Eine Erinnerung an Klaus Wekenmann
Aulendorf (rei) – Es war in der Fasnet des Jahres 2002. Rudolf Köberle, Chef der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin, hatte Narren aus seinem Stammland zu einem großen Fasnetsempfang in seine Statthalterei eingeladen. Mit dabei: fünf Eckhexen aus Aulendorf. Einer der fünf war Klaus Wekenmann. Nach der Rückkehr schaute Wekenmann in der SZ-Redaktion in Bad Waldsee vorbei und berichtete vom Erlebten. Bildschirmzeitungsredakteur Gerhard Reischmann, damals im Dienst der „Schwäbischen Zeitung“ Bad Waldsee-Aulendorf, notierte aus dem Rapport von Klaus W. das Nachstehende, in der SZ-Lokalausgabe veröffentlicht am 1. 2. 2002 und später in sein Buch „Menschenskinder – Notizen aus Oberschwaben“ aufgenommen (Seite 113):
Gut 150 schwäbisch-alemannische Narren – darunter fünf Eckhexen aus Aulendorf – haben am 29. Januar 2002 die baden-württembergische Landesvertretung in Berlin gestürmt. Genauer gesagt: Die Eckhexen haben mit dem Herrn der Trutzburg – Minister Rudolf Köberle – gemeinsame Sache gemacht und so ganz elegant seine Festung eingenommen. Nach Rückkehr ins heimische Schussental hat eine der gewieften Hexen vom Geniestreich zu Berlin berichtet. Der schlaue Minister – ahnend, dass er arg in die Bredouille kommen würde – hatte sich nämlich zunächst ganz raffiniert aus der Affäre gezogen. Er war einfach nicht da, als die Narrenschar seine Burg stürmte. Angeblich wegen vordringlicher politischer Geschäfte verhindert. Und dann schlich er sich im Gewande einer Eckhexe unter die lustig Feiernden, sich ihrer leichten Eroberung Freuenden und setzte sich also – wendig, wendig – an die Spitze der Bewegung. Klar, dass Klaus Wekenmann, Zunftmeister aus Aulendorf und vorab schon eingeweiht, sich von des Ministers Trick stark beeindruckt zeigte.
Wekenmann, selbst im Hexen-Häs, war mit vier weiteren Eckhexen ins fasnetsunkundige Preußen gereist. Aus den Reihen der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte (VSAN) waren aus oberschwäbischen Gefilden nur noch die Zunft aus Tettnang und die Weingärtler Plätzler in die Gunst ministeriellen Fasnetstreibens gekommen. Der Landesminister – selbst ein Oberschwabe – muss gerechtigkeitshalber halt auch Zünften vom Oberrhein oder gar aus dem Unterland Einlass gewähren.
Der Abend, von SWR-Reporterin Sonja Schrecklein und Brauchtumsexperte Jürgen Hohl (Bad Wurzach-Eggmannsried) mit Witz und Schlagfertigkeit angesagt, gestaltete sich dann so kunterbunt wie die Häser der Narrenzünfte. Mehr als tausend Gäste erlebten die Büttenrede von Minister Köberle im besten Oberschwäbisch: „Doch wenn Ihr jetzt am Ruader bleibet und mi aus meim Amt vertreibet, möchte i am Rande doch betona, des sott sich irgendwia au lohna …“
Und wie es sich lohnte! Die Narren verabreichten dem Herrn Minister nämlich ihren ganz eigenen Dank: Rudolf K. musste vor das Stegstrecker-Gericht der Pfullendorfer! Als ehemaliger Staatssekretär für Jugend und Sport sei er vielleicht sogar schuld am Pisa-Desaster, wurde ihm vorgehalten. Die „Anklage“ parierte das Ministerlein zwar durchaus gekonnt, aber alles Fabulieren und Finassieren half ihm nichts, er musste – noch in Hexen-Montur – auf die „Streckbank“. Das Strecken erfolgte laut und geräuschvoll, „war aber auszuhalten“, wie der am Ende doch nicht ganz so schlaue Minister tapfer versicherte. Dieser „Tortur“ zum Trotz zeigte der Delinquent gute Miene und ließ allen Anwesenden Linsen mit Spätzle und Hefezopf sowie Käse auftragen.
Zuvor hatten die Narren aus dem Ober- und Unterland sogar dem Bundeskanzler ihre Aufwartung gemacht. Der war durchaus frohgemut, aber was ist ein scherzender Schröder im Vergleich zu einem leibhaftigen Minister, der im Häs einer Aulendorfer Eckhexe daherkommt?
Der hurtige Kleiderwechsel des Ministers hatte dann aber noch ein Nachspiel: Rudolf K. habe die Eckhexen-Anwartschaftsbedingungen nicht erfüllt, grummelte manch einer in der Aulendorfer Zunft …