Kritik am Turm, auch Zustimmung
Bad Wurzach – Im Anschluss an die Präsentationen, mit denen die Verwaltung das Projekt „Naturerlebnis- und Beobachtungsturm im Ried“ vorgestellt hatte, hatten die zahlreichen Bürger/innen bei der Einwohnerversammlung am Mittwochabend im Kursaal Gelegenheit, Fragen zum Projekt an die Verwaltung, den Architekten und den Gutachter zu richten.
Markus Vincon, der Vorsitzende des Heimatpflegevereines Wurzen, war der Erste, der die Gelegenheit zur Aussprache wahrnahm. Er sagte voraus, dass der Verein nach dem Turmbau „faktisch tot“ sei. Denn da der Zug keine Bremsen habe, könne die Sicherheit der Fahrgäste nicht mehr gewährleistet werden: „Wir haben dann ein Sicherheitsproblem.“ Bürgermeisterin Alexandra Scherer erwiderte ihm: „Torfmuseum und die Torfbahn sind wichtige Teile unseres Konzeptes. Wir kennen Ihre Einstellung, aber wir sehen auch Lösungsmöglichkeiten, aber dafür müssen Sie mit uns reden!“ Der Verein sei der Stadt sehr wichtig. Das Gesprächsangebot stehe.
Adelgund Mahler und weitere Vereinsfürsprecher bemängelten, dass der Verein mehr Unterstützung brauche. So seien die Öffnungszeiten nicht sehr kundenfreundlich.
Johanne Gaipl meinte: „Die Bad Wurzach-Info arbeitet eng mit dem Verein zusammen.“ Der Turm sei eine Ergänzung, Museum und Bahn wichtige Bestandteile des Konzeptes.
„Das bringt Bad Wurzach touristisch weiter!”
Einen Fürsprecher fand die Verwaltung in Dr. Wolfgang Hübner. „Es ist wichtig, ein Miteinander zu finden. Der Turm bringt Bad Wurzach touristisch einen riesigen Schritt weiter. Maria Rosengarten und der Klosterplatz waren lange umstritten. Und der Klosterplatz ist jetzt eine Begegnungsstätte. “ Nur wer große Schritte wage, bekomme ein so riesiges Projekt wie den Turm gestemmt. Und das gehe nur zusammen und ohne Berührungsängste.
„Folgekosten genauer berechnen“
Walter Widler, selbst ein ehemaliger Gemeinderat, sieht in dem Turm für Bad Wurzach im Gegensatz zum Stadtkämmerer ein „Draufzahlgeschäft“. Er sagte auch, dass es zum Beispiel das Freibad in Hauerz ohne Ehrenamtliche nicht mehr gäbe. Auch der Hochwasserschutz werde in Bad Wurzach vernachlässigt. Der Bauhof arbeite bereits jetzt am Anschlag, da ginge es gar nicht, dass dieser auch beim Turm noch zusätzliche Aufgaben übernehme. Er forderte eine genauere Berechnung der Folgekosten.
Bürgermeisterin Scherer antwortete auf die sehr emotional gehaltene Meinungsäußerung, dass die Stadt das Freibad in Hauerz erhalten werde und sehr wohl es auch finanziell unterstütze. „Aber wir sind auch sehr froh über das viele ehrenamtliche Engagement der Hauerzer.“ Jetzt nach vier Jahren, während der sich der Gemeinderat zehnmal mit dem Projekt befasste, sei es an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. „Denn weitere Verzögerungen kosten nur Geld.“ Sie ließ auch die von Widler und bereits im Vorfeld von anderer Seite geäußerte Aussage nicht gelten, die Stadt lasse deswegen andere Arbeiten, wie zum Beispiel den Hochwasserschutz, liegen.
Bürgerentscheid vorgeschlagen
Claudia Rodziak aus Leutkirch fragte nach einer Wirtschaftlichkeitsberechnung und warum der Gemeinderat so kurz vor den Kommunalwahlen diese Entscheidung „übers Knie brechen müsse.“ Sie meinte, das sei doch eher ein Thema, das über einen Bürgerentscheid entschieden werden müsse. Weil die Friedhöfe der Stadt oft in einem pflegerisch schlechten Zustand seien, sei dort das Geld besser angelegt.
Scherer erwiderte ihr, dass nicht mehr länger gewartet werden könne, denn bis der neue Gemeinderat entscheidungsfähig sei, werde es September. Die Mai-Sitzung sei die letzte vor der Wahl, um den bereits erwähnten Zeitplan einhalten zu können. „Es steht Ihnen frei, ein Bürgerbegehren einzuleiten, aber davon unabhängig wird der Gemeinderat in seiner Sitzung am 13. Mai entscheiden.“ Das Thema Friedhöfe beschäftige die Stadt sehr wohl.
„760 Arbeitsplätze hängen am Bad Wurzach-Tourismus“
Johanne Gaipl steuerte in die Diskussion einen Beitrag aus Tourismus-Perspektive bei: Das Kurhaus gebe es ohne Touristen nicht und in der Stadt hingen 760 Arbeitsplätze vom Tourismus ab.
Die Zahlen von Kämmerer Kunz
Kämmerer Stefan Kunz konnte diese Wertung mit konkreten Zahlen unterfüttern: Stand 2016 brachten Touristen 3,3 Millionen € in die Stadt. Im diesjährigen Haushaltsplan sind 1,7 Millionen € für Hochwasserschutz und 700.000 € für Friedhöfe eingestellt.
„Es gibt genügend Aussichtspunkte“
Dr. Ulrich Walz, Studiendirektor i. R., sagte: „Das Ried erfährt man am Besten am Boden“. Er mache sich als Biologe Sorgen, dass nächtliche Vogelschwärme mit dem Turm kollidieren könnten. Zwischenruf aus den hinteren Reihen: „Aber bei den 300 Meter hohen Windrädern nicht?“ Im Ried gebe es doch viele Aussichtsmöglichkeiten: Quelltöpfe der Ach und von der Grabener Höhe biete sich doch ein einmaliger Blick über das Ried. Zwischenruf: „Ja auf Mais-Äcker und Hochspannungsleitungen.“ Walz bereitet auch die Gründung des Turmes aus mikrobiologischer Sicht Sorgen. Er brachte auch seine schon bei den Hitzefrei-Demos geäußerte Ansicht vor, dass Bad Wurzach keine Klimaschutz-Stadt sei.
Carsten Brinkmaier, der Gutachter, der das Monitoring zum Standort gemacht hatte, erklärte, dass die nachtziehenden Vögel eine Art Restlichtverstärker besäßen, die Gefahr von Vogelschlag also sehr gering sei, zumal der Turm bei Nacht ja verschlossen und unbeleuchtet sein wird. Im Gegensatz zu Windrädern, wo eher die Gefahr von Kollisionen bestünde.
„Ein Gewinn für die Stadt“
Der langjährige Kreistagsabgeordnete und Gemeinderat Hansjörg Schick sagte, dass er selbst als Torfarbeiter gearbeitet habe und wisse, wie schwer diese Arbeit war. Er sei auch im Stiftungsrat des Naturschutzzentrums gesessen und wisse auch um die Arbeit, die Horst Weisser zur Wiedervernässung geleistet habe. Er freue sich jedenfalls, dass der Turm jetzt kommt. „Er ist ein Fortschritt und ein Gewinn für die Stadt.“
„Der Turm gehört zum Europa-Diplom“
Reinhold Mall verwies auf den Europarat, der bei seiner letzten Prüfung für das Europa-Diplom den Bau eines Turmes ausdrücklich empfohlen hatte. Von diesem aus an dem Standort des Industriedenkmals seien alle wichtigen Gebiete des Riedes einsehbar.
Ulrich Katzmaier kritisierte die Art der Präsentation des Architekten und des Filmes. Dadurch sei es schwierig gewesen, einen Eindruck vom Turm zu bekommen. Dies hätte man mit einer 3-D-Animation eher erreicht. Er kritisierte auch den Standort, bei dem man die Glasfabrik in Sichtweite habe. Scherer antwortete ihm: „Wir sind stolz auf die Glasfabrik als großen Arbeitgeber.“ Für eine entsprechend teure Animation habe man kein unnötiges Geld ausgeben wollen.
„Ist da Platz für Schulklassen?“
Herbert Birk meinte, die angegebenen Folgekosten könnten nicht stimmen. Und er wollte wissen, ob im Turm auf den einzelnen Plattformen denn genügend Platz, etwa für eine Schulklasse sei. Der Architekt bejahte dies: Die unterste Ebene des auf einer Grundfläche von 12 x 12 Meter stehenden Turmes habe 100 qm, die mittlere Plattform habe 36 laufende Meter Geländer und selbst auf der obersten Plattform mit ihren 20 qm fänden mindestens 20 Personen gleichzeitig Platz. Insgesamt könnten mehr als 100 Personen gleichzeitig den Turm besuchen.
„Die Standfestigkeit ist gewährleistet“
Auch die Standfestigkeit des Turmes sei gewährleistet, sagte Dezernent Ulrich Möllmann, Projektleiter seitens der Verwaltung, auf Anfragen von Birk und Manfred Döring. Die Baugrunduntersuchung habe stattgefunden und auch ein Brandschutzkonzept sei vorhanden. Denn durch die Wasserfläche gebe es eine natürliche Brandsperre. Auch die Feuerwehr käme mit ihren Fahrzeugen im Katastrophenfall bis zum Turm.
Dr. Stefan Hövel nannte es “verdächtig”, dass das für die Ausnahmeregelung von der Schutzgebietsverordnung zuständige Regierungspräsidium umgangen worden sei und diese stattdessen vom Umweltministerium direkt erteilt wurde. Ulrich Möllmann wiedersprach dieser Darstellung: „Es ist alles über das Regierungspräsidium gelaufen.“
„Was ist mit den Mehrkosten?“
Karl Ehrmann äußerte Besorgnis dahingehend, dass das Ried durch die Tiefe der Gründung – denn unter dem Moor komme eine Kalkschicht, die durchstoßen werde – entwässert werde. Er machte sich auch Sorgen, wer für die Mehrkosten aufkäme, falls die 3,9 Millionen € nicht reichen sollten. Außerdem sei der nächste Parkplatz zu weit weg. Scherer sagte zu den Mehrkosten, diese trüge dann die Stadt. Zum Thema Parken sagte sie: „Zum Turm im Pfrunger Ried muss man auch sehr weit laufen.“ Und das ergebe dann auf dem Weg zum Turm ein Naturerlebnis.
Der Architekt Hans-Georg Schmitz sagte zu der Turmgründung: „Uns war von vorneherein klar, dass das Fundament ein kritischer Punkt beim Bau sein werde. “ Bei der ersten Bohrung habe man nicht am eigentlichen Bauplatz gebohrt, so dass es noch einer zweiten bedurfte.
Man müsse den Fachleuten vertrauen, die mittels „Spezialtiefbautechnik mittels Mikroverpresspfählen“ die Gründung mit möglichst geringem Eingriff erledigten.
Hedwig Lieb sagte in Richtung der Bürgerentscheidbefürworter, der Zeitpunkt sei jetzt nicht der richtige. Ihr selbst sei der Aufzug schon ein Dorn im Auge. Aber sie vertraue dem Gemeinderat, dass er das Richtige tut. In Sachen Aufzug sei noch nichts entschieden, sagte die Bürgermeisterin.
In ihrem Schlusswort sagte Alexandra Scherer: „Wir wollen zeigen, was wir zu bieten haben: mit Turm, Torfmuseum, Moorlehrpfad und dem Restaurant Torfstecher.“
Uli Gresser