Ravensburg – Seit dem 13. April sind auf Schloss Achberg die Werke von 14 Künstlerinnen unter dem Titel „Schwäbische Impressionistinnen“ ausgestellt. Der Fokus liegt auf Malerinnen, die in einer Zeit künstlerisch tätig waren, als es für Frauen ungewöhnlich war, eine Karriere in diesem Bereich zu verfolgen. Die Bilder zeigen jedoch eine Qualität, die mit den Kunstwerken von männlichen Vertretern des Impressionismus durchaus mithalten können.
Michael C. Maurer, Leiter des Schlosses Achberg, betonte dies bei einem Presserundgang kurz vor der Vernissage, die am 13. April stattfand. Bei seiner Recherche nach Künstlerinnen dachte er schnell an Dr. Uwe Degreif, einen Experten und Kenner der Malerei im Südwesten, der diese Sommerausstellung kuratiert. Nach intensiver Recherche wurden 15 Künstlerinnen ausgewählt, deren Werke mit ihrer Qualität überzeugten – unabhängig vom Fokus auf Künstlerinnen. Die Bilder von 14 davon sind bis zum 13. Oktober 2024 auf Schloss Achberg zu sehen. Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt mit der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen.
Dabei gibt es viel Neues zu entdecken oder wieder zu entdecken, da die schwäbischen Impressionistinnen der Öffentlichkeit heute wenig bekannt sein dürften. Das liegt zum einen daran, dass diese Künstlerinnen relativ spät impressionistisch gemalt haben. Der schwäbische Impressionismus, der sich als Terminus in den 1920er-Jahren etablierte, bezieht sich vor allem auf Maler und Werke der männlichen Gründergeneration, die zwischen 1836 und 1866 geboren wurden und zwischen 1885 und 1914 gewirkt haben. Die Malerinnen, die dieser Stilrichtung später zugeordnet wurden, waren jünger und ihre Werke entstanden zwischen 1895 und 1925, als bereits Jugendstil, Expressionismus und die neue Sachlichkeit die Kunstlandschaft in Württemberg dominierten.
Zum anderen liegt es daran, dass es damals nicht üblich war, dass Frauen als Künstlerinnen tätig waren. Für die meisten Frauen war es schlichtweg nicht möglich, Kunst zu studieren. Wenn überhaupt, fand dies im privaten Bereich wie in „Damenklassen“ der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart statt. Auch ihre Bilder hatten dieses Schicksal: Sie fanden selten den Weg in öffentliche Ausstellungskataloge, was auch damit zusammenhing, dass es noch eine deutliche Trennung der Motive nach Geschlechtern gab. Weibliche Darstellungen von Frauen und Kindern oder Stillleben wurden von der Öffentlichkeit nicht so wertgeschätzt wie Historiengemälde oder Porträts von Herrschern. Frauen waren für den privaten Bereich vorgesehen, auch in der Kunst.
Dies wird auch durch ein Zitat von Marie Sieger verdeutlicht, in dem sie sagt: „In mir sind gerade zwei Naturen.“ Die eine wollte frei und unabhängig sein, „mehr ein Bub wie ein Mädel sein“, während die andere ihrem Mann eine liebevolle Frau sein wollte, zuständig für die Häuslichkeit. Beides miteinander zu vereinbaren, war damals nahezu unmöglich. Dementsprechend waren auch viele der Impressionistinnen in Württemberg unverheiratet und gesellschaftliche Außenseiterinnen oder im besten Falle mit Männern verheiratet, die künstlerisches Schaffen ermöglichen konnten. Dennoch belegen die Bilder der 14 teilweise unbekannten Frauen, dass es schon im 19. und 20. Jahrhundert sehr talentierte Künstlerinnen in Süddeutschland gab. Laut Degreif solle diese bisher weitgehend unentdeckte Qualität der Kunstwerke im Vordergrund der Ausstellung stehen und nicht das Geschlecht.
Die 150 ausgewählten Werke der 14 Künstlerinnen sind in 14 Räumen auf drei Etagen des Schlosses ausgestellt – jeder Raum ist einer Künstlerin gewidmet. Die frühen Bilder sind noch stark vom Realismus geprägt. Anna Peters (1843-1926) war als Fachmalerin für Blumen und Pflanzen damals führend in Süddeutschland und auch kommerziell sehr erfolgreich. Ab 1895 begann sie, mehr Licht einzusetzen, wie Uwe Degreif ausführte. Ebenfalls als Fachmalerin tätig war ihre Schwester Pietronella Peters (1848-1924), die vor allem Familienbilder malte. Als Fachmalerin für Porträts sind Werke von Paula von Waechter (1860-1944) zu sehen, die Farbe vor allem als Kompositionsmittel einsetzte. Diese drei Pionierinnen hatten gemeinsam, der höheren Gesellschaftsschicht anzugehören.
Als eine Begründerin des weiblichen Impressionismus in Süddeutschland gilt Sally Wiest. Ihre Bilder waren bunter und farbenfroher, sie wählte auch urbane Themen (z.B. „Panoramagemälde Stuttgart“), was damals selten war, wie Degreif bemerkte. Aufgrund ihrer Spezialisierung auf Landschaftsmalerei nannte man sie auch „Grüne Sally“. Mit Licht und Schatten spielte Maria Caspar-Filser, deren Mann Professor war. Sie beherrschte auch das große Format und schuf Bilder von Rom oder Florenz.
Beim Presserundgang wurde deutlich, dass die Farben im Laufe der Zeit heller wurden. So sind die Bilder von Malerinnen wie Pietronella Peters oder Paula von Waechter farblich noch weitgehend sehr dunkel. Ab Mitte der 1890er-Jahre wird es zunehmend heller. Außerdem beginnt eine Loslösung vom Objekt, dessen genaue Darstellung bei den Fachmalerinnen noch elementar war. Bei Anna Huber ist bereits eine Aufhellung zu erkennen. Später wurde schließlich viel Weiß eingesetzt – eine Farbe, die vor allem von Frauen verwendet wurde. Beispiele dafür sind ein undatiertes Selbstbildnis oder das „Mädchen im weißen Kleid“ von Helene Wagner und ein Selbstbildnis von Luise Deicher. Bei Deicher sind außerdem Einflüsse von Kubismus und von der neuen Sachlichkeit zu sehen. Maria Hiller-Foell markierte mit ihrer subjektiven Sicht auf Dinge 1913 einen Schnitt, indem sie das fotografische Malen verließ.
Eine wichtige Rolle spielte der 1893 in Stuttgart nach Münchener Vorbild gegründete Württembergische Malerinnen-Verein. Er ermöglichte Frauen die Nutzung von Ateliers und die künstlerische Bildung, denn um 1900 war es sehr schwer, als Frau in den Genuss davon zu kommen. Insbesondere das Aktstudium war Frauen verwehrt. Unterstützt wurde der Verein vom württembergischen Königshaus. Das Vereinshaus, in dem viele Künstlerinnen auch lebten, existiert heute noch, der Verein heißt mittlerweile Bund bildender Künstlerinnen Württembergs. Auf Schloss Achberg ist ein Film über die Geschichte dieses Vereins zu sehen.
In der Ausstellung sind weitere Werke – größtenteils aus privatem Besitz – zu betrachten von der aus dem Landkreis Ravensburg stammenden Anna Eichler-Sellin, von Johanna Dann, von Marie Sieger, von Käte Schaller-Härlin, von Emma Joos und von Helene Wagner. Ein Selbstbildnis von Marie Sieger wurde als Titelbild für die Ausstellung und für den Katalog ausgewählt. Es zeigt eine mutige und forsche Frau und passe daher sehr gut in das Konzept, wie der Kurator betont.
Autor: Patrick Merk