Es ist lange her. Was geschah 1973? Die USA schlossen einen Waffenstillstand mit Nordvietnam und zogen ihre Truppen aus Südvietnam zurück, aber der Krieg zwischen Nord- und Südvietnam dauerte noch weitere zwei Jahre. Dieser Krieg war wie so viele in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Folge des Kolonialismus und des Kalten Krieges. Und der Nord-Süd-Konflikt zwischen den ehemaligen Kolonialmächten des Nordens und den nach Unabhängigkeit strebenden Nachfolgestaaten im Süden bestimmte die Weltpolitik und führte als lokale Reaktion zur Gründung des Arbeitskreis Entwicklungspolitik Biberach e.V. vor 50 Jahren.
Dieser runde Geburtstag wurde dieser Tage in Biberach gefeiert. Zu den GratulantInnen gehörten nicht nur die drei Bundestagsabgeordneten Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Grüne) und Josef Rief (CDU), sondern auch die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) Bärbel Kofler (SPD). Eingeladen hatte der Vorsitzende des Vereins, der auch schon Gründungsmitglied war, Alfons Siegel.
Der Politikwissenschaftler begründete die Intension der Vereinsgründung bei seiner Begrüßung so: „die als skandalös empfundene Wohlstandskluft zwischen Entwicklungs- und Industrieländern anhand von Fakten bewusster zu machen, und sich die Armut in Entwicklungsländern konkreter auch mit ihren befürchteten Folgen vorzustellen“. Siegel enthüllte dabei auch, dass der Verein großteils aus den Reihen der Jungen Union und der CDU hervorging. Vielleicht war dies auch Reaktion darauf, dass der SPD-Landesvorsitzende Erhard Eppler als Entwicklungshilfeminister die Diskussion in Bonn bestimmte, aber bereits 1974 aus Protest gegen Etatkürzungen zurücktrat. Eppler war Überzeugungstäter und Alfons Siegel ist es immer noch. Am Anfang stand das Wort, im Sinne Siegels ging es um Bewusstseinsbildung, dem folgte die Tat, betonte der ehemalige Lehrer und verwies auf mehrere Projekte, die der Verein in den letzten fünf Jahrzehnten unterstützte, aktuell ein Berufsbildungszentrum in Uganda. Das „Leitprinzip“ sei, „die Kombination von Praxis und Theorie“ sowie das Bestreben, „die Kombination zwischen Wissenschaft, Medien, Politik und der Bevölkerung zu stimulieren“. Das gelang auch an diesem Abend im Schützenkeller.
Die Abgeordneten waren sich einig im Lob über die Jahrzehnte lange Arbeit des Vereins, und Josef Rief zeigte sich stolz, dass er als damals junger Landwirt zu den Gründungsmitgliedern gehörte und immer noch Vereinsmitglied ist. Und trotz des Lobes merkte Anja Reinalter an, dass „die Welt schöner wäre, wenn es den AKE nicht bräuchte“. Davon kann leider keine Rede sein, wie auch Martin Gerster mit Blick auf die vielen Krisen und die gesellschaftliche Diskussion betonte.
Es war vermutlich nicht nur dem festlichen Anlass geschuldet, dass die Staatssekretärin Bärbel Kofler die „neue Afrika-Strategie“ der Bundesregierung als wegweisend darstellte: „Wir wollen sozialer werden, wir müssen ökologischer werden, wir müssen feministischer werden.“ Letzteres klingt neu, ist aber in der entwicklungspolitischen Diskussion ein alter Hut, wenn Kofler begründet: „Wenn wir Frauen stärken, stärken wir die Gesellschaft als Ganzes.“ Das ist nicht nur in Afrika so. So mischt die Politikerin Bekanntes mit neuer Hoffnung, wenn sie davon spricht, dass Afrika mit einer jungen, kreativen und tatendurstigen Generation zum „neuen Gravitationszentrum der Welt“ wird. Dieser Zukunft widerspricht freilich die Gegenwart, wenn man die Migration als Krisensymptom betrachtet, zu deren Ursachen nicht zuletzt die Klimakrise zählt.
Auch das ist nicht neu. Alfons Siegel erinnert rückblickend an einen Vortrag. Das Thema: „Warum lässt es viele (noch) kalt, wenn es wärmer wird?“ Das Jahr: 2007. Dazu Alfons Siegel: „Es darf uns nicht gleichgültig lassen, dass jene, die am wenigsten zu Klimakatastrophen beigetragen haben, am meisten darunter leiden. Auch damit zeigt sich eine globale Ungerechtigkeit, die zu bekämpfen der AKE 1973 angetreten ist.“ Herzlichen Glückwunsch, Geburtstagskind!
Autor: Roland Reck