Aulendorf – Die Tradition des Badespaßes in Aulendorf geht auf mehr als 1700 Jahre zurück. Sie begann mit einer römischen Badeanstalt. Im Juni 2024 wird ein großes Jubiläum gefeiert: Seit 100 Jahren kann im Steeger See offiziell gebadet werden. Graf Erwin, damaliger Besitzer des Moorsees, gab die Erlaubnis dazu. Die Gemeinde erließ hierzu eine verbindliche Badeordnung.
Der Steeger See gilt als einer der schönsten Naturbadeseen im gesamten oberschwäbischen Raum. Er geht zurück auf ein so genanntes Toteisloch in der letzten Eiszeit und liegt in einem Talmoor. Dieses Toteisloch hat vermutlich eine eigene Quelle und bekommt Zulauf über den Riedbach aus dem Tannhauser Ried. Der See hat eine Wasserfläche von 4,5 Hektar. Das Naturfreibad verfügt heute über einen Sprungturm, das „Dreierle“, sowie ein Sprungbrett, mehrere Holzplattformen, die zum Verweilen einladen, und einen Steg, der 15 Meter weit in den See hineinführt. Die Liegefläche des Naturfreibads umfasst rund 17.000 Quadratmeter, wobei sich auf dem Gelände zudem ein Beachvolleyball- und Fußballfeld sowie mehrere kleinere Spielinseln für Kinder befinden. Im Juni 2024 besteht das Naturstrandbad Steeger See seit genau 100 Jahren – das soll mit einem städtischen Festakt am 22. Juni auch gebührend gefeiert werden. Doch welche Möglichkeiten zum Schwimmen und zur Erfrischung durch ein Bad hatten die Bewohnerinnen und Bewohner Aulendorfs in der Vergangenheit? Wir werfen einen Blick in die Historie, die Herbert Hasenmaile bis 1993 aufgeschrieben hat.
Die Anfänge der Badeaktivitäten auf dem Gebiet des heutigen Aulendorf lassen sich weit zurückverfolgen. Es ist anzunehmen, dass bereits die Römer in Aulendorf gebadet haben. Das heutige Oberschwaben gehörte damals zu Rätien. Die römischen Legionen sicherten den Kastellen nicht nur Schutz, sondern auch eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Ausgediente Offiziere und Legionäre blieben im Land und bauten Gutshöfe. Ein solcher wurde im Jahr 1825 unweit Aulendorf ausgegraben. Innerhalb der Gesamtanlage des Gutshofs befand sich wohl auch ein Badehaus. Die römische Herrschaft im damaligen Rätien wurde jedoch bald von den „Barbaren“ beendet. Viele Gutshöfe mussten im 3. Jahrhundert aufgegeben werden, was auch das Ende der römischen Badekultur bedeutete. Die Alemannen beherrschten seit Mitte des 4. Jahrhunderts das heutige Oberschwaben. Die Geschichte des heutigen Aulendorfs begann indes erst später, vermutlich im 7. Jahrhundert.
Und erst im Hochmittelalter, lange nach dem römischen Imperium, verbreitete sich auch hierzulande eine Badekultur ähnlich der der Römer. Badehäuser wurden zu einem beliebten und unterhaltsamen Treffpunkt. Man trank und aß, ließ sich vom Bader waschen und massieren, tratschte über Politik und Skandale. Aber den Aulendorfern war diese luxuriöse Art des Badevergnügens lediglich vom Hörensagen bekannt. Ihnen stand damals nur die Schussen als Möglichkeit zur Körperpflege und als Badevergnügen zur Verfügung. Aus dem Jahr 1873 ist überliefert, dass einige Bürger einen Verein gründeten mit dem Ziel, an dem Fluss einen bescheidenen Badeplatz zu errichten. Ein Muster, das sich in der Geschichte des Seebads wiederholte.
Das öffentliche Baden in Aulendorf erhielt durch den Mäzen Heinrich Härle, einem Ökonomierat, der von 1872 bis 1911 mit seiner Familie in Aulendorf lebte, vorläufig eine neue Qualität. Er konnte seine Idee verwirklichen, den Aulendorfern eine „Stätte der Gesundung des Körpers und Geistes zu schaffen“: das Schwimmbad am Mahlweiher, das am 3. Juni 1911 eröffnet wurde. Allerdings hatte es nicht lange Bestand. Bereits in den 1930er-Jahren wurde die Badeanstalt am Mahlweiher bereits wieder geschlossen. Der Steeger See hatte sich als attraktive Alternative etabliert, die zunehmend mehr Sonnenhungrige und Wasserfreunde anzog.
Wendepunkt in der Geschichte
Die Eröffnung des Steeger Sees als Badeort im Juni 1924 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Badekultur in Aulendorf. Aus einem anfänglich lockeren Zusammenschluss hatte sich die „Badegesellschaft Aulendorf – Steeger See“ entwickelt. Mit dieser Vereinsgründung wurde der Wunsch, im Steeger See das Baden zu ermöglichen, Realität. Die Gemeinde hatte hierfür das Grundstück von Graf Erwin 1931 erworben. Am 28. Mai 1932 schrieb das Aulendorfer Tagblatt über das Bad von einem „Jungborn zu neuer Kraft und gesteigertem Lebenswillen“. Aus den bescheidenen Anfängen war 1936 das „Strand-, Wald- und Luftbad Steeger See“ entstanden, wie es sich im Wesentlichen seit der Badeordnung von 1940 bis 1995 ohne nennenswerte Veränderungen darstellte. Hartmut Sczech, Vorsitzender des Fördervereins Steege-Freunde, erinnert sich noch sehr gut: „Ich habe im Steeger See schwimmen gelernt. Das Strandbad war für uns Jugendliche Ende der 1950er-Jahre ein beliebter Treffpunkt, wo man sich unterhalten und nebenbei Sport treiben konnte. Es war ein Highlight.“
Im Jahr 1995 wurde mit der Modernisierung des Strandbads begonnen, wobei unter anderem die alte Umkleide erneuert und das alte Kiosk abgerissen wurden. Außerdem wurde vom damaligen Pächter das Pressepavillon der internationalen Gartenbauausstellung in Stuttgart von 1993 gekauft und für das Strandbad genutzt. Als dieses kurz vor dem Aus stand, da die Stadt Aulendorf sparen musste, und sich das Bad nicht ausschließlich über Eintrittsgelder finanzieren ließ, gründete sich im Sommer 2010 der Förderverein Steege-Freunde. Dessen Ziel ist es bis heute, das Bad für alle Besucher zu erhalten und dabei mit dem Betreiber, der Stadt Aulendorf, zusammenzuarbeiten. Der Verein konnte nicht nur helfen, das finanzielle Defizit zu begleichen, sondern ist bis heute rege tätig, um das Bad attraktiver und moderner zu gestalten. „Zahlreiche Vereine und Sponsoren halfen dabei“, betont Hartmut Sczech. Stets sehr gut besucht seien laut dem Vereinsvorsitzenden beispielsweise die jährlichen Familienerlebnistage mit bis zu 2000 Besuchern. Da Baden bekanntlich hungrig macht, gibt es im ebenfalls renovierten Gastronomiebetrieb Pizza, Pommes und kühle Getränke.
Autor: Patrick Merk