Kühe als Klimaschützerinnen?
Allgäu-Oberschwaben – Braunvieh-Königin, Bullenstall-Rock, etliche Molkereien – Kühe und das ganze Drumherum gehören zum Allgäu. Doch dann das: Das Milchvieh als „Klimasünder”? So kamen Kühe Jahre lang in öffentlichen Berichten vor. Stimmt das? Ein neues Buch, erschienen 2024, behauptet das Gegenteil. Sein Haupt-Titel: „Die Klima-Kuh”. Im Untertitel gerät die Vierbeinerin gar „von der Umweltsünderin zur Weltenretterin”. Verfasser: Florian Schwinn. Lesestoff, der vor allem dort wirken könnte, wo sich der „Kuhstall des Landes” befndet. Nämlich im Landkreis Ravensburg. Genauer: im Württembergischen Allgäu. Bildschirmzeitungs-Reporter Julian Aicher hat’s gelesen.
Achtung, Kühe. Im Allgäu finden sich solche Schilder.
Die Kuh als „Klimasünderin“. So ging das Tier, das andernorts heilig sein soll, jahrelang durch Radio, Presse und Fernsehen. ARD-„Wissen vor acht” verstieg sich im März 2024 gar zum Rat, Kühe mögen künftig Masken tragen. Dieser Vorschlag „wird Ihnen vielleicht wie ein Scherz vorkommen”, sagte Gebühren-Fernsehen-Moderatorin Anja Reschke. Es gehe da aber „wirklich um ein ernstes Umweltproblem”. Denn Kühe würden rülpsen – und dabei „sehr viel Methan” ausstoßen. Also ein Gas, für’s Klima offenbar gefährlicher als Kohlendioxid (CO2). Daher Masken für Kühe. So Reschke.
„Wenn wir sie denn auf die Weide lassen”
Jetzt steht in Florian Schwinns Buch „Die Klima-Kuh” ein ganzes Kapitel über die „Kuh-Klima-Lüge”. Schwinn (* 1954 in Frankfurt am Main) diente unter anderem bei der “Hessischen-Rundfunk”-Sendung “Der Tag”, hatte aber auch schon für den „ID – Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten” geaebeitet. Dieser gilt als Vorläufer der grün-nahen “tageszeitung” (taz). In seinem Klima-Kuh-Buch bezieht sich Verfasser Florian Schwinn unter anderem auf die Tierärztin Dr. Anita Edel. Von ihr stammt wiederum ein Buch mit Titel „Die Kuh ist kein Klima-Killer!”. Zumindest dann nicht, wenn die Vierbeiner draußen auf der Weide grasen.
Demnach könnte das Rindvieh durchaus klimaschützend wirken, „wenn wir sie denn auf die Weide lassen”. So Anita Edel. Sie gilt als eine der führenden Verfasserinnen des „Weltagrarberichts”. Dabei würden die Muh-Tiere auf Wiesen noch weit mehr für Klimaschutz bewirken. Denn draußen werten die Vierbeinerinnen den Boden mit Kuhfladen auf. Kaum klatscht er dorthin, hat „das Rind eine Kinderstube gepflanzt.” So schreibt’s Buchverfasser Florian Schwinn. Begründung: Allerhand Insekten fühlen sich in dieser Hinterlassenschaft des Milchviehs äußerst wohl – oder legen ihre Eier dort ab. Teils schon in wenigen Minuten. Biodiversität pur. Darüber hinaus sehr wichtig: Aus Kuhfladen entwickelt sich Boden. Und der Boden behält viel Kohlenstoffdioxid (CO2) bei sich. Sprich: Er wirkt als Klimaschützer.
„Wie wir mit Kühen den Klimawandel aufhalten”
Also doch wieder mehr Rinder-Glück auf der Weide? „Die Tiere müssen wieder raus”, schreibt Florian Schwinn in seinem Plädoyer “Wie wir mit Kühen den Klimawandel aufhalten”. Kein Wunder also, dass Schwinn die Tierärztin Dr. Anita Edel in seinem Druck zu Wort kommen lässt. Die Veterinärin übt „Kritik an unwissenschaftlicher Wissenschaft”. Also an Studien, in denen kaum berücksichtigt worden sei, welches Fressen die Eutertiere zu sich nehmen. Richtig kauen Kühe demnach Gras, Klee und andere Wiesen-Gewächse. Und daher weniger Kraftfutter. Es kommt teils weit weg aus anderen Ländern per Schiff – mit viel klimschädlichem Diesel in seinen Tanks.
Die Erzählung der Ölkonzerne
Wem nützen solche Rinder-Rülps-„Studien”, fragt Kuh-Buch-Verfasser Schwinn. Dazu erfuhr er von Tierärztin Anita Edel: „Ich halte es für einen der größten Erfolge der Ölkonzerne, erreicht zu haben, dass tatsächlich die meisten Menschen an die Kuh denken, wenn die Rede von Klima und von Methan ist.” Das heißt, dass wirkliche Klima-Schädlinge – wie Erdöl- und Kohle-Konzerne – mit ihren Erzählungen von rülpsenden Rindviechern eine „perfekt gezündete Nebelkerze” haben steigen lassen. Wer sich aber von den Öl-Multis nicht vernebeln lassen möchte, fragt dann vielleicht auch, ob Rindfleischgenuss grundsätzlich falsch sein soll. Florian Schwinn jedenfalls will die Fleischeslust vom Teller nicht ganz verdammen, sondern macht darauf aufmerksam, wie oft und wenn ja, welches Fleisch. Zum Beispiel jenes von Weidetieren.
Ist es demnach bald wieder „cool”, wenn auf Allgäuer Wiesen Kühe grasen? Trägt also manche landwirtschaftliche Familie hier doch viel mehr zum Klimaschutz bei, als bisher oft behauptet? Darüber neu nachzudenken, hilft Florian Schwinns Buch von der behörnten „Weltenretterin”. Auch jenen, die am 1. Juni wegen Hochwassers nicht zum Vortrag über klimafreundliche Rinder bei der Landesgartenschau Wangen anreisen konnten. Oder anderen, die Käse aus der Milch von Weidevieh zu sich nehmen? Manche vielleicht auch Milch direkt oder Speise-Eis daraus? Gar zu besonderen Anlässen auch mal ein Stück Rindfleisch, das von regionalen Weidetieren stammt?
Sollten künftig wieder mehr Kuhglocken auf Allgäuer Grünland bimmeln, so mag das darauf hindeuten, dass dort gerade das Klima geschützt wird. Eben dank der vierbeinigen „Weltenretterinnen”. Als Zeuge seiner Erkenntnisse nennt Buchschreiber Florian Schwinn den Philosophen Friedrich Nietzsche: „Alle guten Dinge haben etwas Lässiges und liegen wie Kühe auf der Wiese.”
Text und Fotos: Julian Aicher
Das Kuh-Buch
Florian Schwinn: Die Klima-Kuh – Von der Umweltsünderin zur Weltenretterin, Westend-Verlag GmbH Neu-Isenburg, 2024
In der Bildergalerie Fotos von Kühe und Jungvieh auf Weiden im württembergischen Allgäu im Jahr 2024.