Bibearch – Der Herbst ist Kinozeit in Oberschwaben. Oder besser: so war es. Als Cineast konnte man sich die letzten zwei Jahre darauf freuen, dass man sowohl in Biberach als auch in Ravensburg herbstliche Filmfesttage erleben konnte. Das war Luxus. Und passend in die Zeit, ist dieser nun in Frage gestellt. Während in Ravensburg die noch jungen Filmtage mehr und mehr Glanz erhalten, verblasst in Biberach der Stern des Jahrzehnte langen Kulturhighlights, die Biberacher Filmfestspiele, bedenklich.
Die Nachrichten aus der Rissstadt rund um ihren cineastischen Leuchtturm stimmen bedenklich. Es ist Stoff für ein Drama. Das Ende 2021 mit dem Zerwürfnis des Vereinsvorstands Biberacher Filmfestspiele mit der Intendantin Helga Reichert begann. Die Frau des Festivalgründers und Ehrenbürgers Adrian Kutter zog schweren Herzens die Konsequenz und ging. Der Vorstand um Tobias Meinhold nahm’s gelassen und zauberte überraschend Nathalie Arnegger als Nachfolgerin aus dem Hut. Die neue Intendantin aus Ravensburg, mit längerfristigem Vertrag ausgestattet, versprühte Zuversicht, aber demissionierte bereits nach dem zweiten Festival im Frühjahr diesen Jahres wegen unterschiedlicher Vorstellungen, wie es in der Presseerklärung hieß.
Aber dieses Mal fehlte das Kaninchen aus dem Hut und der Vorstand verkündete, dass mangels einer künstlerischen Leitung die 45. Filmfestspiele nur eingeschränkt stattfinden könnten. Bis auf den Goldenen Biber für den besten Spielfilm würden keine Wettbewerbe stattfinden, aber ansonsten sei alles auf einem guten Weg, und Sorgen um die Filmfestspiele bräuchte sich niemand zu machen. Martin Maurer, ein Konstanzer, der in Berlin lebt und Drehbücher schreibt, sei für die aktuelle Filmauswahl engagiert. Und ansonsten bedient man sich aus der Geschichte, indem alte „Gewinnerfilme“ erneut gezeigt werden. „Das diesjährige Programm schaut voller Freude in die Vergangenheit und blickt gleichzeitig zuversichtlich in die Zukunft. Es setzt sich aus Gewinnerfilmen – BEST OF – und Neueinreichungen – PLUS – zusammen und verspricht umfangreich, spannend und überraschend zu werden“, heißt es in der Presseerklärung.
Überraschend (oder auch nicht) kam nun die Nachricht, dass der Vorstand nach den diesjährigen Filmfestspielen im November das Handtuch wirft und zurücktritt. Selbst Meinhold sieht sich offensichtlich genötigt zu gehen, nachdem seine MitstreiterInnen die Lust verloren haben. Einzig der Oberbürgermeister, der qua Amt im Vorstand und 2. Vorsitzender des Vereins ist, muss ausharren. Meinhold macht ihm Mut: „Niemand muss sich Sorgen machen, dass es nicht weiterläuft“, wird der scheidende Vorsitzende in der Tageszeitung zitiert. Eine empörte Leserbriefschreiberin weiß Rat zum Drama: „In Ravensburg gibt es inzwischen die ‚Oberschwäbischen Filmtage‘, wo weiterhin Preise in vielen Sparten vergeben werden, wo es Gespräche mit den Filmschaffenden und anspruchsvolle Filme gibt.“
Biberacher Filmfestspiele: 2. bis 5, November 2023
www.biberacherfilmfestspiele.de
Autor: Roland Reck