesem Gespräch betont der Physiker zu vorgesehenen Windkraftwerken, die auch aufgrund des „Windatlas Baden-Württemberg” geplant werden: „Das kann durchaus sein, dass nicht so viel Energie rauskommt, wie gedacht.”
Unterschiedliche Windstärken an der Landesgrenze?
Damit nicht genug. Denn Professor Michael Thorwart sagt, von ihm und seinen Fachleuten seien Daten sowohl im Windatlas Baden-Württemberg als auch im Windatlas Bayern verglichen worden. Und zwar für 20 Standorte entlang der Landesgrenze Bayern/Baden-Württemberg im Allgäu. Standorte teils nur wenige Meter voneinander entfernt. Dabei habe man teils festgestellt, „dass es da bis zu 80 Prozent Unterschied an einzelnen Messstellen gibt”. Daraus ergebe sich wiederum die Frage, ob der Satz stimmt: „Im Allgäu weht der Wind auf der bayerischen Seite schwächer.“ Teils nur wenige Meter voneinander entfernt? Kann das sein? Im genannten Interview lächelt der Freiburger Physiker dazu eher milde und deutet an: Einer der Wind-Datensätze muss eher falsch liegen. Entweder Bayern oder Baden-Württemberg.
Die Bildschirmzeitung fragte dazu am Dienstagnachmittag (26.3.2024) beim Regionalverband Bodensee-Oberschwaben nach. Bisher liegt von dort keine Antwort vor. Allerdings spricht einiges dafür, dass die Daten aus Bayern eher der Wirklichkeit entsprechen könnten. Denn der Freistaat verfügt in Bayerisch Schwaben über Zahlen aus mindestens 20 aktiven Windrädern in den Kreisen Unterallgäu, Oberallgäu und Ostallgäu. In den baden-württembergischen Landkreisen Biberach und Ravensburg arbeiten dagegen bisher nur drei Windkraftwerke. (Zwei dieser Windräder drehen sich bei Bad-Wurzach-Unterschwarzach, ein drittes bei Ummendorf im Kreis Biberach.) Aus bereits aktiv Strom gewinnenden Windkraftwerken lassen sich echte Ertragsdaten erkennen.
Dass vorausgesagte Arbeitsdaten zu Erneuerbaren Energien falsch wirken, zeigt sich außerdem am Energieatla” des Umweltministeriums Baden-Württemberg zur Wasserkraft – wohl 2015 veröffentlicht. Darauf haben schon mehrere Fachleute hingewiesen. In diesem Energieatlas wurden zum Beispiel die Möglichkeiten der Wasserkraft eher willkürlich festgelegt. Nämlich viel weniger als wirklich möglich. Beispiel: Die Stuttgarter Studie nennt dort nur Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von 8 Kilowatt und größer. Warum nicht auch kleinere? Etwa solche mit 3 Kilowatt? Mehrere Fachingenieure, die befragt wurden, ob es einen t e c h n i s c h e n Grund dafür gäbe, dass die Wucht aus treibenden Tropfen erst ab 8 Kilowatt bewertet werde, antworteten alle: „Nein“. Ebenso ein Nein vom einem IHK-vereidigten Gewässerökologen, ob aus Naturschutzgründen Wasserkraftwerke erst ab einer Leistung von 8 Kilowatt vermerkt werden sollten. Zum Vergleich: Ein Kleinwasserkraftwerk mit 3 Kilowatt Nennleistung kann pro Jahr gerne an die 18.000 Kilowattstunden Strom erzeugen. Eine Photovoltaikanlage mit 3 Kilowatt Nennleistung (3 kW peak) bringt rund 3000 Kilowattstunden pro Jahr. Die Zahlen des Stuttgarter Umweltministeriums deuten also eher auf ein politisch gewolltes Kleinrechnen der Wasserkraft als auf echte technische Daten hin. Bei der Windkraft dürfte es sich umgekehrt verhalten. Nämlich: Winderträge vorab schönreden.
„Genauer hinschauen“ sagte der ehemalige Bundesumweltminister und spätere UNO-Klimaschutz-Beauftragte Prof. Dr. Klaus Töpfer (CDU). Hat Töpfer Recht, dann scheint es womöglich sinnvoll, sich die Daten aus dem Windatlas Baden-Württemberg nochmals für die Windkraftplanung im Planungsbereich Bodensee-Oberschwaben nochmals genauer anzuschauen. Und vielleicht nach-justieren? Damit Windkraft nur dort als nutzbar ausgewiesen wird, wo genug Wind weht.
Transparenz-Hinweis: Julian Aicher (*1958 in Ulm) aus der Rotismühle (Leutkirch-Rotis) ist Befürworter der Windkraft. Allerdings: Genutzt werden sollte sie dort, wo genug Wind weht. So Aichers Meinung. Wie etwa im bayerischen Wildpoldsried bei Kempten. Aicher nahm ums Jahr 2000 selbst an der Windmessung Legau teil. Das Windrad dort (Nabenhöhe: etwa 70 Meter) dreht sich heute noch häufig. 2018 veröffentlichte Julian Aicher den Film WIS Windkraft in Schwaben – YouTube mit. Zu Erneuerbaren Energie im Landkreis Ravensburg äußerte sich Aicher 2023 auch hier in der Bildschirmzeitung Anmerkungen zur Energiewende – BLIX & dieBildschirmzeitung Dort wies er darauf hin, dass es im Kreis Ravensburg 2023 schon mindestens sechs Gemeinden gab, in denen die Summe aller dort verbrauchten elektrischen Kilowattstunden dank Erneuerbaren Energien am Ort selbst entsteht. Also 100 %. Teils schon mehr. Und zwar in allen sechs Gemeinden o h n e Windkraft. Julian Aicher ist als Befürworter der direkten Demokratie deshalb der Ansicht, dass Windkraft nur mit Zustimmung der örtlichen Bevölkerung dort genutzt werden sollte. Im Zweifelsfall erst nach Bürgerentscheiden. Wir kürzlich in Tiengen bei Singen (wo das Wahlvolk den Windrädern zustimmte). Dazu zählt er eine vorab sachlich richtige Information der Bevölkerung zum Thema.