Skip to main content
In Ruzenweiler bewirtschaften Roswitha Geyer-Fäßler und ihr Mann (auf dem Plakat) einen Bio-Milchbetrieb. Das Ehepaar hat drei Kinder und die Bäuerin noch viele Ehrenämter.

Ruzenweiler – Roswitha Geyer-Fäßler ist glücklich, trotz des Ärgers, den sie hat. „Es ist trotzdem der schönste Beruf der Welt“, schwärmt die Bäuerin und lacht. Der Ärger kam frei Haus. Die 46-Jährige weiß das genaue Datum, es war der 14. Dezember. Es war der Tag, als „die Ampel“ den Bauern Privilegien strich. Es folgte ein Sturm der Entrüstung, denn die Bauern sehen es als dreisten Griff in ihre Taschen und stellten sich im ganzen Land mit ihren Traktoren quer. Und Rosi, so ihr Rufname, Geyer-Fäßler mischt als Vize-Präsidentin des Landesbauernverbands kräftig mit. Besuch bei einer Powerfrau.

Wo ist Ruzenweiler? Bei Karsee in der Nähe von Wangen, dort, wo Oberschwaben das Allgäu küsst, am südöstlichen Rand des Kreises Ravensburg. Die Fahrt dorthin lässt einen träumen, aber Obacht, die kurvigen Sträßlein durch hügelige Wiesen verlangen Obacht. Die Bäuerin empfängt den Besuch auf dem Hof, den sie mit Ihrem Mann als Biobetrieb umtreibt. Rund 40 Hektar Grünland, wovon 60 Milchkühe und 50 Rinder satt werden. Ein Milchviehbetrieb, den das Ehepaar vor zehn Jahren auf Bio umgestellt hat. Einen Entschluss, den es nicht bereut.

ANZEIGE

Die Arbeitsteilung ist geregelt. Der Hof und die drei heranwachsenden Kinder sind Teamarbeit, dazu kommen en masse Ehrenämter, die die Frau mit Begeisterung umtreibt. Ihr Mann habe gewusst, worauf er sich einlässt, erzählt die Bankkauffrau und  gelernte Hauswirtschafterin, denn sie haben sich bei der Landjugend kennen gelernt und schon damals war sie nicht nur Mitläuferin, sondern Vorsitzende, wohl gemerkt Bundesvorsitzende von 2004 bis 2007. Heute sitzt sie im Ortschafts- und Gemeinderat, ist schon seit sechs Jahren stellvertretende Vorsitzende des Bauernverbandes Allgäu-Oberschwaben und seit 2022 auch Vize auf Landesebene. Sie ist CDU-Mitglied und Beisitzerin im Kreisvorstand. Eine Menge Ehrenamt!

Von „Bauernkrieg“ will Geyer-Fäßler nicht sprechen, sie weiß um die Geschichte, aber einen „Bauernaufstand“ sieht sie am Gange. Für die massenhafte Mobilisierung hat die Bäuerin eine plausible Erklärung. Bei den Einsparungen gehe es für den einzelnen Betrieb nicht um sehr viel Geld, aber alle Landwirte, welcher Art auch immer, profitierten von der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge und dem günstigeren Agrardiesel. Geld, das die Betriebe nötig hätten. Einen Traktor habe jeder, betont die Praktikerin, folglich seien auch alle Landwirte betroffen. Das habe mobilisiert, aber sei letztlich nur der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Die vielen Tropfen vorher seien vor allem dem wirtschaftlichen Druck, dem sich die Bauern seit Jahren durch die Politik aus Berlin und Brüssel ausgesetzt sähen sowie der damit überbordenden Bürokratie geschuldet. So habe der jahrelange Unmut zum Aufruhr geführt.

ANZEIGE

Die Zeiten seien längst vorbei, als der Bauer sich bei der Arbeit nach dem Wetter gerichtet habe, erklärt Geyer-Fäßler und nennt die Düngung als Beispiel. „Für die Ausbringung unseres wichtigsten Wirtschaftsdüngers die Gülle und den Mist“ entscheide nicht das Wetter, sondern „die neu GAP mit ihren Glöz Richtlinien“, also die EU. Und im Ackerbau gelte es noch viel mehr „nach Datum zu arbeiten. Wir fragen uns halt, wo bleibt da die gute fachliche Praxis“? Dabei seien die neuen Richtlinien schon „sehr undurchsichtig und speziell geworden. Allein das Erosionskataster in Glöz 5 ist eine Herausforderung ohne gleichen“, klagt die Bäuerin – zeitraubende Arbeit, die immer mehr würde. Das schafft Unmut.

Den der Bauernverband mit seinen Demos in politisches Handeln umsetzt, mit dabei als Entscheiderin die Bäuerin aus Ruzenweiler, die inzwischen in der Organisation von Busreisen nach Berlin oder einer Großdemo wie die in Ravensburg am 8. Januar mit 5000 Teilnehmern und 2000 Traktoren geschult ist. Und als Vizepräsidentin des Landesbauernverbandes war die couragierte Frau in Ravensburg und Ulm auch als Rednerin gefordert. Sie zeigt sich zufrieden. „Wir haben bereits Ergebnisse erzielt und sind dankbar, dass die Bevölkerung zu großen Teilen hinter uns steht. Der Ball liegt bei der Politik. Wir sind im Gespräch und erwarten jetzt konkrete Vorschläge zur Erleichterung für unsere Branche.“

ANZEIGE

Inzwischen hat ein Roll back eingesetzt. Die Bundesregierung lässt die Finger von der Kfz-Steuer und streckt die Verbilligung des Agrardiesels bis 2026, und die EU hat die geforderte Flächenstilllegung für den Artenschutz von vier Prozent stillgelegt und nahm auch die Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln zurück. Denn die Bauern sind europaweit auf Protestkurs. Da wird auch mancherorts mit harten Bandagen gekämpft, bei den französischen Nachbarn beispielsweise. Oder im beschaulichen Biberach, wo der Politische Aschermittwoch der Grünen von wütenden Bauern verhindert wurde.

Der Bauernverband distanzierte sich umgehend von der Aktion vor der Biberacher Stadthalle, die nicht angemeldet war, und auch Geyer-Fäßler hält das Vorgehen der Demonstranten für inakzeptabel und kontraproduktiv. Der Bauernverband sieht sich als Verhandlungspartner nicht als Krawallbruder. So war die Landwirtin auch Teilnehmerin der Gesprächsrunde, die sich am Aschermittwoch mit dem Landwirtschaftsminister im Biberacher Landratsamt traf. Sie lobt das Gesprächsklima und hofft auf zuträgliche Entscheidungen in Berlin.

Die Bäuerin ist konservativ, öko hin oder her. Sie hält nichts von dem geplanten Biosphärengebiet, genauso wenig wie von den jungen Klimaaktivisten, die sich im Altdorfer Wald in einem Baumcamp festgesetzt haben. Sie kritisiert „die soziale Schere“, die immer weiter auseinanderklaffe, und hält für wichtig, dass die Bauern die Zustimmung in der Bevölkerung „nicht verspielen“. Aber den „Bauernaufstand“ will sie gewinnen, anders als die Bauern vor 500 Jahren, deren „Uffrur“ scheiterte. 

Text & Foto: Roland Reck



NEUESTE BLIX-BEITRÄGE

Editorial BLIX November 2024

Liebe Leserinnen, liebe Leser, dieser November wird in Erinnerung bleiben. Und zwar egal wie die Präsidentschaftswahl in den USA ausgeht. Es macht sich zuallererst an dem Votum für oder gegen Donald Trump fest, und erst dann an Kamala Harris, die womöglich erste Frau im Weißen Haus und die erste schwarze überdies. Deren Wahl historisch wäre. Wird stattdessen Trump tatsächlich ein zweites Mal gewählt, ist das eine demokratische Katastrophe mit unabsehbaren Folgen. 

„Demokratie ist Mannschaftssport“

Memmingen – Die Überraschung ist gelungen, als der Memminger Oberbürgermeister Jan Rothenbacher im kleinen Sitzungssaal des Rathauses den Träger des „Memminger Freiheitspreis 1525“ bekannt gibt: der „verflossene“ Fußballtrainer des Sportclubs Freiburg Christian Streich erhält im kommenden Jahr 2025 als sechster Preisträger die Auszeichnung, die sich auf die Erklärung der „Zwölf Artikel“ der aufständischen Bauern vor 500 Jahren in der Kramerzunft der Stadt bezieht. Das Jubiläum im nächsten Jah…

Geschichte und Kunst

Oberschwaben – Es ist so weit, das große Jubiläum wirft seinen Schatten voraus. „500 Jahre Bauernkrieg“ wird im nächsten Jahr das historische Großereignis. Zurecht, denn mit den „Zwölf Artikel“, verfasst im März 1525 in der Kramerzunft in Memmingen, forderten die aufständischen Bauern erstmals in der Geschichte Menschen- und Bürgerrechte. Diese „Ungeheuerlichkeit“ entsprang der feudalen Diktatur und stellte sie radikal in Frage. Jede Geschichte hat ihre Geschichte, so auch der Bauernkrieg. Di…

Die extreme Rechte im Landkreis Biberach

Biberach – Die „Partnerschaft für Demokratie im Land-kreis Biberach“ veranstaltete am 24. Oktober einen aufschlussreichen Vortrag mit dem Titel „Die extreme Rechte und ihr Umfeld – Ein Blick auf den Landkreis Biberach und die Region“. Etwa 70 interessierte Teilnehmende fanden sich ein, um sich über die Untersuchungsergebnisse der Fachstelle „Mobirex“ (Monitoring | Bildung | Information zur extremen Rechten in Baden-Württemberg), angesiedelt im Demokratiezentrum Baden-Württemberg, zu informier…

Leserbriefe

Auch für den Monat November erreichten uns wieder Zuschriften.

100 Jahre Bio

Voggenreute – Ein runder Geburtstag ist immer etwas Besonderes. Und wenn dann noch eine lange Geschichte dahinter steckt erst recht. 100 Jahre ist fraglos ein Zeitraum, der Aufmerksamkeit verdient. Und erst recht, wenn darin eine Idee gewachsen ist, die Früchte trägt und aktueller nicht sein kann. Denn damals – nur sechs Jahre nach dem Ersten Weltkrieg – wie heute – angesichts der Klimakrise – stellen sich die Fragen: Wie wollen wir leben und wovon wollen wir leben? Vielfalt statt Einfalt war…

Zum 100. Geburtstag nach Rom

Bad Wurzach / Rom – Über 600 Reisende des Salvatorkollegs waren vom 4. bis 11. Oktober 2024 unterwegs nach und in Rom. Das Schuljubiläum zum 100-jährigen Bestehen war der Anlass für die Schulreise der gesamten Schulgemeinschaft.

Lernen mit und in der Natur 

Berg – 8 Uhr morgens an einem Donnerstag im Oktober: Schulbeginn für die fünf Fünftklässler an der neu gegründeten Freien Naturschule Ravensburg. Seit Ende der Sommerferien ist nicht nur für die Gründungsmitglieder der Freien Naturschule Ravensburg ein Traum wahr geworden. Auch für die Eltern der Schulkinder, die hier – in einem Nebengebäude des Horrachhofs bei Weingarten-Berg – zur Schule gehen. Kurz vor Schuljahresbeginn hat die Schule die Zulassung erhalten und kann nun mit 25 Kinder in de…

„Das gibt mir Hoffnung“

Bad Schussenried – Berthold Porath ist Coach, Unternehmens- und Männerberater – und Trauerredner. Was befähigt den 62-Jährigen dazu? Ein Leben voller Erfahrungen und die Bereitschaft, immer dazu zu lernen. Sein Weg ist der eines Mannes, der erfahren hat: Erfolg kann in die Irre führen. Sein Ziel: Balance mit sich – den Menschen und der Natur. Und dazu gehört der Tod, ist er überzeugt. Nachgefragt.

Wasser ist ein Menschenrecht

Ochsenhausen – Es braucht immer einen Anstoß, damit sich was bewegt. Und es braucht Menschen, die sich anstoßen lassen, damit daraus ein Projekt wird. In diesem Fall war es ein Artikel in BLIX, der Theresia Moosherr inspirierte. Die in Bad Schussenried wohnhafte Künstlerin entwickelte folgende Idee. Sie stiftet der Stadt Ochsenhausen eine Skulptur, eine „Wasserhüterin“, die passend platziert auf der „Rottuminsel“ das neu geschaffene Zentrum schmückt mit der Botschaft: „Wasser ist ein Menschen…

„Ich wage zu scheitern“

Ravensburg – Wer reist, braucht einen Koffer. Was aber mitnehmen in die neue Welt, die eine alte ist? Wolfram Frommlet hat sich für Musik und Bücher entschieden. Es ist das Eigene, das ihm viel bedeutet, was er in die Fremde mitnimmt. Das Fremde ist Afrika, von Ost nach West. Lusaka, Hauptstadt von Sambia, dorthin bricht der Ravensburger 1978 mit schwangerer Frau auf ohne Rückflugticket. Es ist der Beginn einer langen Reise, die eine Suche ist. Im Koffer Johann Sebastian Bach, dessen Musik de…

Türlein öffne dich!

Erinnern Sie sich noch an die Adventszeit, wie wir sie in unseren Kindheitstagen erlebt haben? Drei Wochen waren unendlich lang, aber zum Glück versüßt, indem wir Tag für Tag ein weiteres Türchen unseres Adventskalenders öffneten und so der großen Bescherung Stück für Stück näher rückten. Meistens handelte es sich dabei um klassische Adventskalender mit weihnachtlichen Motiven, hinter deren 24 Türchen leckere, in Form gegossene Schokostückchen darauf warteten, noch vor dem Frühstück verzehrt …

Bratapfel auf dem Brot

Äpfel haben Saison und weihnachtliche Düfte sorgen im trüben November für Wohlbefinden. 

Winterschlaf? Noch nicht! 

Im November kommen Boden und Pflanzen zur Ruhe. Ehe der Gärtner die Winterruhe einläutet, hat er noch ein paar Aufgaben zu erledigen.

Krisenstimmung beim BVB

Bei Borussia Dortmund ist bereits zu Saisonbeginn mächtig Feuer unterm Dach. Drei verlorene Auswärtsspiele in Folge und dazu Absturz auf Platz sieben in der Liga und auch sieben Punkte Rückstand auf Leipzig sind keine guten Vorzeichen für Coach Sahin, zumal der FC Bayern seinen Vorsprung auf den ewigen Rivalen nach einem 5:0 Kantersieg gegen den VfL Bochum bereits auf zehn Punkte ausbauen konnte.

ANZEIGEN

BLIX-NEWSLETTER

VERANSTALTUNGEN

ALLGÄU-OBERSCHWABEN

Bad Waldsee – Am 9./10. November gastierte das „Amviehtheater“, die Theatergruppe des Bad Waldseer Kulturvereins Spek…
Aulendorf – Aufgrund einer bevorstehenden Baumaßnahme im Bereich Laupheim/Ulm gibt es Auswirkungen bei den DB Regio-Z…
Gaisbeuren – Der Verein Landwirtschaftlicher Fachbildung Ravensburg-Waldsee e. V. lädt zu einer Veranstaltung mit Nor…
Bad Wurzach – Allgäu-Oberschwaben – Mehr als 110 Vertreter aus allen touristischen Bereichen, von Leistungsträgern bi…
Oberteuringen/Bodenseekreis – Am Mittwochvormittag (20.11.) hat sich auf der Bundesstraße 33 zwischen Hefigkofen und …