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Vielzahl von Veranstaltungen zum Bauernkriegsjubiläum: bundesweit, aber gerade auch in der Region

Vor 500 Jahren begann hierzulande die Demokratie



Foto: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Plakatmotiv zur Bayernausstellung 2025. Foto: Haus der Bayerischen Geschichte

Allgäu / Oberschwaben / Stuttgart – Vor 500 Jahren geschah im Allgäu und in Oberschwaben Unerhörtes. Wie in vielen anderes Regionen des Reiches erhoben sich auch zwischen Donau und Bodensee die Bauern gegen die Obrigkeit. Unter Berufung auf das Evangelium forderten sie ihre Rechte ein. Heute gelten der Bauernkrieg und die „Zwölf Artikel“ als bedeutende Wegmarken zu einer demokratischen Gesellschaft. Überall in Deutschland, aber gerade auch in unserer Region, wird daher in diesem Jahr mit einer Vielzahl von Veranstaltungen an die damaligen Ereignisse erinnert. Unser Redaktionsmitglied Herbert Eichhorn gibt einen Überblick:

Große Landesausstellungen in vier Bundesländern

Allein vier Bundesländer organisieren große Landesausstellungen. In Memmingen zeigt ab Mitte März das Haus der Bayerischen Geschichte die Bayernausstellung „Projekt Freiheit – Memmingen 1525“. Einen guten Monat später eröffnet in Bad Schussenried die Große Landesausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“, die den Höhepunkt eines mehrteiligen Projektes des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart darstellt. In Mühlhausen und Bad Frankenhausen präsentiert das Land Thüringen „Freiheyt 1525. 500 Jahre Bauernkrieg“. Dezentral ist dagegen die Landesausstellung „Gerechtigkeyt 1525. Thomas Müntzer & 500 Jahre Bauernkrieg“ in Sachsen-Anhalt angelegt. Dezentral geht es auch in Rheinland-Pfalz zu, wo das Programm von der Landeszentrale für politische Bildung koordiniert wird. Insgesamt also ein Angebot, das selbst vom Geschichtsinteressierten kaum zu überblicken oder gar zu bewältigen ist.

Zum Jubiläum ein nur schwer zu überblickendes Angebot an Veranstaltungen. Foto: Herbert Eichhorn

Viele Veranstaltungen in unserer Region

Auch im Verbreitungsgebiet der Bildschirmzeitung warten viele Städte und andere Veranstalter mit einem breiten Angebot auf. Das verwundert nicht: War doch unsere Region damals eines der Zentren der Erhebung. Besonders eindrucksvoll ist zum Beispiel das, was Memmingen, das sich seit einiger Zeit „Stadt der Freiheitsrechte“ nennt, in diesem Jahr alles auf die Beine stellt. Einen guten Überblick über die Veranstaltungen in der Region bieten die Webseiten der Gesellschaft Oberschwaben und des Allgäu-Tourismus.

Rückblick auf das Jubiläumsjahr 1975

Blickt man zurück auf das 450. Jubiläum im Jahr 1975, so wird einem schlagartig die vollkommen veränderte Sicht auf die historischen Ereignisse bewusst. Damals war es vor allem das andere Deutschland, die DDR, die den Bauernkrieg als „frühbürgerliche Revolution“ feierte. In der Bundesrepublik wurde das Jubiläum dagegen eher zögerlich thematisiert. Es waren vor allem Vertreter der Linken, gerade auch Künstler, die sich für ein Erinnern stark machten. Hier im Südwesten war es vor allem der Reutlinger Holzschneider HAP Grieshaber, der das Thema in Kunstwerken und Veranstaltungen aufgriff. In der engeren Region lud zum Beispiel das Literarische Forum Oberschwaben zu einer „Feier der 12 Artikel“ ein. Aufführungen von Yaak Karsunkes „Bauernoper“ durch das Landestheater Tübingen sorgten damals im Oberland für Unruhe.

Ausstellung „PROTEST!“: Ein früher Druck der „Zwölf Artikel“. Foto: Herbert Eichhorn

Der Bauernkrieg – ein Anliegen der Bundespräsidenten

Eine wichtige Rolle bei der allmählichen Neubewertung des Bauernkrieges in den vergangenen Jahrzehnten kam auch den jeweiligen Bundespräsidenten zu. Für Gustav Heinemann etwa war das demokratische Erbe geradezu ein Herzensanliegen. 1974, kurz vor Ende seiner Amtszeit, eröffnete auf seine Initiative in Rastatt die „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“. Dort geht es natürlich vor allem um die Revolution von 1848, aber eben auch um den Bauernkrieg. Im Jahr 2000, zum 475. Jubiläum, hielt dann Johannes Rau in der proppenvollen Martinskirche in Memmingen eine vielbeachtete Rede. Darin würdigte er den Bauernkrieg und feierte die Zwölf Artikel der Bauern als ein „Monument der Freiheitsgeschichte“, das in unserem Grundgesetz ein „fernes Echo“ finde. Heute sind sich Geschichtswissenschaft und öffentliche Meinung in dieser Einschätzung einig. Insofern ist es nur folgerichtig, wenn auch zum 500-Jahr-Jubiläum wieder ein Bundespräsident anreist: Am 15. März spricht Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung der Memminger Ausstellung.

Ausstellung „UFFRUR!“: Bauern bei der Heuernte, Monatsbild Juli mit zugehörigem Sternzeichen, Glasmalerei, Nürnberg, 1530-40. Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, M. Runge

In den Ausstellungen kommt viel KI zum Einsatz

Wenn man die Presseankündigungen zu den vielen Ausstellungsprojekten liest, wird einem schnell deren größtes Problem bewusst. Objekte, die aus der Zeit des Bauernkriegs stammen und die man präsentieren kann, sind rar. Natürlich gibt es Gemälde und Druckgrafik mit Porträts etwa von Georg Truchsess von Waldburg, dem „Bauernjörg“, der die Bauern schließlich besiegte, oder von Christoph Schappeler, dem einflussreichen Memminger Pfarrer. Aber diejenigen, die den Aufstand trugen, haben kaum ausstellbare Spuren hinterlassen. So wird oft, vor allem auch in den verschiedenen Projekten des Landesmuseums Württemberg, auf Künstliche Intelligenz (KI) gesetzt. Daher begegnet man dort überall KI-generierten historischen Figuren.

Die Bayernausstellung in Memmingen

Hier nun ein kurzer Überblick zu den wichtigsten Projekten im Süden Deutschlands und vor allem im Allgäu und in Oberschwaben. Schon bald beginnt in Memmingen die vom Haus der Bayerischen Geschichte organisierte Landesausstellung, die im Dietrich-Bonhoeffer-Haus und in der Zunftstube des Kramerzunfthauses gezeigt wird. In Memmingen dreht sich alles um die berühmten „Zwölf Artikel“ der Bauern. Als im März 1525 dort die 50 Delegierten der drei großen regionalen Vereinigungen – Baltringer, Allgäuer und Bodensee-Haufen – zusammentraten, tagte so etwas wie das erste deutsche Volksparlament. Das Ergebnis ihrer Verhandlungen waren die berühmten „Zwölf Artikel“, eine Mischung aus Beschwerdeschrift, Reformprogramm und politischem Manifest. Die Schrift wurde sofort in Augsburg veröffentlicht, dann in Windeseile im ganzen Reich nachgedruckt und sorgte überall für Furore. Der Clou der Ausstellung, zu der der Eintritt übrigens frei ist, ist natürlich, dass sie genau dort stattfindet, wo damals die Bauern zusammensaßen und verhandelten: in der Zunftstube der Kramer.

Plakat der Landesausstellung „UFFRUR!“ in Bad Schussenried. Foto: Landesmuseum Württemberg

Die Schussenrieder Ausstellung und die anderen Projekte des Landesmuseums Württemberg
Zur Eröffnung der großen Ausstellung „UFFRUR!“ in Bad Schussenried am 25. April spricht dann zwar nicht mehr der Bundespräsident, aber immerhin Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Mit einem Etat von rund 7,5 Millionen Euro ist das Projekt, nebenbei bemerkt, die kostspieligste Landesausstellung, die sich Baden-Württemberg bisher geleistet hat. Einige Teile des Projektes laufen schon länger, etwa die Instagram-Aktion „LAUTseit1525. Eine Geschichte der Möglichkeiten“. Im Landesmuseum im Stuttgarter Alten Schloss gibt es bereits seit Herbst zwei Präsentationen, die „Erlebnisausstellung“ „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ und im Kindermuseum Junges Schloss die „Mitmachaustellung für Kinder und Familien“ mit dem Titel „ZOFF!“. In der Kinderausstellung werden Gefühle wie etwa Aufregung, Angst oder Wut in Spielstationen unterhaltsam thematisiert. So gibt es zum Beispiel eine „Schimpfwort-Palme“ und gleich daneben liegen Kissen für eine Kissenschlacht bereit.

Die Ausstellung „PROTEST!“ nimmt nur ganz spärlich Bezug auf den Bauernkrieg, so etwa in den KI-Auftritten der Stuttgarterin Magdalena Schäfer. Eigentlich geht es vor allem um Protestformen in der jüngeren Geschichte und in der Gegenwart. Das Spektrum der unter anderem in großen Film-Projektionen vorgestellten Ereignisse und Bewegungen reicht von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung über die Menschenkette gegen den NATO-Doppelbeschluss bis zu den Demonstrationen gegen Stuttgart 21 oder die Coronamaßnahmen. Auch hier warten Mitmachangebote auf die Besucher. Man kann sich zum Beispiel in eine Menschenkette für Kinderrechte einreihen oder sich zu der Frage äußern „Wann würdest du eine Revolution starten?“. In der Abteilung „WUT“ kommt man allerdings darüber ins Grübeln, ob es hier die Organisatoren mit der Mitmacherei nicht doch übertreiben. Hier stehen für die Besucher Baseball-Schläger bereit, mit denen sie auf einen silbergrauen PKW einprügeln können – ein Angebot, von dem Erwachsene und Kinder denn auch regen Gebrauch machen.

Ausstellung „PROTEST!“: Blick in die Ausstellung. Foto: Herbert Eichhorn

Eine klassische Kunstausstellung in Heilbronn

Wem die überall, auch dann in Bad Schussenried, zum Einsatz kommende Künstliche Intelligenz zu viel werden sollte, dem sei das Projekt „Rebellion des gemeinen Mannes“ in der Kunsthalle Vogelmann Heilbronn empfohlen, die dort bis zum 25. Mai läuft. Das ist eine klassische Kunstausstellung, die Werke von der Bauernkriegszeit bis in die Gegenwart umfasst. Kernstück der Schau ist der Barbara-Altar des Malers Jerg Ratgeb, der aus der Stadtkirche in Schwaigern ausgeliehen werden konnte. Ratgeb war 1525 von den Bauern zum Kanzler gewählt worden, wurde deswegen später zum Tode verurteilt und hingerichtet. Daher darf in der Ausstellung natürlich Grieshabers Ratgeb-Triptychon nicht fehlen, in dessen Mittelstück er die Vierteilung des Malers auf dem Pforzheimer Marktplatz zeigt. In der Ausstellung sind neben Grieshaber aus dem 20. Jahrhundert unter anderem auch Käthe Kollwitz und Alfred Hrdlicka zu sehen.

Käthe Kollwitz in Achberg

Mehr von Käthe Kollwitz gibt es dann übrigens ab 12. April in einer großen Einzelausstellung der Künstlerin in Schloss Achberg zu sehen, natürlich auch ihren berühmten Bauernkriegszyklus.

Theaterprojekte im Allgäu und in Oberschwaben

Fünfter Teil des Großprojekts des Landesmuseums Württemberg ist das mobile Theaterspektakel „UFFRUR!… on the road“, das ab dem 1. Mai im ganzen Land unterwegs sein wird. Auch andere Theaterprojekte unterschiedlicher Ensembles kann man diesen Sommer überall im Allgäu und in Oberschwaben erleben. Die Allgäuer Freilichtbühne in Altusried etwa zeigt zum Beispiel ab dem 14. Juni in einer aufwändigen Inszenierung das Stück „1525 – Bauernkrieg. Frei sind wir und frei wollen wir sein!“. Ein Ensemble engagierter Laien wird ab Mai Yaak Karsunkes „Bauernoper“ nach 50 Jahren wieder einstudieren und in der Region präsentieren mit Aufführungen unter anderem in Baienfurt, Wangen und Wolfegg. Das Theater Lindenhof gastiert mit seinem Bauernkriegsstück ebenfalls in Wolfegg. Aber auch die Musik kommt nicht zu kurz. Die Gesellschaft Oberschwaben unterstützt eine Konzertreihe mit Musik aus dem Bauernkrieg mit Veranstaltungen unter anderem in Memmingen, Schloss Achberg und Bad Schussenried.

Wolfegg, Bad Wurzach und Leutkirch

Auch sonst werfen sich Kommunen und Institutionen in unserer Region im Jubiläumsjahr schwer ins Zeug. Vielversprechend klingt zum Beispiel die vom Bauernhaus-Museum in Wolfegg ab 22. März als eine Zeitreise angekündigte Ausstellung zum Thema.

Auch die Stadt Bad Wurzach, wo an Karfreitag 1525 eine der wichtigsten Schlachten des Krieges stattfand, bietet ein vielseitiges Programm mit Führungen, Vorträgen und Konzerten. Am 8. April gibt es zum Beispiel einen Vortrag von Stadtarchivar Michael Tassilo Wild unter dem neugierig machenden Titel „Wenn Nachbarn kämpfen: Wurzach im Bauernkrieg“. Wenige Tage später, am 14. April, wird am Leprosenhaus eine Gedenktafel enthüllt, die an die Schlacht bei Wurzach erinnert. Unter dem Leprosenberg war nämlich das Schlachtfeld, wo die Truppen des Bauernjörgs die vom Aichstettener Pfarrer Florian Greisel angeführten Bauern vernichtend schlugen.

Ausstellung „UFFRUR!“: Hans Schwarz, Medaille mit Porträt von Georg Truchsess von Waldburg, den „Bauernjörg“, nach 1520. Foto: Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch


Auch die Leutkircher haben sich für das Jubiläum Spannendes ausgedacht. Der Galeriekreis und die Heimatpflege wollen die Bedeutung des Bauernkriegs in einer großen Kunstausstellung beleuchten. Namhafte Künstlerinnen und Künstler aus Süddeutschland wurden eingeladen, sich mit ihren Werken an dem Projekt zu beteiligen. Die ausgewählten Werke werden dann ab dem 24. Mai im Gotischen Haus, im Museum im Bock und im Kornhaus zu sehen sein.

Bei der kaum zu überblickenden Vielfalt der Aktivitäten kommt einem natürlich die Befürchtung, ob das alles nicht doch ein bisschen zu viel des Guten sein könnte. Aber wahrscheinlich ist die Fülle der Angebote tatsächlich dem bedeutenden Anlass angemessen. Wie hieß es vor Kurzem in einem Artikel des Journalisten Heribert Prantl? „Vor fünfhundert Jahren, 1525, begann hierzulande die Demokratie.“
Herbert Eichhorn

Wichtige Webseiten

Die in unserem Text angesprochenen Veranstaltungen stellen nur eine Auswahl der wichtigsten dar, in Baden-Württemberg und vor allem in unserer Region. Weitere Informationen, auch zu den besprochenen Projekten, finden sich unter den folgenden Adressen:
www.hdbg.de
www.landesmuseum-stuttgart.de
www.uffrur.de
www.stadt-der-freiheitsrechte.de
www.gesellschaft-oberschwaben.de
www.allgaeu.de/kultur//veranstaltungen/bauernkrieg
https://museen.heilbronn.de/kunsthalle-vogelmann/ausstellungen/aktuell.html
www.schloss-achberg.de/ausstellung
www.allgaeuer-freilichtbuehne.de/1525-bauernkrieg
www.diebauernoper.com
www.bauernhaus-museum.de/museum/haeuser-und-rundgang/ausstellungen/sonderausstellungen
www.bad-wurzach.de/stadt/de/freizeit-kultur/veranstaltungen-termine/500-jahre-bauernkrieg-2025

Bildergalerie

In der Bildergalerie Impressionen aus den beiden Ausstellungen „PROTEST!“ und „ZOFF!“ im Alten Schloss in Stuttgart (Fotos: Herbert Eichhorn).



BILDERGALERIE

Fotos: Herbert Eichhorn und andere

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