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Kommentar

 Warum Wangen so wichtig ist 



Foto: Julian Aicher
Beschaulich fließt die renaturierte Argen durchs und ums Landesgartenschaugelände Wangen. Ihre Wucht trieb beim Hochwasser Ende Mai/Anfang Juni 2024 ganze Bäume durchs Flussbett – und spülte teils Ufer weg. Ihre Kraft treibt dort aber auch vier Wasserkraftwerke an. Sie liefern Strom für mehr als 3000 Privatpersonen.

Prominenter Besuch aus der Landeshauptstadt. Umweltministerin Thekla Walker (“Grüne”) ging am Montagnachmittag durch das Landesgartenschaugelände Wangen. Ihre Neugier galt der “renaturierten” Argen dort. Zu Walkers Aufgaben gehören sowohl der Naturschutz als auch die Energieversorgung. Bei der Energie hinkt Baden-Württemberg hinterer. 

Teure Energiepreise. Unter ihnen stöhnt einerseits die Bürgerschaft, anderererseit die Wirtschaft. Einer der Lösungswege daraus: Kostenlos vom Himmel strahlende Sonnenenergie. Aus Solarmodulen vom eigenen Dach können Haushalte schon heute in den eigenen Räumen direkt drunter Strom beziehen. Für kaum noch 10 Cent die Kilowattstunde. Die gleiche Elektrizitäts-Menge aus dem Netz kostet in Deutschland meist über 30 Cent.  
  
Die Sonne liefert ihre Kraft aber nicht nur als Licht und Wärme. Da sie Land und Meer unterschiedlich stark aufwärmt, sorgt sich bewegende Luft für Temparaturausgleich: Wind. Und wenn die Sonne beim Verdunsten Wasser in Wolken “gezogen” hat, kann es von dort wieder abregnen. Wasserkraft, Windkraft und mit Sonnenlicht gediehene Pflanzen können so Energie für Kraftwerke liefern. Nicht minder Erdwärme. Dank naturgegebener “erneuerbarer Energien”. Günstig und “klimafreundlich”. 
  
Im Kreis Ravensburg gibt es bereits heute mindestens sechs Gemeinden, in denen (mehr als) 100 % der Summe aller dort verbrauchten elektrischen Kilowattstunden aus solch “erneuerbaren Energien” stammen. Auffällig viele Orte um Wangen: Amtzell, Argenbühl und Kißlegg. Die Stadt Wangen selbst hat vor allem seit 2011 die Sonnentochter Wasserkraft erkannt. Sie gründete eigene Stadtwerke und ließ an bewährten Argen-Wasserkraft-Standorten neue Turbinentechnik einbauen. Oder alte wieder flottmachen. Wasserkraft liefert so im Besitz der Stadt Wangen mit fünf Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr genug für etwa 3000 Privatpersonen. In der Argenstadt vor allem von der Stadtverwaltung genutzt.  Aber auch für Alten-Wohnungen. Beim Bau dieser Kraftwerke entstanden um deren Stauwehre neue Umfließungs-Bäche. Damit allerhand Wassertiere die Wehre umschwimmen können. Naturenergie und Naturschutz in einem.

Umweltministerin Thekla Walker lobte am Montagabend im Landesgartenschau-Gelände diese “Kombination” aus Ökologie und Ökonomie. Wirtschaftlichkeit und Naturräume nebeneinander. Oberbürgermeister Michael Lang hatte die Politikerin mehrmals auf diese Vorteile hingewiesen. 
  
Zu Recht. Denn Wangen gehört in Sachen Wasserkraft eher zu den Ausnahmen im Land. Arbeiteten um 1945 noch rund 5000 Wassertriebwerke im deutschen Südwesten, so sind es heute noch bestenfalls 1700. Von einem anderen Gartenschau-Gelände (in Rottweil) meldete das Südwestrundfiunk-Fernsehen sogar, ein bewährt funktionierendes Wasserkraftwerk im Neckar solle abgebrochen werden, damit der Fluss “natürlich” am Schau-Gelände vorbeigluckert.  
  
Dabei lobten international anerkannte Experten die Wasserkraft. Der Biologe und Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker (vom “Club of Rome”) bezeichnete Stau-Bereiche von Wassertriebwerken als “wunderbare Biotope”. Und der ehemalige Greenpeace-Chef Gerd Leipold geißelte es gar als “eine Schande”, kleine altbewährte Wasserkraftanlagen nicht weiter zu nutzen. Die Meinung solch eines Mannes sollte auch die einstige “Greenpeace”-Mitarbeiterin Thea Walker zum Nachdenken anregen.   
Denn die Ministerin, die auch für Energie in der südwestdeutschen Spätzles-Republik zuständig  ist, hat einen Riesen-Nachholbedarf zu bewältigen. Nicht zuletzt dank der Blockadepolitik ihrer Amtsvorgängerin Tanja Gönner (CDU) samt danach Minister Franz Untersteller (“Grüne”) gegen “erneuerbare Energien”. 
  
Schlichte Fakten: Baden-Württemberg nahm noch 2023 den letzten Platz aller deutschen Flächen-Bundesländer ein, wenn dort die Zahl der Windkraftanlagen ermittelt wurde. Nachzulesen bei “statista”. Eher schattig auch die Bilanz im “Ländle”, wenn es um Strom aus Sonnenlicht geht. Zwar möchte die Stuttgarter Regierung mit allerhand Bestimmungen und Ratschlägen die Bevölkerung zum Tempo treiben. Aber an ihren eigenen Gebäuden waren noch 2023 nicht einmal ein Zehntel der Dächer mit Solarmodulen aufgewertet. Diese Aufwertung hin zu günstig sonnigem Strom hatte ausgerechnet der Landesrechnungshof schon 2018 öffentlich gefordert. 
  
Umso schöner, dass es Orte im Land gibt, die in Sachen Strom aus sonnig-“erneuerbaren Energien” schon Vorbildliches leisten. Zum Beispiel, in dem dort (mindestens) 100 % der Summe aller dort verbrauchten elektrischen Kilowattstunden dank heimisch erneuerbaren Kraftquellen entstehen. Mal in Schwäbisch Hall, mal in Amtzell, Argenbühl, Kißlegg … Und ab 2025 dann auch 100 % in München. Noch schöner, wenn Hunderttausende bei einer Landesgartenschau sehen können, was solche Kraftquellen alles bewirken können. Etwa mit den vier städtischen Wassertriebwerken an der Argen.  Samt etlichen privaten zusätzlich. Wangen zeigt: Es funktioniert. Und deshalb ist Wangen über die Stadtgrenzen hinaus als Vorzeigeort so wichtig.  
Julian Aicher 
  
Transparenzhinweis: Bildschirmzeitungsreporter Julian Aicher hat sich während der vergangenen 50 Jahre immer wieder intensiv mit Erneuerbaren Energien befasst. Er betreibt selbst ein Wasserkraftwerk. Mehr dazu in www.rio-s.de . Zur Naturverträglichkeit der Wasserkraft entstand dabei auch der YouTube-Film “Win Wasserkraft ist naturverträglich”. In ihm zu hören und zu sehen: Ernst Ulrich von Weizsäcker und Ex-“Greenpeace”-Chef Gerd Leipold:  
https://www.youtube.com/watch?v=cfRU98a2TFA



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