Et lux perpetua – das ewige Licht leuchte ihnen
Bad Schussenried – Im an Festlichkeit und barocker Pracht kaum zu überbietenden Rahmen lud Gregor Simon zu einem Konzert, das in die christlich-ökumenische Feiertagsserie der Novembertristesse passen sollte und gleichzeitig eine neue moderne und doch traditionsverbundene Komposition eines Requiems, geschaffen während der Corona-Pandemie, zur Uraufführung bringen sollte.
Was also würde taugen, um ein in sich stimmiges der Jahreszeit angemessenes Konzertprogramm anzubieten? Wenn solche Konzerte auch noch Zuversicht und Freude bewirken sollen, ist die Programmwahl zusätzlich erschwert. Simons offensichtlich glückliches Händchen und wohl seine profunde Kenntnis der Musikliteratur führte zu einer wunderbaren Lösung der selbst gestellten Frage. Da es auch im November Hoffnung auf Helleres und Zuversicht geben muss, entstand ein Programm, das sicherlich allen Erwartungen entsprach.
Aus F. Mendelssohn-Batholdys zwölf Streichersymphonien wurde die Nr. 3 in e-Moll gewählt, die der Jugendlichkeit des damals erst zwölfjährigen Komponisten entspricht und wie eine Art „frischer Herbstwind“, so Gregor Simon im Programmheft, zu verstehen wäre. Vor allem die Üppigkeit der Sätze 1 und 3 entsprach dem Ambiente des barocken Bibliothekssaals. Simons hochemotionales Dirigat setzte die Capella Novanta glänzend um.
Tatjana Mercedes von Sybel an der Harfe
Eine höchst ungewohnte, aber umso passendere Idee Simons im Teil zwei des Programms war die Morgenstimmung aus E. Griegs Peer-Gynt-Suite Nr. 1 in Bearbeitung für Harfe aufzuführen! Der aufmerksame und vielleicht auch naturverbundene Konzertgast erfuhr sofort, warum gerade das „Engelsinstrument“ das Naturphänomen Morgen überzeugend darzustellen in der Lage ist. So wurde die von Anne Kox-Schindelin für Harfe bearbeitete Morgenstimmung, umgesetzt von Tatjana Mercedes von Sybel zu einem ungewohnt grandiosen Musikerlebnis.
Auch im folgenden Programmpunkt stand die Harfe im Mittelpunkt, diesmal aber gemeinsam mit der Traversflöte (Querflöte) gespielt von Alessandra Warnke. Die beiden Musikerinnen brachten „Algues“, ein Werk des zeitgenössischen französischen Künstlers Bernard Andrès, zu Gehör. Überraschend daran war, wie die beiden Interpretinnen mit doch recht unterschiedlichen Instrumenten Andrès’ beabsichtigte Melodik in gegensätzlichen Situationen zustande brachten. Sicher ist dies eine zeitgenössische Bereicherung des Musikverständnisses? In sieben pièces wurde Andrès’ Idee verstehbar und ein Höhepunkt des Konzerts im November.
Ein Doppel voller Harmonie: Tatjana Mercedes von Sybel (Harfe) und Alessandra Warnke an der Traversflöte (Querflöte)
Gregor Simons Requiem „Et lux perpetua“.
Eigentlicher Anlass des Konzerts war natürlich die Uraufführung der Komposition des Requiems „Et lux perpetua“ von Gregor Simon. Unter dem Eindruck der beginnenden Corona-Pandemie beauftragte die Kultur- und Sozialstiftung Annerose und Otmar M. Weigele den Komponisten, eine ca. dreiviertelstündige Komposition für Chor und kleines Orchester ohne jegliche inhaltliche Vorgaben zu schaffen. Was also lag näher als angesichts rasant steigender Sterbefälle ein modernes Requiem in Angriff zu nehmen? Herausgekommen ist ein achtsätziges Requiem „Et lux perpetua“. Je nach Titel oder Thema der an die Requiemtradition gebundenen Sätze kommen verschiedene Register, Soloinstrumente, Chor und Orgel zum Einsatz.
Teresa Weiler am Kontrabass
Da ein Requiem im christlichen Glauben eine Klammer zwischen „Hier“ und „Dort“ zu sein hat, galt es, sich an diese Tradition zu halten. Die dabei stark tragende Rolle des Chors erfordert zwingend eine angemessene Besetzung der Stimmen. Dies war durch den krankheitsbedingten Ausfall von immerhin sechs Stimmen höchst gefährdet und es drohte die Absage des Konzerts. Nach Aussage Simons konnte dies gerade noch verhindert werden und so gelang beispielsweise das „Kyrie“ (dritter Satz) und das „Sanctus“ (sechster Satz) unter leidenschaftlichem Einsatz des verbliebenen „Restchors“. Und weil ja ein Requiem irgendwie am Ende Paradies und Licht vermitteln muss, war Satz acht gleichsam ein strahlend-schmetterndes Finale der Capella Novanta und des Konzertchors Oberschwaben.
Im Programmheft waren die zu den Sätzen gehörenden Texte in lateinischer und deutscher Sprache zu lesen. Nur so erfuhr man das musikalische Einfühlen des Komponisten in ein modernes und doch der christlichen Tradition verschriebenes Requiem. Der bis auf den letzten Stuhl besetzte Bibliotheksaal belohnte den mutigen und neue Perspektiven öffnenden Konzertabend völlig zurecht mit sehr lang anhaltendem Applaus!
Peter Lutz