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Die Autorin und Filmemacherin Monika Czernin freut sich über den Literaturpreis. Foto: Johannes Reichert

Bad Wurzach – Der Saal war voll, die Stadtkapelle spielte unter anderem einen Titel mit Österreich-Bezug („Kaiserin Sissi“), Bürgermeisterin und Laudatorin würdigten ein Werk, das in idealer Weise zur Intention des Stifters passt, und die Laureatin gab detaillierten Einblick in das Werden ihres stolzen Œuvres: Die Verleihung des hochangesehenen Friedrich-Schiedel-Literaturpreises war wieder ein Fest für Bad Wurzach. Ausgezeichnet wurde heuer Monika Czernin, Schriftstellerin und Filmemacherin aus Österreich.

Geschichte hat sie quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Monika Czernin entstammt einer Familie, in der Geschichte gelebt und mitunter sogar gestaltet wurde. Ottokar Graf Czernin, bis April 1918 Außenminister des untergehenden Habsburgerreiches, ist ein direkter Vorfahr der Literatin. Wie auch Nora Gräfin Kinsky, die die Russische Revolution hautnah miterlebt hat. Kein Wunder, dass in der Familie Historie und Histörchen allgegenwärtig waren. Ihr Vater habe ihr das Tagebuch der Gräfin Kinsky in die Hand gedrückt und so wurde die mutige und altruistische Ahnin (sie diente im Ersten Weltkrieg als Krankenschwester) „eine meiner liebsten Frauenfiguren, ein weiblicher Dr. Schiwago“, wie Monika Czernin in ihrer Dankesrede bekannte.

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Ausgestattet mit diesem Erbteil, ausgestattet mit Fleiß und der Bereitschaft zu akribischer Archivarbeit und ausgestattet mit der Fähigkeit, historische Faktentreue mit empathischer Fiktion zu einem gewinnenden künstlerischen Gesamt zu verschmelzen, schuf Monika Czernin ein beeindruckendes Werk, das inzwischen 14 Filme und 18 Publikationen umfasst.

Dieses dokumentaristisch-belletristische Können an der Schnittstelle zwischen Literatur und Geschichte war es auch, das die Jury des Friedrich-Schiedel-Preises bewogen hat, den mit 10.000 € dotierten Preis der Autorin aus Österreich für ihr 2021 erschienenes Buch „Der Kaiser reist inkognito. Joseph II. und das Europa der Aufklärung“ zuzuerkennen; dargestellt werden Reformbemühungen und Volksnähe des Kaisers (1741 – 1790).

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Czernins Buch entspreche in hervorragender Weise den Vergabekriterien, zitierte Bad Bürgermeisterin Alexandra Scherer aus der Zielsetzung des Schiedel-Preises, indem es einen Abschnitt der Geschichte des deutschen Sprachraums der letzten 300 Jahre „menschlich bewegend und in würdiger, literarisch wertvoller Form“ darstelle.

Die Vergabekriterien, Vermächtnis des 2001 verstorbenen Unternehmers Friedrich Schiedel (geboren 1913 in Baierz, nahe Bad Wurzach), machen den Bad Wurzacher Literaturpreis zu etwas Besonderem, das es in dieser Form im deutschen Sprachraum kein zweites Mal gibt. Monika Czernin würdigte denn auch den Preisstifter als „verantwortungsvollen Unternehmer“ und „Diener der Allgemeinheit“. „Er imponiert mir sehr“, sagte die Laureatin, die in Schiedels Mäzenatentum für die Region eine gewisse Parallele zu ihrem Kaiser Joseph II. sieht, der ein Diener des Staates gewesen sei. Den „Kaiser des Volkes“ habe ein tiefes Mitgefühl für die ihm anvertrauten Menschen ausgezeichnet, ahnend, dass ohne Modernisierung das Alte nicht mehr tragfähig sei. Beim Besuch seiner Schwester Marie-Antoinette in Paris im Jahre 1777 – zwölf Jahre vor dem Sturm auf die Bastille – habe er prophezeit: „Wenn Ihr die Revolution nicht verhütet, wird sie grausam sein.“ Der älteste Sohn von Kaiserin Maria Theresia reiste in den Jahren 1764 bis 1787 kreuz und quer durch sein Reich, in einer einfachen Kutsche, sich als Landedelmann ausgebend, um nah bei den Untertanen zu sein. Dabei legte er die für die damalige Zeit unvorstellbare Strecke von 50.000 Kilometern zurück. Die Folge seiner Reichsinventur waren große Reformen wie die Abschaffung der Leibeigenschaften, der Todesstrafe und die Zurückdrängung der Macht von Adel und Klerus.

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Brigitte Mazohl (Uni Innsbruck) sagte in ihrer Laudatio, Monika Czernin verstehe es „meisterhaft, Geschichte und Sprache miteinander zu verknüpfen und die Leser erleben zu lassen, wie eine Zeit gewesen ist, wie sie sich anfühlt“. Das Buch lese sich „wie ein Roman und ist zugleich eine wissenschaftlich fundierte historische Studie.“

Monika Czernin, Schiedel-Preisträgerin des Jahres 2023, steht in einer illustren Reihe, die mit Sebastian Haffner, Preisträger des Jahres 1983, begonnen hat. Weitere namhafte Preisträger sind unter anderem Helmut Schmidt (1990), Golo Mann (1985) und Martin Walser (1992); zuletzt wurde Arno Geiger ausgezeichnet (2021).

Geboren 1965 in Klagenfurt, hat Monika Czernin an der Universität Wien Pädagogik, Politik, Philosophie und Publizistik studiert. Als Kulturredakteurin arbeitete sie für den ORF und „Die Presse“. Seit 1996 lebt sie als freie Autorin und Filmemacherin („Die Mätressen des Wiener Kongresses“) am Starnberger See. Mit ihrem 2016 erschienenen Buch „Anna Sacher und ihr Hotel“ stand sie auf der Spiegel-Bestsellerliste. Ihre Hommage an Gräfin Kinsky, die „Rotkreuz-Baronin“, erschien 2007 („ ,Ich habe zu kurz gelebt.‘ Die Geschichte der Nora Gräfin Kinsky“). 

Autor: Gerhard Raischmann



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