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Bad Schussenried – Berthold Porath ist Coach, Unternehmens- und Männerberater – und Trauerredner. Was befähigt den 62-Jährigen dazu? Ein Leben voller Erfahrungen und die Bereitschaft, immer dazu zu lernen. Sein Weg ist der eines Mannes, der erfahren hat: Erfolg kann in die Irre führen. Sein Ziel: Balance mit sich – den Menschen und der Natur. Und dazu gehört der Tod, ist er überzeugt. Nachgefragt.

Herr Porath, warum Trauerredner, ist das Leben nicht schon schwer genug?

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Das sehe ich überhaupt nicht so, denn der Tod gehört nun einmal zum Leben und das Einzige, was wir mit Sicherheit über unsere Zukunft wissen, ist die Tatsache, dass wir alle einmal sterben werden. Der Tod ist das Gewisseste, was wir im Leben haben, und nicht umsonst ist auf vielen Friedhöfen und Gedenk-Orten zu lesen: Memento mori! Mensch bedenke, dass Du stirbst! Obwohl der Tod in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema ist, macht es aus meiner Sicht sehr viel Sinn, sich damit zu beschäftigen, denn wer sich seiner Endlichkeit bewusst ist und offen mit der Sterblichkeit umgeht, lebt bewusster und leichter. Ich versuche daher immer auch mit einer gewissen Leichtigkeit an das Thema heranzugehen.

Das ist vermutlich leichter gesagt als getan?

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Zuerst begleitete ich meine Partnerin, die Fotografin ist, als freier Redner bei Hochzeiten, bis mich eine Kollegin darauf aufmerksam machte, dass ich als Redner auch Trauerfeiern zelebrieren könne. Dies sprach mich sehr an, denn vor 32 Jahren verlor ich durch einen Unfall meine Frau und die Mutter unseres kleinen Sohnes, und ich musste dabei schmerzhaft lernen, mit der Trauer umzugehen. Im Rückblick macht es mich noch heute nachdenklich, wie mir manche Menschen seinerzeit begegnet sind. Vermutlich hatten meine Mitmenschen damals Angst, mit einem Witwer und seinem Kind zu reden. Daher gehe ich heute mit diesem Thema sehr offen um und ermutige die Menschen, auf Trauernde zuzugehen. Es ist für mich ein schönes Werk, den Menschen in einer Ausnahmesituation Trost zu spenden und ihnen in einer vermeintlich trostlosen Lebenslage Halt zu geben. 

Seit vier Jahren begleiten Sie Trauernde beim Tod eines nahestehenden Menschen, eines Verwandten oder eines Freundes. Nicht selten sind es Schicksalsschläge. Kein normaler Job. Beschreiben Sie, was Sie tun.

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Wenn man in ein Haus mit trauernden Angehörigen kommt, dann ist es wichtig, dass die Angehörigen das Vertrauen zu mir bekommen und wissen, dass sie in ihrer Trauer und ihrem Schmerz verstanden werden. Da ich, wie bereits gesagt, schon in jungen Jahren Erfahrungen mit dem Tod machte, spreche ich offen über den Tod und die Trauer und ermutige die trauernden Angehörigen, ihrem Schmerz nicht zu verdrängen, sondern ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Dann reden wir zuerst über den Ablauf der Abschiedsfeier und wählen die entsprechende Musik für die Feier aus. Für mich ist die Musik ein wichtiger Bestandteil der Feier, denn sie bringt uns mit ihren Schwingungen in eine gute Resonanz zu unseren Gefühlen.

Der Trauerredner Berthold Porath weiß, wovon er spricht und erklärt es im Gespräch. Fotos: Roland Reck

Sind die Trauernden denn bereit, sich mit einem Fremden auszutauschen?  

Selbstverständlich gehe ich im Trauergespräch auf das Leben der Verstorbenen ein, frage nach und lasse Raum für Erinnerungen, denn jeder Mensch hat seine eigene Geschichte und ich verleihe dieser Geschichte mit meiner Stimme den entsprechenden Ausdruck. Ich erkläre dann im Gespräch, dass bei einer Abschiedsfeier nicht nur getrauert und geweint werden muss; nein, es darf auch gelacht werden. Als Trauerredner muss ich diese Trauer nicht noch verstärken. Es geht bei meiner Arbeit zwar darum, der tiefen Trauer ihren Raum zu geben, doch wenn es möglich ist, möchte ich den Leuten auch ein kleines Lächeln abgewinnen und ihnen mit meinen Worten Trost und Mut zum Weiterleben spenden.

Wie gelingt Ihnen das? 

Oft kommen am Ende einer Abschiedsfeier Menschen auf mich zu und fragen mich, ob ich den Verstorbenen gut gekannt hätte, was ich dann meistens verneine. Doch durch meinen Beruf als Personal-Trainer habe ich gelernt, den Betroffenen viele Fragen zu stellen und ohne Bedenken alle Themen anzusprechen. Und dann höre ich meist sehr interessante Geschichten von faszinierenden Menschen, die ihre Spuren hier auf Erden hinterlassen haben. Und mit meiner Rede möchte ich die Trauergäste mitnehmen auf eine kleine Reise, bei der Bilder entstehen, wenn wir auf diesen Spuren der Verstorbenen wandeln. Man ist als Trauerredner immer auch ein Geschichten-Erzähler.

Die lateinische Regel lautet: ‚De mortuis nihil nisi bene‘; soll heißen: ‚Über die Toten soll man nur gut sprechen‘. Gemeint ist damit allerdings nicht, was man sagt, sondern wie, also die Art und Weise, in der man über den Toten spricht. Was macht eine gute Trauerrede aus?

Ob eine Rede gut oder schlecht war, entscheiden am Ende immer die Zuhörer. Für mich ist es wichtig, offen über das Leben der Verstorbenen zu reden, und auch über Dinge zu sprechen, bei denen vielleicht so mancher Zeitgenosse sagen würde, dass man darüber doch nicht sprechen kann. Natürlich stimme ich mich immer mit den Angehörigen vorher ab, was gesagt werden darf und was nicht. Aber ich sage ihnen auch, dass es nichts bringt, Tatsachen zu verschweigen. Und dass ich in der Regel die richtigen Worte gefunden habe, zeigen mir die zahlreichen Briefe, Mails und Telefonate, die ich nach einer Trauerfeier bekomme. Auch wenn die Arbeit als Trauerredner für mich neben meinem Beruf als Trainer und Berater eine Nebentätigkeit ist, so kann ich sagen, dass ich noch nie so viel Anerkennung im Beruf erfahren habe wie bei meiner Arbeit als Trauerredner. 

Ein Ort der Trauer ist seit Jahrhunderten die Kirche, der Glaube spendet Trost, der Priester  hat die Worte dafür. Das ist noch immer so. Ein Angebot, das aber offensichtlich immer weniger nachgefragt wird, und anstelle des Priesters treten Sie auf. Warum ist das so? Was können Sie besser?

Die Trauerarbeit wird immer von Menschen gemacht, und egal ob freier Redner oder Priester, gute Seelsorger und gute Redner gibt es in allen Bereichen. Allerdings ist die Kirche zurzeit in einem gewaltigen Transformationsprozess und auf meine Frage, weshalb die Angehörigen einen freien Redner für die Abschiedsfeier ausgewählt haben, kommt oft der Hinweis, dass die Verstorbenen mit der Kirche gebrochen haben oder mit einer Religion wenig anfangen können. Manchmal erschrecke ich selbst, wie viele Menschen aus der Kirche ausgetreten sind und bedauere es auch, dass so gut wie kein Dialog zwischen den professionellen Seelsorgern und den Laien zustande kommt. Wenn man sieht, wie viele Menschen sich von der Institution Kirche abgewendet haben, kommt mir manchmal der Gedanke, dass die Entchristianisierung auch vor unserer oberschwäbischen Heimat, die ja von einem tiefen Volksglauben geprägt ist, nicht mehr Halt macht. Das ist schade, denn ein neues Denken und Umdenken täte vielen Vertretern der Kirche gut. Fakt ist, die Religion mag sich verändert haben, aber Gott sicher nicht. 

Kirchen sind Orte für Rituale, die insbesondere bei Trauer helfen können. Was ist Ihr Klientel und welche Rituale verwenden Sie?

In meiner Tätigkeit bin ich offen und tolerant für alle Menschen, egal welcher Glaubensrichtung sie angehören und egal, ob sie einen Glauben haben oder nicht. Und ich frage die Angehörigen beim Trauergespräch jedes Mal, ob wir bei der Abschiedsfeier gemeinsam das ‚Vater Unser‘ beten sollen, sofern die Verstorbenen im christlichen Glauben erzogen wurden. Dabei bin immer wieder erstaunt, dass in 80 Prozent der Fälle die Menschen sagen, ‚aber sicher beten wir gemeinsam das Vater Unser‘. Der Mensch braucht seit Urzeiten Rituale, denn diese bringen uns in einen besonderen Zustand jenseits der Alltagswelt. Immer dann, wenn wir einer Handlung eine besondere Bedeutung geben wollen, greifen wir zu Ritualen. Eine Trauerfeier ist ja auch ein Ritual und macht uns durch zeremonielle Worte und durch zeremonielle Gesten, wie zum Beispiel das Weihwasser oder Blumen am Grab, bewusst, wie wichtig dieser Anlass am Ende des Lebens ist. 

Trauer ist ein stark subjektives Gefühl, mit dem Menschen sehr unterschiedlich umgehen. Wie gehen Sie damit um?

Wie gesagt, ist nach meiner Ansicht die Erfahrung ein wertvolles Gut für die Arbeit eines Trauerredners. Und weil ich weiß, wie es sich anfühlt, auf einen leeren Platz am Küchentisch zu starren, an dem zuvor ein geliebter Mensch saß, habe ich gelernt, mit der Trauer umzugehen. Im Nachhinein werfe ich mir allerdings vor, dass ich meine Trauer seinerzeit als junger Mann verdrängt habe, so wie viele Männer nun einmal gerne ihre Gefühle verdrängen, anstatt sie zuzulassen. Kleinen Jungen wird schon früh beigebracht, dass sie stark sein und nicht weinen sollen. Durch meine Männer-Arbeit, bei der ich mich seit vielen Jahren mit anderen Männern austausche, habe ich gelernt, diesem Thema Raum zu geben und das Positive in allem zu sehen. Natürlich geht mir die tiefe Trauer der Menschen bei vielen Abschiedsfeiern ans Herz, aber es ist, wie mit allen Erfahrungen: Wenn man selbst schon einmal in einer solchen Situation war, tut man sich leichter, damit umzugehen. Zudem lese ich sehr viele Bücher, in denen unter anderem Ärzte und Wissenschaftler dem Thema Nahtod-Erfahrungen wissenschaftlich auf den Grund gegangen sind. Wenn ich dann diese Erkenntnisse mit dem vergleiche, was uns seit vielen tausend Jahren zahlreiche Kulturen und Religionen lehren, so glaube ich, dass es da schon so etwas wie eine Seele oder ein Bewusstsein gibt, das nach dem körperlichen Tod in einer anderen Dimension weiterlebt. Das gibt mir Hoffnung. Doch es bleibt jedem selbst überlassen, ob wir an eine Seele glauben oder nicht. 

Die Zeit heilt Wunden, sagt man, gilt das auch für die Trauer?

Eine Wunde hinterlässt in der Regel eine Narbe und eine große Narbe kann auch viele Jahre nach einer Verletzung noch schmerzen. Was die ‚große Wunde der Trauer‘ angeht, so hilft es aus meiner Sicht, wenn man gute Begleiter an seiner Seite hat, also Menschen, mit denen man offen über seine Gefühle und seine Trauer reden kann. So war mir persönlich über viele Jahre einer meiner besten Freunde ein guter Gesprächspartner, obwohl er selbst bekennender Atheist war. In unseren Gesprächen konnte ich lernen, die Trauer loszulassen und mich wieder auf das Leben zu freuen. Als er kürzlich verstarb, wurde mir einmal mehr schmerzhaft bewusst, welch große Lücke der Tod hinterlässt. Dennoch war es mir wichtig, die Abschiedsfeier für meinen Freund zu zelebrieren und meinem Dank dadurch Ausdruck zu verleihen, denn in unseren Herzen leben Verstorbene weiter.

‚Jedes Leid ist auch eine Chance zum Wachstum.‘ Dieses Zitat stammt von der Schweizer Ärztin Dr. Elisabeth Kübler-Ross, die sich jahrzehntelang mit dem Sterben und dem Tod auseinandergesetzt hat und darüber viele Bücher geschrieben hat. Und mögen es auch viele Menschen anders sehen, so kann ich aus meiner Erfahrung nur sagen, dass es Sinn macht, sich mit dem Tod zu beschäftigen, denn die Erkenntnis daraus hilft einem, achtsam mit sich selbst, seinen Mitmenschen und mit dem Leben umzugehen, sprich ein zufriedenes Leben bis ans Ende seiner Tage zu führen. 

Letzte Frage: Was ist ‚a scheene Leich‘, wie man im Schwäbischen sagt? 

Diese typisch oberschwäbische Bezeichnung beinhaltet den gesamten Abschiedstag, denn früher ging man zuerst ins Haus des Verstorbenen, wo dieser aufgebahrt war, verabschiedete sich am Sarg und reihte sich dann in den Trauerzug zum Friedhof ein, wo die Trauerfeier stattfand. Es ist auch heute noch Tradition, dass man anschließend zusammen in einer Wirtschaft einkehrt und dort die Trauerfeier und das Leben des Verstorbenen bei Speis und Trank zusammen nochmals Revue passieren lässt. Der Begriff hat aus meiner Sicht weniger mit der Trauerfeier auf dem Friedhof als mit der Abschiedsfeier im Wirtshaus zu tun, wo dann meist noch der eine oder andere Schnaps getrunken wird und die zunächst traurige Stimmung sich wieder löst. 

Zur Person:
Berthold Porath war „Krieger“, geprägt von einem Vater, der als Flüchtling aus Pommern in Oberschwaben strandete, Berufssoldat wurde und für den selbstverständlich war: Ein Mann weint nicht! Und als Flüchtlingskind muss man sich besonders anstrengen, will man nach oben. Dorthin, wo die Macht ist. Aber statt sein Verwaltungsstudium abzuschließen und Bürgermeister zu werden, folgte der Sohn des Soldaten dem Lockruf des Bieres, managte viele Jahre mit großem Eifer das Marketing der örtlichen Brauerei, wurde trotzdem aus dem Familienbetrieb verstoßen und wechselte zum nächsten nach Friedrichshafen, um dort ein Technikmuseum aufzubauen. Mit Erfolg, aber auch ohne Zukunft. Die fand er, indem er sich von seinem männlichen Ehrgeiz verabschiedete und sich seinem Eigenen und der Trauer zuwandte.

Autor: Roland Reck



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