Hochdorf – Über die Frage, wie sich die kommunale Energieversorgung verändern wird, wie Kommunen Nahwärmenetze betreiben können und was passiert, wenn die derzeitige Einspeisevergütung sinkt, sobald die Verträge auslaufen, diskutierten bei einer Veranstaltung in Hochdorf fachkundige Akteure.
Vor Beginn der öffentlichen Veranstaltung am 10. Mai besichtigten Kommunalpolitiker die Energiezentrale Hochdorf/Schupfenäcker. Herzstück des Blockkraftwerks ist ein mit Biogas gespeister Motor, der das Biogas in Strom umwandelt, wie Jürgen Schwendemann, einer der beiden Geschäftsführer von der Bioenergie Oberland GmbH, erklärte. Die Firma betreibt auf dem nahe gelegenen Weiler Busenberg eine Biogasanlage mit einer Gesamtleistung von 2,5 MW. Die Anlage versorgt die Gemeinde Hochdorf mit Nahwärme. Über ein sieben Kilometer langes Netz werden jährlich rund fünf Mio. kWh Wärme ins Netz abgegeben, daneben gelangen 1,5 Mio. kWh in eine Holztrocknungsanlage. Für alle (Not-)Fälle steht ein 100 Kubikmeter Pufferspeicher zur Verfügung, eine Hackschnitzelheizung mit 650 KW (die allerdings nur wenige Stunden im Jahr in Betrieb ist) sowie als weiteres Backup ein Hotmobil mit Heizöl im Container, erklärt Schwendemann und verdeutlicht: „Bisher haben wir mit unserer Anlage rund 900.000 Liter Heizöl eingespart.“ Neben Hochdorf wird auch Eberhardzell mit Wärme versorgt, erläutert Schwendemann: „In Hochdorf laufen rund 60.000 Liter Wasser im Kreis, in Eberhardzell etwa die Hälfte.“
In der Gemeindehalle Hochdorf interessieren sich rund 80 Besucher für das Thema Biogas und Nahwärmenetze. Viele treibt die Frage um, ob Auf- und Ausbau von mit Biogas betriebenen Nahwärmenetzen weiterhin finanziell rentabel bleibt, auch wenn bald bei immer mehr Biogasanlagen die alten Verträge zur Einspeisevergütung auslaufen, der eigentlichen Haupteinnahmequelle der Betreiber.
Stefan Jäckle ist Bürgermeister von rund zweieinhalbtausend Einwohnern der zehn Kilometer südlich von Biberach an der B 30 liegenden Gemeinde Hochdorf mit den Ortsteilen Schweinhausen und Unteressendorf. Seit 2010 ist Hochdorf Bio-Energiedorf. Eines der ersten in Baden-Württemberg. 180 Haushalte bekommen die Rechnung für Strom und Wärme von der Gemeinde. Zehn Jahre habe man Verluste gemacht, seit 2020 wirft das Netz Gewinn ab. Jäckle berichtet von einer hohen Erwartungshaltung der Bevölkerung, er bekäme viele Anfragen von Ölheizungsbesitzern, die die Nahwärme nutzen wollen, die die Gemeinde bei der Oberland GmbH einkauft. Ein Problem seien die stark gestiegenen Ausbaukosten. Habe man 2010 für einen (!) Trassenmeter noch 500 € bezahlt, so seien es heute mindestens 1200 €. Sehr hohe Kosten, trotz einer derzeit 40prozentigen staatlichen Förderung.
Guntram Grabherr, Bürgermeister der 4600-Einwohner-Gemeinde Eberhardzell mit vier Teilorten auf einer sehr großen Fläche, berichtet von den Planungen. Die Ortsteile Füramos und Mühlhausen seien sehr dezentral, in Oberessendorf gebe es private Betreiber. In Eberhardzell nutze man jedoch rund 500 Megawattstunden Wärme pro Jahr über das rund 3,5 Kilometer lange, gut funktionierende Nahwärmenetz vom Busenberg. Anfangs waren neun kommunale Gebäude angeschlossen, mittlerweile sind es 50 Haushalte und öffentliche Einrichtungen.
Es folgte ein Praxisvortrag von Thomas Dobler, Geschäftsführer der Nahwärme Eberhardzell GmbH und der Bioenergie Oberland GmbH. Die Oberlandgruppe mit 20 festen Mitarbeitern gibt es seit 20 Jahren. Die Anlage auf dem Busenberg wird zu 35 Prozent mit Mist und Güllefeststoff von umliegenden Höfen betrieben, der Einsatz von Maissilage liegt bei 40 Prozent, weitere 25 Prozent bestehen aus Gras, Ganzpflanzensilage und CornCobMix. Der durchschnittliche Weg vom Feld zur Anlage beträgt 4,5 km. Zudem gibt es auf dem Busenberg eine Photovoltaikanlage mit 50 KW. Laut Dobler stellt sich die Frage, ob man Biomasse für den Teller oder den Tank produzieren solle nicht, stattdessen gelte „Teller UND Tank“. Er wies darauf hin, dass „der böse Mais“ viel mehr Kohlenstoffdioxid binde als etwa Raps und weniger Pflanzenschutzmittel benötige. Er beklagte die überbordende Bürokratie und plädierte für einen klugen Ausbau statt Rückbau. Davon profitierten sowohl die Landwirte als auch die Gemeinden. So mache etwa die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung ebenso wenig Sinn wie die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für kleine Betriebe.
Nach Dobler kam ein weiterer Praktiker zu Wort: Siegfried Schmid, Aufsichtsratsvorsitzender der Nahwärme Oberopfingen, „dem ersten Bio-Energiedorf in Baden-Württemberg“. Der Teilort von Kirchdorf hat rund drei Millionen Euro ins Netz investiert. Eine Genossenschaft mit 187 Mitgliedern versorgt Haushalte, Betriebe und öffentliche Gebäude mit günstiger und umweltfreundlicher Nahwärme. Der Heizölanteil betrage nur noch 2,4 Prozent, damit würden rund 1200 Tonnen CO2 jährlich eingespart.
Der Geschäftsführer des Fachverbands Biogas Manuel Maciejczyk bedauerte, Biogas sei der unbekannte Riese. Bei PV und Windenergie mache die Bunderegierung alles, was möglich sei. Er forderte: „Wir warten auf eine nationale Biomasse-Strategie. Das Erneuerbare Energien-Gesetz muss angepackt werden!“
In einer kurzen Podiumsdiskussion kamen die geladenen Politiker zu Wort: Norbert Lins, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des Agrarausschusses. Er wies darauf hin, dass derzeit nur ein Drittel von Mist und Gülle durch Biogasanlagen ginge. Bei der Erzeugung von einem Kilo pflanzlichen Lebensmitteln fallen rund vier Kilo für den Menschen nicht-essbare Biomasse an. Erst Nutztiere machen diese für den Menschen verfügbar und außerdem sie sind zur Energie-Gewinnung zu verwenden. „Biomasse muss klug ausgebaut werden“, forderte er und nannte das Beispiel Biomethan. Auch seine beiden Parteikollegen Raimund Haser. CDU-MdL und energiepolitischer Sprecher seiner Partei, sowie der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief, Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundes, beantworteten die Frage „Hat Biogas im Nahwärmenetz noch Zukunft?“ mit: Im Prinzip ja.
Autorin: Andrea Reck