Seine Herzensangelegenheit war der Wald und dessen Schutz. Er verstand sich nie als Holzlieferant; was beim Begriff der Forstwirtschaft im Vordergrund steht, war für ihn Frevel an der Natur. Walter Trefz war der Wohlleben im Schwarzwald – mit einem wesentlichen Unterschied. Peter Wohlleben, der Medienförster in der Eifel mit seinem Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ (2015), vertritt seine Naturphilosophie fürs Wohlgefühl ohne politischen Eifer. Walter Trefz, Förster im Schwarzwald auf dem Kniebis bei Freudenstadt, war grüner Aktivist mit harter politischer Kante. Am 29. Juli vor zwei Jahren starb Trefz bei einem Autounfall. Nun erscheint eine Biografie über ihn: „Der Walder vom Schwarzwald. Erinnerungen an den rebellischen Förster Walter Trefz“ von Annette Maria Rieger.
Ein toter Förster im Schwarzwald, warum darüber schreiben? Weil der Wald immer noch stirbt und dies ein existenzielles Thema schon vor 40 Jahren war, als Walter Trefz in seinem Kampf um die Gesundung des Schwarzwaldes zum Rebellen wurde. Und warum noch? Weil es so wenige gab und gibt, die aus der Forstpartie vernehmlich mit ihrem Fachwissen gegen die Zerstörung des Waldes protestieren, anstatt ihn zu verwalten. Das war nie sein Ding. Trefz wollte nicht stillschweigend an der Optik kurieren, indem er kranke Bäume so schnell wie möglich entfernte, sondern forderte Grundsätzliches: Schluss mit der Umweltzerstörung, insbesondere durch die hohen Schlote der Industrie und Kohlekraftwerke sowie den giftigen Qualm aus den millionenfachen Auspuffrohren. Die Luftverschmutzung führte in den 70er und 80er Jahren zum „sauren Regen“ und schädigte die Bäume sowohl in den Kronen als auch an den Wurzeln. Die Folge war baumweises Siechtum bis zum flächenhaften Absterben der Bäume, weil kranke Bäume ein gefundenes Fressen für Schädlinge wie den Borkenkäfer ist. Das kommt einem bekannt vor.
Walter Trefz trug schon als uriger Schwarzwälder Förster einen Ohrstecker, der von Vorgesetzten kritisch beäugt wurde, da war es gut, dass er als „Naturapostel“ bereits im (Un-)Ruhestand war. Fotos: Karl-Heinz Kuball und Bernhard Wagner
Walter Trefz, 1938 in Stuttgart geboren und im Schwarzwald aufgewachsen, ging an die Wurzel des Übels. „Das Waldsterben“ war neben der Atomkraft (Whyl am Kaiserstuhl) ein Katalysator für die Umweltbewegung, aus der 1980 die Grünen hervorgingen, die bereits 1983 erstmals in den Bundestag einzogen. Und es war auch vor 40 Jahren, dass in Freudenstadt, wo Trefz Förster war, im September 1983 die „Aktionskonferenz gegen das Waldsterben“ stattfand. Rund 600 TeilnehmerInnen folgten dem bundesweiten Aufruf „Rettet den Wald“. Und es waren nicht nur die Naturschützer und Umweltorganisationen, die kamen, sondern auch die Naturnutzer, die Waldbesitzer, die um ihr Eigentum fürchteten, die kommunalen Touristiker, die um ihre Gäste bangten, Wissenschaftler aus der nahen Universität Freiburg, die ihre Expertise einbrachten, und die Medien, die das Thema wichtig fanden. Darunter Horst Stern, der für die Zeitschrift „Natur“ berichtete und feststellte, dass sich rund um Freudenstadt kein gesunder Baum mehr finde. „Man sieht dort Forstmänner, die auf Waldgängen ihrer Tränen nicht mehr Herr werden“, schrieb der versierte Journalist. Die Konferenz war ein Aufbruch, „nur die Politik selbst, die war an diesem Wochenende kaum vertreten“, konstatiert die Buchautorin Annette Maria Rieger (52), selbst Schwarzwälderin, die „mein Walder“ jahrelang freundschaftlich begleitete.
In Bonn hatte mit der Bundestagswahl im März 1983 die lange Kanzlerschaft von Helmut Kohl als Regierungschef einer Koalition von Union und FDP begonnen. Kohls Triumph wäre perfekt gewesen, wenn nicht die Grünen als Ökopartei mit Sonnenblumen in Bonn Einzug gehalten hätten. Für den engagierten Naturschützer und streitbaren Kommunalpolitiker Walter Trefz war es konsequent, dass er deren Mitglied wurde. Doch in einer konservativen Forstverwaltung unter einer schwarzen Landesregierung war das ein Karrierekiller. Trefz Personalakte wuchs in gleichem Maße wie die Bäume um ihn her zugrunde gingen. Der bocksture Förster ließ sich aber nicht zur Raison bringen. Er kritisierte lauthals die Politik für ihr Zögern beim Umweltschutz und wird im Schwarzwälder Bote damit zitiert: „Politiker sind für den Wald gefährlicher als der Borkenkäfer.“ Der „unerlaubten Öffentlichkeitsarbeit“ folgte prompt eine Abmahnung, berichtet die Biografin.Indes endete das Netzwerktreffen im Frühjahr 1983 mit dem „Freudenstädter Appell zur Rettung des Waldes“. Darin wird als Not- und Sofortprogramm die drastische Reduzierung des Schadstoffausstoßes auf Kosten der Verursacher, eine Verschärfung und Anwendung der Großfeuerungsanlagen-Verordnung, eine Schadstoffabgabe, die sofortige Einführung von bleifreiem Benzin und Katalysatoren und eine einheitliche europäische Regelung zur Reduzierung der Luftverschmutzung gefordert. Und das alles bis spätestens Ende 1984.
Zehn Jahre später 1993 folgte die nächste Konferenz in Freudenstadt. Die turbulente Aktionskonferenz endete mit einer Resolution, die auch 30 Jahre später noch hoch aktuell ist. Darin heißt es: „Die bisherige Wirtschaftspolitik bietet keine Ansätze zur Konfliktbewältigung Ökologie-Ökonomie … die klimatische Veränderung der Erdatmosphäre schreitet voran … Die Erfordernisse des Ökosystems Wald, des globalen Klimas und der menschlichen Gesundheit machen es unumgänglich, insbesondere die Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik radikal zu verändern. Dies bedeutet, insbesondere die Nutzung fossiler Energie drastisch zu reduzieren und regenerative Energien konsequent zu fördern.“
Die gesellschaftspolitische Bedeutung des Waldsterbens vermittelten die Medien wie DER SPIEGEL 1981 und fand selbst bei der Deutschen Post 1985 Widerhall.
Da stehen wir heute – 30 Jahre später – immer noch. Allerdings ohne Walter Trefz, der vor zwei Jahren starb. Und der bereits Ende 1999 am Rande einer Routineveranstaltung im Beisein von rund 40 Kollegen in den Ruhestand versetzt wurde, nachdem er zuvor aus seinem Revier verbannt worden war. Der 61-Jährige wurde endgültig vom Hof gejagt. Und die gezielte Beiläufigkeit, mit der es geschah, war die Botschaft. Walter Trefz urteilte mit Blick auf seine anwesenden Kollegen: „Sie alle wurden Zeugen davon, wie es einem ergeht, der sich als Beamter nicht fügt. Alle Kollegen schwiegen betreten.“
Vielleicht ist das ein Grund, warum es so still ist im Wald – der stirbt. Aber stimmt das denn? Den Schwarzwald gibt es noch, allem Katastrophengeheul zum Trotz, rufen die Kritiker den Mahnern zu. Ja, der Wald ist ein zähes Geschöpf, und der Tod nimmt sich Zeit. Gott sei dank! Walter Trefz war ein gläubiger Mensch, der darin einen Auftrag sah. In einem Leserbrief schrieb er im November 1993: „Wenn ich in einer ruhigen Stunde mein Verhalten und meinen Standpunkt überprüfe und dann die zunehmende Luftverschmutzung und die immer mehr zerstörten Wälder dagegensetze, erschrecke ich über mich selbst, dass ich nicht mit mehr Energie und Mut entschiedener dagegen angehe. Dies nicht nur als Mensch und Umweltschützer Walter Trefz, sondern auch als Förster.“
Annette Maria Rieger
Der Walder vom Schwarzwald.
Erinnerungen an den rebellischen Förster Walter Trefz
Alfred Kröner Verlag, 2023
221 Seiten, 25 Euro
Waldzustand 2022: 4 von 5 Bäumen sind krank
Ob Fichte, Kiefer, Buche oder Eiche – die Bäume in Deutschlands Wäldern leiden stark unter den Folgen der Klimakrise. Insbesondere Dürre und hohe Temperaturen im vergangenen Sommer haben den Wäldern weiter stark zu gesetzt, so das Ergebnis der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlichten Waldzustandserhebung 2022.
Die regenreichen Monate zu Beginn des Jahres und im Herbst konnten das Wasserdefizit der Waldböden nicht kompensieren. So konnte sich der Wald nach den trockenen Jahren seit 2018 nicht erholen. Die Folgen sind an den Bäumen deutlich ablesbar: Bei allen Baumarten ist ein Großteil der Baumkronen geschädigt – mit 44 Prozent in der Warnstufe und 35 Prozent sogar mit deutlichen Kronenverlichtungen. Insbesondere die Fichte litt unter den Dürreperioden der letzten Jahre, sogar auf Standorten mit guter Wasserversorgung und in oberen Höhenlagen der Mittelgebirge, die für das Wachstum der Fichtenwälder bislang als sehr geeignet galten. Auch die Vitalität der gemeinen Wald-Kiefer, die bisher als ein Hoffnungsträger im Klimawandel gilt, leidet. Nur noch 13 Prozent der Kiefern sind gesund. Auch die Laubbäume leiden unter mangelnden Niederschlägen und hohen Temperaturen. Die Buche hat mit einem Anteil von 45 Prozent deutlich geschädigter Kronen im direkten Vergleich den größten Anteil in dieser Schadklasse. Der Vitalitätszustand der Buche ist daher weiterhin kritisch zu bewerten. Auch bei der Eiche gibt es keine Besserung, die Entwicklung zeigt sich vergleichbar mit der des Vorjahres. Der Anteil deutlicher Kronenschäden liegt bei 40 Prozent.
2022 zeigte sich zudem als ein Jahr mit deutlicher Fruchtbildung, welche die Kronenvitalität zusätzlich zur Witterung und Nährstoffversorgung beeinträchtigt hat. Einen zusätzlichen negativen Einfluss auf die Hitzetoleranz der Bäume haben die hohen Stickstoffeinträge und teilweise sauren Waldböden.
Autor: Roland Reck