Skip to main content
ANZEIGE
Kommentar

Die Vernunft des Papstes



Papst Franziskus erteilte am Ostersonntag-Mittag den Segen “Urbi et Orbi”. Zuvor hatte das Kirchenoberhaupt in diesem März 2024 einen deutlichen Rat veröffentlichen lassen: “Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben zu verhandeln.” Dafür erntete der Papst bei einigen laute Schelte. Doch die Mehrheit der Deutschen (53 Prozent) stimmte der Einschätzung des Heiligen Vaters um die Monatsmitte März 2024 zu. Zumindest laut “focus”-Umfrage (Mehrheit der Deutschen stimmt umstrittener Ukraine-Forderung des Papstes zu (youtube.com).) Bildschirmzeitungsreporter Julian Aicher schaut auf die Papst-Äußerung aus mehreren Blickwinkeln.

Wem dient der Papst? Nach oft geäußerter Bezeichnung wirkt Franziskus als “Stellvertreter Gottes auf Erden”.  Als eine Art “Betriebsanleitung” kann der Kirchenführer dabei die Bibel betrachten. Dort – vor allem im Neuen Testament – sind sie immer wieder zu lesen: die Mahnungen zum Frieden. Insofern kaum verwunderlich, dass der Papst als Oberhaupt von rund 1,4 Milliarden römisch-katholisch Gläubigen immer mal wieder zum Frieden mahnt.

Warum sich gerade jetzt in Kriegszeiten über das Papst-Wort so aufregen? Das katholische Oberhaupt nennt nicht einmal die klare Anweisung von Jesus Christus in der Bergpredigt des Neuen Testaments. Dort soll Christus gesagt haben: “Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar” (Matthäus 5, 4). Franziskus äußerte sich diesen März 2024 viel zurückhaltender. Er wirkte da eher vernünftig. Der Papst erinnerte an bewährtes Alltagswissen, als er um die Monatsmitte März vorschlug: ” Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben zu verhandeln.”

Der römische Kirchenführer deutete damit an, dass nicht allein das Neue Testament den Frieden fordert. Der Mann aus Argentinien erinnert damit nicht minder an seine Erfahrung mit der Militärdiktatur seines Geburtslandes Argentinien. Als Erzbischof von Buones Aires musste er mit den mächtigen Militärs fraglos immer wieder verhandeln.

Papst Franziskus rät zur Vernunft des Verhandelns aber noch aus einem weiteren Blickwinkel. Nämlich der Sicht auf die Welt von ihrer südlichen Seite. Dort werden “westliche Werte” nicht immer gleich gesehen wie in den USA oder in der Europäischen Union. Nicht wenige in südlichen Staaten der Erde haben nicht vergessen, wie brutal die Europäer und die USA Jahrzehnte und Jahrhunderte Millionen von Leuten im südlichen Teil der Erde behandelt haben. Ausbeutung, Kriege, Sklaverei … Kein Wunder daher, dass sich seit 2006 immer mehr Regierungen dieser Länder zu den BRICS-Staaten zusammengeschlossen haben. BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.  Laut Wikipedia meldeten inzwischen weitere 40 Staaten ihr Interesse an einer BRICS-Mitgliedschaft an. Mit der New Development Bank will BRICS offenbar der eher westlichen Weltbank Konkurrenz bieten. Mit China und Indien gehören die zwei bevölkerungsreichsten Länder der Erde zu BRICS. Mit China, Indien und Russland sind mindestens drei Atommächte Mitglied bei BRICS. Der BRICS-Zusammenschluss also als Gegengewicht zum NATO-“Werte-Westen” unter dem Leitstern USA? BRICS für eine neue “multipolare” Weltordnung? BRICS als Verbund ohne Dollar-Dominanz? 

Kein Wunder also, dass viele Staaten keine Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg verhängt haben. Genaueres dazu veröffentlichte “telepolis” (Mehrheit schließt sich Sanktionen nicht an | Telepolis).

Dazu kommt: Die Stimmung in den USA scheint sich zu drehen. Kommt es bei der Wahl zum nächsten US-Präsidenten im November 2024 so, wie es aktuell Umfragen zeigen, dann heißt der nächste US-Präsident höchstwahrscheinlich wieder Donald Trump. Und dieser hat bereits erklärt, den Ukrainekrieg in 24 Stunden beenden zu wollen. Wohl auch über Gespräche mit Russland. Ob Trump das tatsächlich gelingen sollte, weiß heute niemand. Aber seine eigene Partei, die Republikaner hatten sich gegen Jahresende 2023 schon dagegen ausgesprochen, der Ukraine weiter Unterstützung wie bisher zu gewähren. Sehen nicht wenige Republikaner einen ganz anderen Hauptfeind der USA als Russland – nämlich China? Falls ja, fiele es den Vereinigten Staaten vermutlich leichter, sich nur mit einer der beiden Atommächte China und Russland zu streiten.

Bisher hat die ukrainische Armee das von Kiews Präsident Selensky genannte Ziel nicht erreicht. Nämlich, die Provinzen entlang der ursprünglichen Grenze und die Krim frei von russischen Truppen zu bekommen. Im Gegenteil: Im März besetzten russische Truppen und ihre Verbündeten ein ukrainisches Dorf nach dem anderen. Schlichte Fakten bestärken also die Papst-Forderung: “Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben zu verhandeln.”

Anders als laute Waffen-Begeisterte scheint es manch deutscher Militärführer ähnlich wie der Papst zu sehen. Zumindest sagte der ehemalige deutsche NATO-General Harald Kujat am 17. Februar 2024 der Schweizer “Weltwoche”: “Die Ukraine kann die strategische Lage zu ihren Gunsten nicht wenden.”

Video: «Putin ist bereit für Verhandlungen»: Nato-General a. D. Harald Kujat über Tucker Carlsons Interview, Kriegstreiber im Westen und seinen Weg zum Frieden in der Ukraine (weltwoche.de) 

Weiter betonte da der General: “Es ist das zu tun, was der Ukraine hilft zu überleben. Die Ukraine hat enorme Verluste erlitten. Viele Tote, viele Schwerverletzte. Dieser Krieg geht zu Lasten der Ukraine. Wollen wir denn warten, bis die Ukraine völlig am Boden liegt – bis eine totale militärische Niederlage erfolgt ist? Oder wollen wir die Chance nutzen, vorher noch zu einem Waffenstillstand zu kommen, zu Friedensverhandlungen zu kommen – und in diesen Friedensverhandlungen zumindest einige von den Sicherheitsinteressen, Sicherheitsgarantien auch für die Ukraine herauszuholen?” 

Wenn also das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche mehr oder minder das Gleiche fordert wie ein einst ranghoher deutscher NATO-General – dann scheint die Mehrheit der Deutschen (laut “Focus”-Umfrage) nicht falsch zu liegen, wenn sie sich für mehr gewaltlose Anstrengungen für den Frieden einsetzt.

Das tut übrigens auch die Friedensgebetsgruppe in Leutkirch. Sie schrieb der Bildschirmzeitung zur Mitte März 2024: “Seit dem Ukrainekrieg beten wir vermehrt, da im Krieg immer beide Seiten verlieren und die alleinigen Gewinner diejenigen sind, die mit Krieg und Wiederaufbau Geld verdienen und denen die Menschenleben anscheinend egal sind. Wir ermahnen und geben zu bedenken, dass das Gerücht, dass Waffen Frieden bringen könnten, nicht stimmt. Wir plädieren für den Frieden zwischen den Völkern und sind für das Leben und die Vernunft.”

Der Papst, der General, die Mehrheit der Deutschen folgen damit dem Erfolgsrezept des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt: “Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen.” Zeit dazu ergibt sich ja noch. Noch.
Julian Aicher

Transparenz-Hinweis: Bildschirmzeitungsreporter Julian Aicher, (* 1958 in Ulm), wohl 1958 römisch-katholisch getauft, seit etwa 20 Jahren altkatholisch kirchensteuerzahlend, berichtete in der Bildschirmzeitung mehrmals über Veranstaltungen zum Ukraine-Krieg. Julian Aichers Mutter Inge Aicher-Scholl (1917 – 1998) protestierte seit den 1960er-Jahren mehrmals öffentlich gegen Kriege bei den “Ostermärschen”. In den 1980er-Jahren setzte sie sich vor das Atomwaffen-Depot Mutlangen.

Wir verweisen auch auf den am 5. Oktober 2023 erschienenen Kommentar von Bildschirmzeitungsredakteur Gerhard Reischmann mit dem Appell “Verhandeln!”



LESEN SIE HIERZU AUCH …

Kommentar

Verhandeln!

Verdun 1916. Riesige Heere liegen sich gegenüber. Kämpfen um jeden Meter. Mal gerät ein Hügel in die Gewalt der einen Seite; mal wird er von den Anderen zurückerobert. Monatelang geht das Gemetzel. Am Ende sind 400.000 Soldaten tot und geändert hat sich – nichts.
von Gerhard Reischmann
veröffentlicht am 5. Oktober 2023

NEUESTE BEITRÄGE

90 Päckchen mit Plätzchen wurden in Aichsteten und Altmannshofen verteilt

Aktion „Backen und Schenken“ brachte Weihnachtsfreude

Aichstetten – „Glücks-Kekse“ der besonderen Art hat es dieser Tage wieder in Aichstetten gegeben. Bereits zum zweiten Mal hatten Seniorengenossenschaft und Seniorenbeauftragte zur Weihnachtsaktion aufgerufen.
Zwischen Kißlegg und Leutkirch

Auffahrunfälle auf der A 96 legten Verkehr lahm

Leutkirch/Kißlegg – Drei Auffahrunfälle mit sechs Beteiligten haben sich am Freitagnachmittag (20.12.) auf der A 96 zwischen den Anschlussstellen Kißlegg und Leutkirch-Süd bei dichtem Reiseverkehr ereignet.
In Rötsee um 17.00 Uhr

Lichtfeier am Heiligen Abend

Rötsee – Mit einer Lichtfeier beginnt der Heilige Abend um 17.00 Uhr in der Kirche in Rötsee. Das Licht von Bethlehem, das von Pfadfindern von Bethlehem bis zu uns gekommen ist, wird den Kirchenraum erfüllen. Mit Musik und Gesang wird in der 30-minütigen Feier der Blick auf das gerichtet, was unser Leben hell und hoffnungsvoll macht.
Auf der L 286 bei Mengen

Tödlicher Verkehrsunfall bei Krauchenwies

Krauchenwies – Ein schwerer Verkehrsunfall am Freitag (2.12.) kurz nach 17.00 Uhr auf der L 286 zwischen Krauchenwies und Habstahl hat für einen Autofahrer tödlich geendet.
Information des TÜV-Verbands

Neuerungen in den Bereichen Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitales und Produktsicherheit

Berlin – Im Jahr 2025 treten bei der Prüfung von Fahrzeugen, Anlagen und Produkten sowie bei der Zertifizierung und Auditierung von Unternehmen zahlreiche Neuerungen in Kraft. Neben der technischen Sicherheit rücken Nachhaltigkeit und digitale Sicherheit in den Fokus. Der TÜV-Verband zeigt, was sich für Wirtschaft und Verbraucher:innen im kommenden Jahr ändert.

MEISTGELESEN

Mehrere hunderttausend € Sachschaden

Gasexplosion in Alttann – Bewohner schwer verletzt

Wolfegg – Bei einer Explosion in einem Wohnhaus in der Panoramastraße in Alttann am Montagnachmittag gegen 15.30 Uhr wurde ein 38 Jahre alter Mann schwer verletzt.
Witziges Video erhielt Landespreis

“Scheene Weihnachten” mit der Werkrealschule Bad Wurzach

Bad Wurzach – Die Landesregierung hat zusammen mit dem Dachverband der Dialekte Baden-Württemberg erstmals den “Landespreis für Dialekt” verliehen. Geehrt wurden künstlerische Beiträge, die sich auf unterschiedliche Weise für eine lebendige Dialektlandschaft einsetzen. Die Werkrealschule Bad Wurzach war mit ihrem Video-Beitrag “Scheene Weihnachta – Schwäbisch für Alle” eine der 330 Bewerbungen und erhielt in der Kategorie “Film” einen mit 2000 € dotierten Förderpreis für das gelungene Weihnac…
Die Jüngere Marianische Bruderschaft zu Osterhofen

63 Männer und ein ganz besonderer Tag im Dezember

Haisterkirch / Hittelkofen – Seit 1718 kommt die Jüngere Marianische Bruderschaft zu Osterhofen jährlich zum Bruderschaftstag zusammen. Auf diese Tradition sind die 63 Männer, die in der Bruderschaft verbunden sind, mit Recht stolz. Am 12. Dezember kamen sie wieder zusammen, am Donnerstag nach dem Fest Mariä Empfängnis, das die Kirche am 8. Dezember feiert. Dieser Tag im Dezember ist bei den Männern im Kalender rot angestrichen, da ist kaum einer säumig. Rudi Holdenried, der Rekordhalter, war…
Leidenschaft und Kulturgut: Schnupftabak, Schnupfmaschinen und mehr

Hans Sigg betreibt eine Schnupftabak-Manufaktur in Leutkirch

Leutkirch-Grimmelshofen – Er ist ein leidenschaftlicher Schnupfer, ein Schnupftabak-Hersteller mit Herzblut und eigenen Kreationen, und er hat einen kleinen privaten Schatz zu Hause: Einen Schrank voller Schnupftabak-Behältnissen, bis zu 120 Jahre alt. Ein Portrait von Hans Sigg mit bayrischen Wurzeln, viel Schnupf-Erfahrung und eigener Manufaktur bei sich zu Hause.
Am Freitag, 27. Dezember, um 19.00 Uhr im Bräuhaus in Rossberg

Paul Sägmüller stellt sein Rossberg-Buch vor

Rossberg – Obwohl Autor Paul Sägmüller in den letzten Monaten für ein Buch über Rossberg, dessen Geschichte und Geschichten fleißig recherchiert und geschrieben hat, hat es zu einer Buchvorstellung vor Weihnachten nicht mehr gereicht. Daher wagt er ein Experiment: eine Buchvorstellung “zwischen den Jahren”. Und zwar am Freitag, 27. Dezember, um 19.00 Uhr im “Bräuhaus” in Rossberg.

TOP-THEMEN

Leutkirch/Kißlegg – Drei Auffahrunfälle mit sechs Beteiligten haben sich am Freitagnachmittag (20.12.) auf der A 96 z…
Bad Saulgau – Wenn von Künstlerfamilien die Rede ist, dann denkt man eher an die Vergangenheit. An Zeiten, in denen K…
Bad Wurzach – Die Landesregierung hat zusammen mit dem Dachverband der Dialekte Baden-Württemberg erstmals den “Lande…

VERANSTALTUNGEN