Ochsenhausen – Auf die Suche nach dem Frühling machten sich an einem Samstag Mitte März neun Kinder mit Mama, Papa oder Oma. Sie hatten viel Spaß und wurden fündig.
Am meisten leuchten an diesem trüben, knapp vier Grad kalten März-Nachmittag Nora Leipners Rasta-Haare. Und ihre Augen, als sie den Kindern spielerisch das Erwachen des Waldes aus dem Winterschlaf näherbringt. „Den Frühling kann man riechen“, behauptet sie, man müsse nur den Geruchssinn etwas trainieren. Aber zunächst hört man die Waldbewohner. Vor allem Amseln. Wobei die Vögel in der Stadt doppelt so laut singen wie im Wald, nämlich mit 90 Dezibel. „Wer nicht gehört wird, findet keinen Partner und kann sich nicht fortpflanzen“, erklärt die in Berlin aufgewachsene Landschaftsökologin, Erzieherin und Waldpädagogin. Sie arbeitet seit kurzem als Waldpädagogin für das Kreisforstamt im Landratsamt Biberach. Die Wald-und Umweltbildung des Landkreises bietet rund ums Jahr ganzheitliche kostenlose „Programme mit Herz, Hand und Verstand“ an. Für Lehrkräfte, Kindergärten, Schülerinnen und Schüler, und einfach für Alle, die interessiert sind.

Ein Mädchen findet bei einem Stopp am Weg einen Tannenzapfen, der sich dann aber als Fichtenzapfen entpuppt. Links des Weges ist der Wald dunkel und mit Moos bewachsen, rechts wächst lichter Laubwald, derzeit natürlich noch ohne Blätter. Adlerfarn wuchert dort im Sommer an sonnigen Flecken. Förster unterstützen die kleinen Bäumchen dabei, sich gegen ihn zu behaupten. Die Kinder hören, dass der Wald einem riesigen Schwamm gleicht, der weltweit so viel Wasser speichert, wie alle Flüsse und Seen zusammen. Es braucht im Wald viele verschiedene Pflanzen, die verschiedenen Tieren Lebensraum bieten.
Nun sind alle eine Minute ganz leise, um die Vögel zu hören. Kohlmeise und Taube sind herauszuhören. Ruft ein Bussard, warnen kleinere Vögel vor dem Raubvogel. „Vor allem der Eichelhäher sagt allen Bescheid.“ Und wieso haben eigentlich die Männchen das schönere Federkleid? Klar, die Weibchen sind mit einem Tarnkleid beim Brüten auf den Nestern besser geschützt. Und was fressen die Vögel? Die Amsel kann ihr Lieblingsfutter, den Regenwurm, sogar unter der Erde hören und pickt an der richtigen Stelle hinein.

Körner picken will gelernt sein
Nun lernen die Kinder, wofür welche Schnabelformen geeignet sind. Nora Leipner hat Bildkärtchen mitgebracht, auf denen zu sehen ist, welche Nester Kohlmeise, Zaunkönig, Buchfink, Rotkehlchen oder Star bauen, und was sie fressen. Jeweils zwei Kinder zusammen bauen ein Nest für den gewählten Vogel. Aus Pinzetten und anderen Werkzeugen dürfen sie ihren „Schnabel“ aussuchen, picken dann die entsprechenden Samen und Nüsse aus dem mitgebrachten Futterangebot und legen es in ihr Nest. Als Leipner „Kuckuck“ ruft, kommen alle und zeigen ihre Nistplätze. Übrigens haben Jungvögel noch keinen Geruch, kurzfristig alleine gelassene Tiere können daher etwa vom Fuchs nicht erschnüffelt werden.
Auf dem weiteren Weg sehen wir Haselblüten, die den Erstfrühling anzeigen und ähnlich wie Weidekätzchen, die man nicht abschneiden sollte, Insekten erste Nahrung bieten. Ein paar Meter weiter sind die wegen des schlechten Wetter geschlossenen gelben Blüten des Huflattichs zu sehen. Bald bleiben wir vor einer halben Meter hohen Tanne stehen, deren frische Spitzen vor allem Rehe lieben. „Das ist für sie die Schokolade des Waldes“, verdeutlicht die Waldpädagogin.
Zum Schluss gibt’s noch ein Fledermaus-Spiel. Die nachtaktiven Tiere fangen im Flug kleine Käfer. Gar nicht so einfach. Die Kinder stellen sich in einer Reihe auf, gegenüber die Eltern, die versuchen, Rosinen in die aufgesperrten Münder zu werfen. Viele Rosinen landen auf dem Boden. Beim zweiten Versuch ahmen die Kinder Fledermäuse nach, die ihre Flügel als eine Art Trichter einsetzen. Halten die Mädchen und Jungen ihre Hände als Trichter an den Mund, landen tatsächlich mehr Rosinen darin.
Auf dem Rückweg zur Fürstenwaldhütte spielen die Familien Kröten. Männliche Kröten klammern sich nämlich auf dem Weg zum Laichplatz auf dem Rücken der größeren Weibchen fest und lassen sich tragen. Die menschlichen Doppeldecker haben viel Spaß auf den letzten Metern der Walderkundung. Auf die Frage, was am schönsten war, kommt neben einem „Alles!“ vielstimmig: „das Nestbauen!“. Das klingt doch ganz nach Osterhase.
Info: www.biberach.de/KreisforstamtVeranstaltungen. Die Termine sind begehrt, es empfiehlt sich eine rechtzeitige Anmeldung.

Zum Traumberuf nach Biberach
Frau Leipner, was ist eigentlich Landschaftsökologie?
Leipner: Landschaftsökologie hat sowohl ökologische, biologische als auch geographische Inhalte und untersucht damit komplexe ökologische Zusammenhänge der Lebensgemeinschaften und deren Umwelteinflüsse.
Wie sind Sie ausgerechnet nach Biberach gekommen?
Leipner: Ich bin 1981 in Berlin geboren, ab der vierten Klasse lebte ich in Aschaffenburg, zum Studium in Oldenburg und mit der Liebe bin ich 2013 nach Kronau gezogen. Hier habe ich die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin gemacht und die Fortbildung zur staatlich zertifizierten Waldpädagogin. Seit 2013 arbeite ich als Waldpädagogin und von 2021 bis 2024 habe ich einen Waldkindergarten in Waghäusel geleitet. Mit der Stelle als Waldpädagogin im Kreisforstamt bin ich schlussendlich zum Traumberuf nach Biberach gezogen.
BLIX: Warum macht das Kreisforstamt diese Arbeit?
Leipner: Die Waldpädagogik ist eine im Landeswaldgesetz gesetzlich verankerte Bildungsaufgabe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg. Diesen Auftrag erfüllen wir mit individuell auf die Lernplaninhalte zugeschnittenen Waldaktionen für Schüler*Innen, mit Fortbildungsangeboten (wie dem neu gestarteten Zertifikatskurs „NaturImpulse“) und mit öffentlichen Führungen zu jahreszeitlich passenden Themen. Uns liegt dabei am Herzen, auch inklusiv zu arbeiten, so dass jeder an unseren kostenfreien Angeboten teilnehmen kann.
Wie wird das Angebot angenommen?
Leipner: Die Resonanz ist gut, wobei es in unserem großen Landkreis immer noch Schulen gibt, die dieses Angebot nicht kennen. Ebenso möchten wir die Angebote für die Mittel- und Oberstufe gern ausbauen, hier ist die Resonanz noch gering.
Autorin: Andrea Reck
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