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Sarah Rieder neben der Büste des Laupheimer Juden Kilian Steiner.

Laupheim – Die neue Dauerausstellung im Museum zur Geschichte von Christen und Juden erinnert zeitgemäß an eine schwierige Beziehung zwischen Mehrheit und Minderheit. 

nsgesamt zwei Kilometer sind die bunten Bänder lang, die sich vom Treppenhaus in die komplett neu gestaltete zweite Etage des Laupheimer Schlosses ziehen. Textile Elemente verdeutlichen das vielfältige Geflecht der christlichen und jüdischen Gemeinschaft  im Lauf der Jahrhunderte. „Jüdische Beziehungsgeschichten“ stellt die am 24. Januar feierlich eröffnete Dauerausstellung des Museums zur Geschichte von Christen und Juden in den Vordergrund. Zwei Jahre wurden die Räumlichkeiten komplett saniert, im Auftrag der Stadt Laupheim konzipierte das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart die neue Dauerausstellung. Die Vermittlung von jüdischer Geschichte und die Erinnerungsarbeit verfolgt einen innovativen Ansatz. „In Anbetracht dessen, dass wir uns derzeit über den Euphemismus Remigration unterhalten müssen und die Demokratie aktuell in einem äußerst fragilen Zustand erscheint, ist es wichtig, auch hier vor Ort ein Zeichen zu setzen. Die Eröffnung der neuen Dauerausstellung kommt somit genau zur richtigen Zeit“, betont Oberbürgermeister Ingo Bergmann bei der Eröffnungsfeier. Arne Braun, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, betonte in seiner Eröffnungsrede: „Das Museum ist im gesamten deutschsprachigen Raum einzigartig. Nirgendwo sonst wird die jüdische Geschichte museal als selbstverständlicher Bestandteil der allgemeinen deutschen Geschichte präsentiert und die lokale Geschichte als die gemeinsame Geschichte von Mehrheit und Minderheit erzählt.“

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Die Dauerausstellung im Schloss wurde komplett neu konzipiert.

Gemeinsam im Verein

Einen Ausschnitt aus 300 Jahren jüdischen Lebens in Laupheim zeigt das Foto des Laupheimer Schützenvereins. Zu erkennen ist hier auch der 1885 geborene Richard Heumann. Auf dem nächsten Bild sind er und vier weitere jüdischen Männer des Schützenvereins nicht mehr zu sehen, ihre Silhouetten schwarz dargestellt. Zwei Vereinsmitglieder konnten fliehen, einer beging Selbstmord, Richard Heumann wurde 1942 in Auschwitz ermordet. 

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Die Ausstellung will mit dem Herausheben von Einzelschicksalen das Unbegreifliche begreifbar machen. Will zeigen, wie sich seit der Ansiedlung erster jüdischer Familien 1724 das Zusammenleben entwickelte, bis die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger schließlich ausgegrenzt, vertrieben und ermordet wurden. Aber auch, wie nach dem Krieg zaghaft wieder erste Annäherungen entstanden. Ausstellungsstücke, Fotos und Dokumente werden durch Fäden verknüpft, die das Beziehungsgewebe veranschaulichen. Farbe und Zustand der textilen Elemente der Ausstellung verändern sich dabei analog den Umbrüchen im Zusammenleben. Teilweise leuchten die Farben, vor allem in der Zeit nach dem Gleichstellungsgesetz von 1864, als die Jüdinnen und Juden mehr Rechte erhalten hatten. Doch immer wieder zerreißen die Fäden, verlieren Farbe. Zwar wurde das Beziehungsgewebe immer dichter, doch es hatte einen stets vorhandenen und immer wieder zu Tage tretenden Webfehler: die christliche Judenfeindschaft und den Antisemitismus.  

Viele Rückschläge gab es nach Ende des NS-Regimes bei den vorsichtigen Versuchen, Beziehungen zwischen den im Ausland lebenden, aus Laupheim vertriebenen Juden herzustellen. Eine jüdische Gemeinde gab es nicht mehr, dort wo einst die größte jüdische Gemeinde im Königreich Württemberg gelebt hatte. Aus dem Briefwechsel in den 1980er-Jahren zwischen Burkhard Volkholz sen. und der Hochspringerin Margaret „Gretel“ Bergmann, 1914 in Laupheim geboren, in New York lebend, geht hervor, wie sehr die Verletzungen noch nach Jahrzehnten schmerzten. Doch 2003 war die Hochbetagte bereit, ihre alte Heimat zu besuchen.

Ehe man den Raum mit Exponaten betritt, die ehemalige Laupheimer zu Verfügung stellten, tritt man symbolisch durch die Tür, der 1938 in Brand gesteckten Laupheimer Synagoge und steht später in einem klinisch weißen, runden Raum mit verschiedenen Hör- und Lesestationen. Das jüdische Leben in Laupheim wurde ausgelöscht. 

An vielen Stellen der Ausstellung findet sich das Symbol für den Audioguide. Dieser führt durch die neue Dauerausstellung, ermöglicht aber auch nach dem Museumsbesuch bei einem Spaziergang durch die Stadt die vorgestellten Menschen und ihre Geschichte zu verorten.

“Wir wollen emotional berühren”

BLIX sprach mit Sarah Rieder, Leitung Vermittlung und Bildung. Die 35-Jährige studierte in Gießen Geschichts- und Kulturwissenschaften. Nach ihrem Bachelor-Abschluss arbeitete sie in einem Memminger Verlag und schloss das Studium der Kunstgeschichte in Konstanz und Wien mit dem Master ab. Laupheim lernte sie 2019 als Mitarbeiterin der Pressestelle im Rathaus kennen. „Die Laupheimer sind wahnsinnig nette Menschen“, schwärmt sie. „Sie sind aufgeschlossener und weniger reserviert als wir im Allgäu“, sagt die gebürtige Füssenerin.

Der Judenstern wurde zurückgebracht nach Laupheim. 

Seit Oktober 2023 arbeitet sie im Museum. In enger Absprache mit Museumsleiter Dr. Michael Niemetz erstellt sie die Quartalsprogramme. „Mir liegt daran, das Thema, so traurig es auch ist, auf eine Weise zu vermitteln, die Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene emotional anspricht. Sie sollen verstehen, wie eine gut funktionierende Gesellschaft zerbrochen ist, wie es zur Eskalation kam. Und vor allem zu warnen, dass so etwas zwischen gesellschaftlichen Mehrheiten und Minderheiten wieder passieren kann. Ich finde die Ausstellung ästhetisch sehr ansprechend. Der Bezug auf Textiles ist eine gute Metapher, um das Beziehungsgewebe darzustellen.“ 

Wie erlebt sie die Reaktionen der Besucher? „Bei Führungen sind manche betroffen: ‚Ich habe gar nicht gewusst, dass so viel Schlimmes hier passiert ist‘ aber auch ‚Ich bin beeindruckt, welche berühmten Persönlichkeiten aus Laupheim stammen‘‚ ist zu hören.“ Auf die Frage, was ihr besonders gefällt, antwortet Sarah Rieder: „Die neue Ausstellung lässt die Architektur wieder atmen. UV-Folien an den Fenstern schützen die Exponate, der Blick nach draußen ermöglicht Beziehungsachsen. Gerade Schulklassen erzähle ich auch vom Schloss. Kinder sind anspruchsvolle Besucher. Ich möchte, dass sie gerne wieder ins Museum kommen. Auch möchten wir die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren, Institutionen und Vereinen zukünftig stärken.“

Welche Exponate beeindrucken die Museumspädagogin am meisten? „Der Judenstern in unserem Objektzeugenraum. Man kennt das Bild eines Judensterns von Fotografien oder aus Filmen, aber es ist schon sehr besonders, einen wirklich vor Augen zu haben. Der Stern gehörte Siegfried Einstein, über seine Witwe gelangte dieser zu uns ins Museum.“ 

Sarah Rieder ist es wichtig, dass die Entwicklungen und Ereignisse in Laupheim nicht vergessen werden. „Aber es geht auch darum, wie wir mit Minderheiten umgehen. Ein ganz aktuelles Thema.“

INFO: Das Museum hat Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 13 – 17 Uhr geöffnet. Eintritt: Erwachsene 5 €, ermäßigt 4 €, Familien 8 €, Schüler und Jugendliche bis 18 Jahre frei. Führungen für Gruppen nach Voranmeldung auch außerhalb der Öffnungszeiten. 

 www.museum-laupheim.de

Text & Fotos: Andrea Reck



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